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43 www.architektur-online.com architekturszene unterzogen. Hiermit wollte der Winzer Wolfgang Rieder sicherstellen, dass das älteste Haus der Stadt Poysdorf auch künftigen Generationen erhalten bleibt. Heute steht das Bauwerk Besuchern der Stadt als Hotel und Café zur Verfügung. Bemerkenswert war der Umgang mit der bestehenden Bausubstanz beim Umbau. Zahlreiche Räume wurden im Zuge des langwierigen Bauverfahrens renoviert, sodass es möglich war, einen Großteil des alten Gemäuers zu erhalten. Damit auch von außen ein Blick auf die historische Bausubstanz gegeben ist, wurde das heutige Hotel bewusst mit einer Glasfront versehen. Bei der Umgestaltung des Hauses berücksichtigte der beauftragte Architekt Peter Waldbauer aber auch dessen visuelle Wirkung auf das Ortsbild. So wurde die Farbe des Gebäudes auf die umliegenden ockerfarbenen Bauten abgestimmt. Gleichzeitig fand eine Anhebung des Eingangsbereichs des Hotels auf das Straßenniveau statt. Auf diese Weise fügt sich der Bau trotz seiner außergewöhnlichen Gestaltung nahtlos in das Stadtbild von Poysdorf ein. Das historische Flair des heutigen Hotels manifestiert sich aber auch im Innenraumdesign. So stehen den Gästen sowohl modern gestaltete Zimmer als auch Räume im Stil des 16. Jahrhunderts zur Auswahl. Bei der Realisierung des Konzepts arbeitete Wolfgang Rieder eng mit dem Bundesdenkmalamt zusammen. Auf diese Weise stellte der Winzer sicher, dass der Umbau dem Bestand und dessen Vergangenheit gerecht wurde. Das Eisenhuthaus ist jedoch nicht das einzige Gebäude in Niederösterreich, welches eine gelungene Kombination aus zeitgemäßer und historischer Bausubstanz aufweist. Ein weiteres bemerkenswertes Bauwerk, das alte und neue Elemente gekonnt miteinander verbindet, stellt das Haus K. aus der Hand von hochholdinger knauer engl Architekten in Unterolberndorf dar. Der Umbau des ehemaligen Bauernhauses im Weinviertel fand zwischen 1997 und 1999 statt, wobei das Endergebnis 2000 mit dem „Holzbaupreis“ und von der Niederösterreichischen Landesregierung im Jahr 2001 mit dem „Preis für Vorbildliches Bauen in Niederösterreich“ ausgezeichnet wurde. Als lobenswert gilt bei diesem Projekt insbesondere die technologisch optimierte, sensible Architektur, mit der es den Planern gelang, das Beste aus dem Bestand herauszuholen. Warum Unterolberndorf kein einfaches Bauerndorf darstellt und als Standort für die Architektur von großem Interesse ist, wird erst auf den zweiten Blick deutlich. Bei diesem Ort handelt es sich um ein kleines Siedlungsgebiet im niederösterreichischen Weinviertel mit dörflicher Struktur, das inmitten einer sanften Hügellandschaft liegt. Das recht typisch strukturierte Dorf blickt jedoch auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Immerhin wurde in Unterolberndorf im Jahr 1895 die Verfassung für den schwarzafrikanischen Staat Uganda formuliert. Daher gilt der Ort als „Wiege des demokratischen Uganda“ und wird in regelmäßigen Abständen durch Besuche des Präsidenten geehrt. Als prägend erweist sich für diese Gemeinde neben ihrer Geschichte außerdem die relative Nähe zur Stadt Wien, was sich auch in der Architektur bemerkbar macht. In dem Dorf sind die Bauernhöfe vermehrt einer individuellen, aufgelockerten Bauweise gewichen. Diesen Eigenschaften entspricht auch der Entwurf des Architekturbüros hochholdinger knauer engl. Unter Einbeziehung des alten Bebauungsschemas entwarfen die Architekten ein Eigenheim mit hoher Wohnqualität. Der Bestand verschwindet dabei nicht unter dem Neubau, sondern dient letzterem als Rahmen und Fundament. Dabei wurde das alte Bauernhaus als Nebengebäude erhalten und straßenseitig ergänzt. Zusätzlich überdachten die Planer die ehemalige Hofeinfahrt und funktionierten diese zur Garage um. Letztlich wurde der Hof des ehemaligen Gehöfts zum Garten umfunktioniert, in dem sich die Bewohner des Hauses entspannen können. Großen Wert legte das Team bei der Gestaltung des Projekts auf die Verwendung naturnaher Materialien, weshalb das Obergeschoss des Gebäudes in reiner Holzbauweise errichtet wurde – auf diese Weise erfolgte durch den Umbau gleichzeitig eine visuelle Anpassung des Wohnhauses an die Scheunen auf den Nachbargrundstücken. So gelang es dem Architektenteam ein Wohnhaus im Einklang mit dem alten Baubestand sowie der Natur zu errichten. Der Wohnbau fügt sich gekonnt in das Ortsbild ein und schmückt dieses unaufdringlich mit seinen zeitgemäßen Bauelementen. Historische Gemäuer erhalten den Charakter von Städten Dass Stadtzentren mit ihren historischen Bauwerken sowohl auf Einheimische als auch auf Touristen eine große Anziehungskraft haben, ist kein Zufall. Die inneren und damit ältesten Bezirke eines Ortes dienen oftmals als Standort für das Weltkulturerbe von Siedlungsgebieten und sind für diese identitätsbildend. Daher ist vor allem für das Ortsbild ein sensibler Umgang mit denkmalgeschützter Bausubstanz von Bedeutung. Werden historische Gebäude erhalten, lässt sich so gleichzeitig der individuelle Charakter einer Stadt bewahren. Denn auch hinter unscheinbaren Fassaden können sich historische Befunde verbergen, welche die Geschichte einer Siedlung begreifbar machen und so eine Bereicherung für das Stadtbild darstellen. Unter diesem Gesichtspunkt sollte die Erhaltung geschichtsträchtiger Baumasse in der Architektur oberste Priorität haben. Projekte wie das Haus K. in Unterolberndorf sowie das Eisenhuthaus in Poysdorf sind diesbezüglich ein Schritt in die richtige Richtung. Der Umbau dieser Bauwerke zeigt auf, wie selbst in kleineren Gemeinden, mit begrenzten finanziellen Mitteln mit dem Erhalt historischer Gebäudeteile ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Kultur geleistet werden kann. © Herbert Ortner


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