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28 architektur FACHMAGAZIN architekturszene Zwischen Erholung und Ideologie Die Architektur zur Zeit des Kommunismus hat vielerorts heute noch einen großen Einfluss auf das Aussehen urbaner Strukturen. Diesem Aspekt geht die Ausstellung „Urlaub nach dem Fall. Transformationen sozialistischer Ferienarchitekturen an der kroatischen Adria“ unter Michael Zinganel im Architekturzentrum Wien nach. Der Hauptfokus der Wanderexhibition liegt hierbei auf dem physischen und ökonomischen Sozialtourismus als Identität „Come and see the Truth.“ Mit diesem Aufruf bewarb der Staatsmann Jozip Bros Tito die Touristenzentren des sozialistischen Jugoslawien. Tatsächlich versprach sich die damalige Regierung durch den Fremdenverkehr nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Vorteile. So sollten die strukturalistischen Bauten unter Arbeiter-Selbstverwaltung auch eine politische Botschaft vermitteln. Denn im Gegensatz zu real-sozialistischen Staaten zeichnete sich die Politik Jugoslawiens durch eine weltoffene Einstellung aus. Unter Tito wurde unter anderem der Internationalismus – eine Form der zwischenstaatlichen Kooperation und Interaktion – angestrebt, etwas, das sich auch in der Architektur und Raumplanung widerspiegeln sollte. Nicht zuletzt wollte der ehemalige Staatschef mit dem gezielten Ausbau der Freizeitkultur an der Adriaküste einen Anstoß zur Modernisierung der Gesellschaft schaffen. Die Grundlage der heute bekannten Tourismusinfrastruktur stellt die sozialistische Architektur der 1960er- und 1970er Jahre dar. Zur Zeit des Kommunismus genossen im damaligen Jugoslawien Raumplanung und Modernität in der Architektur einen hohen Stellenwert. Seit 1947 widmeten sich Fachkräfte der Erstellung von Regionalplänen für die kroatische Küste, wobei der Fremdenverkehr einen zentralen Schwerpunkt darstellte. Mit dem Ausbau des Tourismus sollte eine nationale Identität gepaart mit gehobener Lebensqualität geschaffen werden. Gleichzeitig sah sich Jugoslawien als Bühne, auf welcher der angestrebte Internationalismus und die offenen Grenzen des sozialistischen Staates zur Schau gestellt werden sollten. Daher wurden Architekten Text: Dolores Stuttner beauftragt, die damaligen Hotelbauten nicht nur als Übernachtungsstätten, sondern auch als Begegnungszentren zu konzipieren. Eine Besonderheit der Hotelbauten stellte des Weiteren deren Anpassung an die topografischen Gegebenheiten dar. Da die kroatische Küste über vielfältige geografische Strukturen verfügt, musste die Architektur der damaligen Hotels nicht nur an die Nutzung, sondern auch entsprechend der Lage angepasst werden. Durch den sensiblen Umgang mit der Landschaft sorgten die Planer dafür, dass sich die Anlagen trotz der zum Teil sehr großen Bauvolumen in das jeweilige Ortsbild integrierten. Auch heute noch erfreut sich die kroatische Küste als Reiseziel großer Beliebtheit. Allerdings musste die Ferienregion im Laufe der Geschichte auf einige Tiefschläge zurück- blicken. Ein Einbruch der Besucherzahlen war vor allem zwischen 1988 und 1991 – zur Zeit des Balkankrieges – zu verzeichnen. Nur langsam erholte sich der Tourismus des ehemaligen Jugoslawien von den Verlusten. Neubauten, Baustellen und Leerstand Die 6.000 km lange Adria in Kroatien ist heute durch eine Mischung des damaligen „Brutalismus“ sowie stark reduzierten Bauwerken gekennzeichnet. Die zum Teil sehr prunkvollen Gebäude wurden über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg stark rückgebaut oder gänzlich aufgelassen. Aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten, Investoren und nur langsam steigender Nächtigungszahlen erwies es sich nach dem Krieg schwierig, die nun verlassenen Wandel der großmaßstäblichen Bauwerke. Haludovo Resort © ccn-images Zagreb


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