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architekturszene © Francesco Galli 31 einem Hightech-WC aus Japan reicht (dieses sollte man als Datenschützer lieber nicht benutzen, da es anhand der Gerüche und Ausscheidungen Cholesterinwerte, Ernährungsgewohnheiten und andere Eigenheiten des Benutzers analysieren und speichern kann). Echte Mauern aus Ziegel, mit Lehmputz, Kalkputz oder ähnlichem versehen, Schilfmatten als Putzträger - wer kennt das noch, respektive sieht das je in natura? Auch der geschossförmige Lift, mit dem die chilenischen Bergarbeiter 2010 aus der Mine gerettet wurden, ist interessant, faszinierend, man fragt sich, welches Architekturelement das wohl sei: Es repräsentiert Koolhaas`Aussage, dass auch Menschen zur Architektur gehören - auch Schicksale sind "Elements of Architecture". Man kann natürlich diese Zusammenstellung auch als Ausstellungskatalog der Bauwirtschaft betrachten, als etwas für die ‚einfachen‘ Geister, aber vielleicht führt uns Koolhaas nur die Realität des Baugeschäfts vor Augen? Wenn er zum Beispiel darauf hinweist, dass der Raum über der sichtbaren Decke nicht mehr vom Architekten oder der Architektur bestimmt wird, sondern dass dieser Bereich den Installationstechnikern und Gebäudemanagern gehört. Und wir Nutzer uns nur noch mit der rasterförmigen Untersicht zufriedengeben müssen. Diesen Ansatz zeigt er sehr deutlich im großen Eingangsraum unter der kürzlich restaurierten, mit Fresken versehenen Kuppel. Oben in der Kuppel eine ‚tolle‘ Architektur - getrennt vom Menschen durch eine eineinhalb Meter dicke Technikschicht mit Röhren und Leitungen. Es wird auch deutlich und stimmt nachdenklich, dass der Architekt nicht mehr wirklich in die Entscheidung der einzelnen Architekturelemente eingebunden ist - Fenster, Türen, Böden und Fassadenelemente werden aus dem Regalfach der entsprechenden Baumärkte entnommen. Kritik klingt an, wenn man die Abteilung ‚Stiegen‘ betrachtet: Einst waren es Elemente, die den sozialen Stand und Rang des Bewohners repräsentierten, heute sind sie von Gesetzen und Sicherheitsvorschriften bestimmt, gestaltet und standardisiert. Balkone, die früher als Ausdruck einer Macht oder Politik benutzt wurden, sind heute Anhängsel der Architektur zur Erzielung von Profit oder Begründung für Wohnbauförderung. Oder die Fenster: Wo ist die Handwerkskunst und Fertigkeit der Tischler - angesichts eines Roboters der IKEA-like ein zigtausendfaches Öffnen vorführt - geblieben? Manchmal kann man sich des Eindruckes eines gewissen Zynismus oder © Francesco Galli Resignation des Kurators nicht erwehren. Es scheint, als ob man einen Durchgang durch die Koolhaas‘sche Psyche mitmacht. Ver- © Zucchiatti kündet Rem Koolhaas vielleicht das Ende der Architektur? Aber jedes Ende birgt auch einen neuen Anfang in sich.


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