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83 www.architektur-online.com Licht Fassaden der Palais erst wahrnehmbar werden. Diese sollen sukzessive neu beleuchtet werden und zur stimmungsvollen Inszenierung beitragen. Bereits umgesetzte Beispiele sind das Palais Ferstel, das Palais Kinsky, sowie die miteinander verbundenen Palais Batthyany und Trauttmannsdorff. Virtuelle Teppiche und Go-Steine Ein Highlight stellen zwei Kunstinstallationen dar: Die überdimensionalen Go-Steine von Gregor Eichinger in der Fahnengasse beim Hochhaus thematisieren den Fortschritt der künstlichen Intelligenz – wurde doch unlängst der Go-Weltmeister erstmals von einem Computer besiegt. Die Lichtkunstinstallation „Die Herrengasse rollt die Teppiche aus“ von podpod design weist auf die zunehmend verschwimmenden Grenzen von öffentlichem und privatem Raum hin. Die Idee entstand beim Studium des verzweigten Netzwerks von Innenhöfen und Durchgängen, wie beim Palais Harrach oder beim Ferstel, die der Herrengasse eine ungeahnte zweite Dimension geben. Doch wo hört die Öffentlichkeit auf, und wo beginnt das Private? Wir konnten die Eigentümer der wichtigsten Palais der Herrengasse davon überzeugen, ihre Tore abends für die Allgemeinheit zu öffnen und den Außenraum fließend in den Innenraum übergehen zu lassen. Wie eine einladende Geste werden täglich ab Einbruch der Dunkelheit in regelmäßigen Intervallen aus Licht gewobene Teppiche des Museums für angewandte Kunst und Gegenwartskunst in Wien ausgerollt. Das MAK besitzt eine der bedeutendsten Knüpfteppichsammlungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert – eben aus jener Zeit, in der viele der Palais erbaut wurden. Orientteppiche waren begehrte, repräsentative Sammlungsstücke. Die Installation lässt viel Raum für Geschichte(n), wie ein solcher Teppich ins Palais gekommen sein mag. Hat Gräfin Eleonore Batthyany von ihrem engen Vetrauten Prinz Eugen nach seinem Sieg über die Osmanen einen erbeuteten Teppich geschenkt bekommen? Oder vielleicht bekam der Graf Harrach ein solches Prachtstück als diplomatisches Geschenk aus dem Iran? Technisch war das Projekt jedenfalls eine Herausforderung, galt es doch, die über das Internet gewarteten Projektoren möglichst versteckt und denkmalamtskonform zu platzieren und das projizierte Bild innerhalb der von der MA 46 – Verkehrssicherheit vorgegebenen Grenzen zu halten. Das hatte komplexe Entzerrungsprozeduren zur Folge, dank der Umsetzung durch die LB Electronics wurden aber immer Lösungen gefunden. Nachtruhe Doch auch an die Umwelt wurde gedacht: Bevor spätabends die Palais ihre Tore schließen und nur mehr wenige Nachtschwärmer durch die Herrengasse ziehen, werden auch die Teppiche für den Rest der Nacht wieder eingerollt; Ruhe muss schließlich auch sein – akustisch und visuell.


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