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53 www.architektur-online.com Werkbundsiedlung Krischanitz/Kapfinger, Gespräch mit Otto Kapfinger über die Sanierung 1982 - 1985 Bei der Sanierung 1982 waren die Häuser bereits 50 Jahre alt. Was war damals ausschlaggebend für die Sanierung und hat sie sich gelohnt? Damals hat das magistratsintern begonnen. Man hatte die Häuser 40 Jahre lang alleine gelassen und den Wert kaum gekannt. Ende der 70er Jahre ist die erste Dissertation von Wolfdieter Dreibholz dazu gemacht worden. Darüber gab es eine kleine Fernsehsendung mit Friedrich Achleitner als Kommentator. Da wurde die Siedlung vom Magistrat als Schutzzone deklariert und durch das Denkmalamt der Denkmalschutz ausgesprochen. Unter der Ägide der MA 19 ist dann alles fotografiert worden, ein Restaurator mit Farbproben beauftragt und die Sanierung magistratsintern vorbereitet worden. Die Hauptstoßrichtung war, die Wärmedämmung zu verbessern und das ursprüngliche Farbbild wieder herzustellen. Das Konzept sah vor, alle Häuser mit VWS zu überziehen. Nach zwei bis drei Häusern sind sie daraufgekommen, dass das nicht geht. Da kam dann der Ruf nach zusätzlichen Expertisen und der Einbeziehung von Architekten. Die Anfrage erging an Architekt Krischanitz, bei dem ich Mitarbeiter war. Wir haben dann eine Studie über die Siedlung gemacht und intensivst mit leitenden Beamten der MA 19 Gespräche geführt. Der VWS wurde dann zum Teil wieder entfernt und eine neuerliche Bestandsaufnahme vorgenommen. Für uns war das eine ziemliche Premiere. Wenn man es aus heutiger Sicht betrachtet, war es denkmalpflegerisch und technisch sehr einfach angesetzt. In gewisser Weise hat es natürlich nicht gelohnt, wir haben das ja im Bestand, also im bewohnten Zustand machen müssen. Das Budget war von vornherein gedeckelt und wir haben eigentlich nur oberflächlich arbeiten können. Parallel zu Wien hat man in Stuttgart die Weissenhofsiedlung gemacht - da waren die Leute alle abgesiedelt und haben zwei Jahre woanders gewohnt. War damals Energieeffizienz und Nachhaltigkeit ein Thema? Ja, aber nur in einem sehr groben Ausmaß. Man hat nicht diese Messkultur gehabt. Diese 1930-32 gebauten Häuser sind eben kalte Häuser. Man hat nicht in allen Räumen eine Heizung gehabt. Sie waren nicht auf den thermischen Komfort ausgelegt, den wir heute haben. Wie stehen Sie zur Ablaufzeit von Architektur, darf man so etwas denken? Ich bin auf jeden Fall dafür, weil es ein Dokument der Auseinandersetzung in einer wesentlichen kulturellen und auch politischen Phase der Stadt Wien ist. Wie sich die Stadt weiterentwickelt, wie man das Wohnen für die unteren und mittleren Schichten sicherstellt und wie der Städtebau abläuft. Da steht die Werkbundsiedlung wie ein Kreuzungspunkt drinnen, wie ein Dokument. Es war ja von Josef Frank eine unglaubliche Leistung, diese verschiedenen Positionen in der Wiener Architekturszene wieder zusammen zu bringen. Es war ja vollkommen unmöglich, dass Josef Hoffmann und Adolf Loos auf einmal nebeneinander bauen. Er hat auch vielen Jungen damals ermöglicht, mitzutun. Der Ansatz war, eine Alternative zu den damaligen Modellen des Wohnbaus, zum Geschosswohnbau zu bieten. Die Werkbundsiedlung ist unter allen Siedlungen Europas aus der Zeit die mit der meisten erhaltenen Originalsubstanz. Welches waren die größten Herausforderungen für Sie? Der Hauptpunkt war, das äußere Erscheinungsbild möglichst getreu zu erhalten, die Umbauten der Mieter zu behalten und in mancher Hinsicht zu verbessern oder zu adaptieren. Nur in problematischen Fällen etwas wegzunehmen und Vordächer bei den Eingängen einheitlich neu zu realisieren. Vor allem hat uns eine gute Mediation mit den Mietern gefehlt, weil man denen ja acht Zentimeter Wärmedämmung versprochen hatte. Auch hatte man über die Jahre hinweg ziemliche Eingriffe in die Siedlung erlaubt, da gab es viele Konfliktfelder. Wie sehen Sie die Wahrnehmung dieser architekturhistorisch und kulturell herausragenden Einzelbauten und des Gesamtensembles in der Öffentlichkeit? Es gab vor den 70er Jahren überhaupt kein Bewusstsein dafür, man muss bedenken, dass in den 60er Jahren Stadtbahnstationen von Otto Wagner reihenweise abgerissen wurden. Wie wichtig ist das Bewusstsein für gute Architektur für die Gesellschaft? Das ist sehr wichtig. Man muss auch sehen, dass die Siedlerbewegung damals ein unglaubliches Interesse hervorgerufen hat. Die Ausstellung der Siedlerbewegung 1922 vor dem Rathaus haben in einer Woche 400.000 Menschen besichtigt. Die Werkbundsiedlung hat in den acht Wochen ihrer öffentlichen Zugänglichkeit gezählte 12.000 Besucher und 30.000 durch Führungen gehabt. Würden Sie in so einem Haus wohnen wollen, abgesehen davon, dass Sie sich (bei Ihrer Größe) bei jeder Türe den Kopf anstoßen? Ja sicher! Sie sind – entsprechend der Zeit – natürlich sehr kleine Häuser. Das ist etwas für Liebhaber. Ist das eine architekturromantische Sicht? Die Häuser sind doch heute nicht mehr adäquat. Es ist nicht nur romantisch – es ist eine Art Maßstab, für das, was ich wirklich brauche. Mit wie wenig kann ich auskommen, wie sehr muss ich mich darum kümmern, dass das Haus samt seinem Garten funktioniert. Sehen Sie diese Siedlung sozusagen als Kritik an unserer heutigen Konsumgesellschaft? Absolut!


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