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architektur FACHMAGAZIN 52 Alt & Neu Alt & Neu im Gespräch P.GOOD Architekten, Gespräch mit Architektin DI Azita PRASCHL GOODARZI und Architekt DI Martin PRASCHL, Sanierung 2011 - 2016 Eine provokante Frage zum Einstieg: Lohnt es sich, ein über 80 Jahre altes Bauwerk so aufwändig zu sanieren? Nur weil berühmte Architekten am Werk waren? Ja, es lohnt sich auch deshalb, weil die Qualität der Gebäude außergewöhnlich ist. Worin liegt die Qualität? Für uns sind das Ikonen der modernen Architektur. Wir haben über das Thema ‚ob Sanierung oder nicht‘ weniger diskutiert als über den Denkmalschutz: Inwiefern ist es berechtigt einen ‚Originalzustand‘ wieder herstellen zu wollen. Josef Frank selbst wollte überhaupt kein Denkmal schaffen, er wollte die Häuser der Werkbundsiedlung flexibel und anpassbar. Durch das ‚Absterben‘ der modernen Architektur in Europa, in den 30er und 40er Jahren, hat sich der Denkmalstatus noch stärker manifestiert. Die Werkbundsiedlung ist ein einzigartiges Überbleibsel geworden. Sie sagten Ikonen. Mit Ikonen kann man doch keine Architektur machen. Ist das jetzt ein museales Denken? Es ist doch die Frage, ob ich das als Baukultur, als Teil der Geschichte Europas oder eines Landes sehe. Oder nur als Gebäude einer Zeit. Hier geht es ja auch um das sozial politische Statement dahinter, so gesehen ist das schon Kultur. Die Frage des Aufwandes, mit dem hier gearbeitet wird - das war schon eine Diskussion unter uns! Bis 2016 wird die Werkbundsiedlung von P.GOOD Architekten in vier Tranchen saniert. Die Architekten müssen sich mit einer 80 Jahre alten Bausubstanz befassen. 1982 wurde die Siedlung bereits ein erstes Mal von Adolf Krischanitz und Otto Kapfinger saniert. Damals war sie 50 Jahre alt. Gemäß dem Thema und Motto dieser Ausgabe - Alt & Neu - hat architektur diesmal ins Archiv der Erinnerungen gegriffen und diese der Gegenwart gegenüber gestellt. Ein Gespräch mit Otto Kapfinger und ein ebensolches mit P.GOOD förderte interessante Details und auch Gegensätze ans Tageslicht. In Österreich wird alles, was barock ist, unter Denkmalschutz gestellt. Es gibt aber gute und schlechte Barockarchitektur. Wird in Österreich zu viel Denkmalschutz betrieben? Darüber habe ich keinen Überblick. Aber die moderne Architektur wird weniger unter Denkmalschutz gestellt, als es sein sollte. Wie sind sie mit den momentan in der Architektur geforderten Effizienzanforderungen umgegangen? Die ganzen Energiestandards sind ja hier außer Kraft gesetzt. Der Denkmalschutz verbietet eben, solche Häuser mit einem VWS zu versehen. Ein Kompromiss war, an Stellen mit großen Schimmel- und Wärmeschutzproblemen, an denen auch keine Fensteröffnungen waren, wie zum Beispiel an fensterlosen Feuermauern, doch Wärmeschutz anzubringen. Waren der Denkmalschutz/Behörde in diesem Fall eher kompromissbereit? Ja, wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit. Wir haben über allfällige Rückführungen und Rückbauten, von durch die Bewohner in den 80 Jahren vorgenommenen Veränderungen und Zubauten, sehr ausführlich diskutiert. Das wurde bei jedem Haus einzeln besprochen. Worin lagen die größten Schwierigkeiten bei diesem Projekt? Jedes Haus ist ein Einzelobjekt, also gibt es keine ‚allgemein größte‘ Schwierigkeit. Einmal waren es die sozialen Komponenten, da die Häuser bewohnt sind, einmal die Technischen. Generell war im technischen Bereich die Fenstersanierung sehr schwierig. Wir lackieren sie wieder mit Leinölfarben, so wie es historisch war und auch von der Haltbarkeit optimal ist. Da wird in vier Schichten lackiert und eine Schicht braucht eine Woche zum Trocknen, also im Idealfall ein Monat für die Fenster bei guten Wetterbedingungen. Wie hoch sind die Mieten in so einem Haus? Die Miete wird jetzt soweit angehoben, wie es die Sanierungsverordnung vorsieht, wenn sich ein Gebäude in den maximal zulässigen Kosten laut Wohnbauförderung befindet. Da ergibt sich ein Satz von ca. 6,50 Euro pro m2. Damit werden die Mieter hier für 15 Jahre belastet, dann fallen sie zurück auf ihren jetzigen Mietvertrag mit ca. 1 - 2 Euro/m2. In Wahrheit kostet die Sanierung viel mehr, als über die Mieten eingehoben wird, das wird über ein Zusatzbudget der Stadt Wien finanziert. Wie sind die Besitzverhältnisse? 14 sind gleich zu Beginn der Werkbundsiedlung verkauft worden, die sind in Privatbesitz. Mittlerweile sind es ungefähr 19 Stück, die restlichen gehören der Gemeinde. Wir sanieren insgesamt 48 Häuser im Eigentum der Gemeinde Wien. Würden Sie selbst in so einem Haus wohnen wollen? Prinzipiell ja, in einem der größeren schon.


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