57 www.architektur-online.com architekturszene
kleinere Anbieter selten ankommen. Für
Altstädte bedeutet dies einen langsamen
sozialen und ökonomischen Tod.
Für die Bekämpfung von Leerständen stehen
der Stadtplanung mehrere Instrumente zur
Verfügung – häufig wird diesbezüglich eine
Umnutzung des betreffenden Gebäudes angestrebt.
Befindet sich die Fläche zudem in
Besitz der öffentlichen Hand, empfiehlt es
sich, diese – sei es im Rahmen von Veranstaltungen
oder sozial motivierten Projekten
– öffentlich zugänglich zu machen.
Brache mit Potenzial
Als sogenannte „Good-Practice-Beispiele“
können diesbezüglich internationale
Beispiele des Umgangs mit Leerstand in
Städten Europas dienen. Experten wie Jens
Dangschat vom Fachbereich Soziologie auf
der TU Wien sind sich darüber einig, dass
Leerstand nicht immer zur Abwertung
eines Ortsteils führen muss. Insbesondere
der kreative Umgang mit ungenutzten
Gebäuden trägt zu einer strategischen
Stadtentwicklung
bei. Unter anderem hat
es sich bewährt, städtische Liegenschaften
für künstlerische, soziale und kulturelle
Projekte zur Verfügung zu stellen. Wie das
Beispiel der NDSM Werft in Amsterdam verdeutlicht,
können solche Maßnahmen einen
Gewinn für die gesamte Stadt darstellen
und ehemals verlassene Orte wieder an Attraktivität
gewinnen.
Auch Zwischennutzungen können ein gezieltes
Instrument zur Stadtteilentwicklung
sein. Allerdings sind temporäre Vermietungen
auch mit negativen Effekten auf das betreffende
Gebäude und das jeweilige Ortsquartier
verbunden. Je nach quantitativem
und qualitativem Raumangebot handelt es
sich hier zumeist um unbefriedigende Ertragssituationen,
einen fehlenden Mehrwert
sowie Schäden an der Bausubstanz. Letztgenannter
Punkt geht mit einer Wertminderung
des Gebäudes einher und bereitet vor
allem Privatbesitzern große Sorge.
Oft können als Zwischennutzung geplante
Maßnahmen jedoch zu dauerhaft bestehenden
Projekten im Stadtraum avancieren
– dies gilt insbesondere dann, wenn die
Areale einem breit gefächerten Nutzerkreis
zur Verfügung stehen.
Managementstrategien für
den Wiener Leerstand
In Wien hat Leerstand zwei Gesichter – einerseits
in Form absichtlich gehorteter,
ungenutzter Wohnungen und andererseits
als Brachflächen auf dem Areal ehemaliger
Industriebetriebe. Beide Phänomene stellen
für die Raumplanung ein erhebliches Problem
dar. Leerer Wohnraum und Gebäude
tragen nämlich zu einem hohen Verbrauch
knapper städtischer Flächen bei. Umso
wichtiger ist es, die Anzahl der leer stehenden
Wohnungen zu erheben und diese nach
Möglichkeit einer alternativen Nutzung
zuzuführen. Um mit Wohnungsleerstand
in Großstädten adäquat umgehen zu können,
bedarf es zuallererst einer Erfassung
des Bestandes an ungenutzten Flächen.
Gemäß einer Studie der Wiener MA 35
aus dem Jahr 2015 stehen in Wien an die
35.000 Wohnungen leer, wobei es sich bei
den meisten dieser Räumlichkeiten um Spekulationsobjekte
handelt. Damit es nicht
mehr attraktiv ist, ungenutzte Wohnungen
zu horten, setzt sich die Wiener Mietvereinigung
für eine Leerstandsabgabe ein –
diese soll bewirken, dass die betreffenden
Objekte wieder vermietet werden und der
Bevölkerung wieder als Wohnraum zur Verfügung
stehen.
Handelt es sich beim Leerstand nicht nur
um einzelne Wohnungen, sondern gleich
um ein ganzes Areal, lässt sich das Problem
nicht einfach durch Abgaben lösen. Bei
der Vielzahl an ungenutzten Bauwerken
handelt es sich häufig um Flächen in den
ehemaligen Industriegebieten der Wiener
Peripherie. In ihrem ungenutzten Zustand
verbrauchen die stillgelegten Fabriken viel
wertvolle Fläche. Befinden sich gar mehrere
solcher Gebäude nebeneinander, trägt dies
zum Entstehen verlassener, verkehrlich
schlecht angebundener Brachen und damit
zur Verschwendung von potenziellem
Wohnraum im Stadtgebiet bei. Abwanderung
in die oberflächlich attraktivere und
besser erschlossene Peripherie ist die Folge.
Dieser Entwicklung lässt sich mit einer
gezielten, langfristigen Planung sowie einer
Umnutzung der Gebäude gegensteuern.
Ein Beispiel für eine gelungene Zwischennutzung
in der Stadt Wien stellt die ehemalige
Traktorfabrik im 21. Wiener Gemeindebezirk
dar. Während auf der Fläche bis zum
Jahr 2020 ein modernes Gewerbezentrum
entstehen soll, wird das Areal samt dem
Gebäude bis zum Baubeginn für öffentliche
Veranstaltungen wie das Schokolade- und
Wein-Festival genutzt. Und auch nach der
geplanten Sanierung wird ein Teil der ehemaligen
Produktionswerke den Einwohnern
Wiens zugänglich bleiben. Allerdings ist
ebenso eine Aufwertung des Gewerbegebiets
geplant. Diese Entwicklung ist dabei
nicht nur positiv zu sehen. Als warnendes
Beispiel dient diesbezüglich die Stadt Zürich
– in der Großstadt kam es durch das
Aufblühen der sogenannten „Creative Industries“
und Zwischennutzungen auf ehemaligen
Industrieflächen zu einer Wertsteigerung
der Areale. Nun mangelt es jedoch
an günstigem Arbeits- und Lebensraum in
der Stadt. Damit auch Wien seinen Anteil an
leistbaren Flächen nicht verliert, sollte weniger
auf die Realisierung prestigeträchtiger,
moderner Stadtteile, sondern vielmehr
auf Erschließung und Erhalt des günstigen
Mietraumes gesetzt werden.
© Dolores Stuttner © Albert Duce