12 architektur FACHMAGAZIN Magazin
Die dehnbare Brücke
Vor allem längere Brücken haben an
ihrem Anfang und am Ende eine sogenannte
„Dehnfuge“, die man mit dem
Auto bei hoher Geschwindigkeit als
Rumpeln wahrnimmt.
Der Grund dafür sind die Längenschwankungen
und Verformungen des Materials
durch Temperaturunterschiede. Diese Fugen
müssen gewartet werden und sind für
ca. 20% der Instandhaltungskosten von Brücken
verantwortlich. An der TU Wien wurde
daher eine Brückenvariante entwickelt, bei
der auf diese Dehnfugen verzichtet wird.
Die Technik wurde von der ASFINAG beim
Bau der Satzengrabenbrücke an der Nordautobahn
erstmals eingesetzt. Nun hat die
dehnfugenlose Brücke ihren ersten Winter
überstanden. Die Messergebnisse zeigen,
dass die neue Technik bestens funktioniert.
Statt die Verformung in einzelnen Fugen
am Anfang und am Ende der Brücke aufzunehmen,
verteilt man die Verformung auf
einen größeren Bereich. 20 bis 30 Betonelemente
werden hintereinander aufgereiht
und mit Seilen aus einem speziellen Glasfaser
Werkstoff miteinander verbunden. Die
Konstruktion ähnelt einer Kette von Perlen,
die auf einem Gummiband aufgefädelt sind:
Wenn daran gezogen wird, erhöht sich der
Abstand zwischen allen Perlen gleichmäßig
im selben Ausmaß. Wenn sich die Brücke
im Winter verkürzt, entstehen zwischen
benachbarten Betonelementen kleine Spalten
– allerdings nur im Millimeterbereich,
sodass diese keine Gefahr für die Asphaltfahrbahn
darstellen.
Die in Bezug auf den Wechsel der
Jahreszeiten mitdenkende Glasscheibe
hat die Forscherin Madhu Bhaskaran
von der RMIT University in Melbourne
gemeinsam mit ihrem Doktoranden
Mohammad Taha entwickelt.
Im Sommer hält eine beschichtete Scheibe
die Wärme draußen, im Winter verhindert
sie vollautomatisch, dass Wärme nach
draußen abgegeben wird. Die Beschichtung
dieses Kunststückes besteht aus Vanadiumoxid
(50 bis 150 Nanometer) und ist 1.000
Mal dünner als ein menschliches Haar. Der
Lichtverlust ist kaum messbar. Das Glas soll
dabei helfen, den Energieverbrauch zu senken.
Die Beschichtung reagiert zwar selbstständig
auf Temperaturunterschiede, kann
aber auch per Handschaltung „überstimmt“
werden. Bei einer Temperatur von 67 Grad
Celsius wird aus dem Isolator ein elektrisch
leitfähiges Material, das eine ungewöhnliche
optoelektronische Eigenschaft hat. Für das
Auge bleibt es durchsichtig, für Infrarotstrahlen
wird es jedoch opak - wie Milchglas.
Im Sommer reduziert sich der Verbrauch von
Strom für die Klimaanlage um 75 Prozent. Im
Winter liegt die Einsparung noch bei 45 Prozent,
jeweils verglichen mit unbeschichteten
Scheiben. Das Empire State Building in New
York wurde bereits mit beschichtetem Glas
ausgestattet, allerdings mit einer Sorte, die
weniger effektiv ist und zudem noch Energie
verbraucht, um den Modus zu wechseln.
Trotzdem sank die Stromrechnung um 2,4
Millionen Dollar pro Jahr. Außerdem reduzierten
sich die CO2-Emissionen um 4.000
Tonnen pro Jahr.
© TU Wien
Schlaue Fensterscheibe
© rmit.edu.au, J. Giggacher
/rmit.edu.au