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architektur FACHMAGAZIN 80 Massivbau (von oben nach unten) beliefert wird. Die Bottiche für den Wein sind in unterschiedlichen Formen und Materialien gemacht: Holz, rostfreier Stahl und Beton, alle passen perfekt für die Vinifikation (Weinerzeugung) aus den verschiedensten Reben- und Bodenqualitäten des Weingutes. Die Pichet Gruppe, der das Weingut gehört, sucht jedes Jahr einen Künstler aus, der eines der neuen Fässer mit einem Werk verzieren darf. So wurde nach der Eröffnung der Architektur das Fass Nr. 18 von Ara Starck, der Tochter des Designers gestaltet. Der Weinverkostungsraum liegt auf der obersten Ebene – mit Blick in den Fasskeller. Schlussendlich gibt es noch ganz oben eine Aussichtsterrasse mit 350 m2, von der aus man das gesamte Gelände überblicken kann. Dazu ist zu bemerken, dass die Restaurierung des Schlosses auch das umgebende Nassgebiet als Biotop berücksichtigte. Der Abfluss wurde reguliert und trägt so zur Erhaltung der einzigartigen Biodiversität des Areals bei. Seit 2009 wird auch der gesamte Anbau nur mit natürlichen, organischen Mitteln betrieben, die Trauben handgepflückt und sogar Traktoren sind mittlerweile von Pferdewägen ersetzt worden. Die das Areal umgebende Landschaft ist derart gestaltet, dass natürliche Feinde der Weinpest angezogen werden. Auch das gehört zur Architektur, die ja nicht losgelöst von der Umwelt oder Landschaft betrachtet werden kann. Man könnte den Entwurf auch als ein sehr schmales Schiff verstehen, schließlich sind von Bordeaux aus immer schon Weine in alle vier Himmelsrichtungen verschifft worden. Das würde den in einem Wasserbecken ruhenden Körper, der nur über vier schmale Stege (wie bei einem Schiff im Hafen) betreten werden kann, auch erklären. Solche Zuschreibungen sind jedoch banal, wenn man die Architektur in ihrer Form einfach auf sich wirken lässt. Die verwendeten rohen und technischen Materialien – einfacher Beton, Glas und Stahl – sind im Hinblick auf eine theatralische Ästhetik arrangiert und ergeben dabei eine stützenfreie Struktur ohne Unterbrechung im Inneren, betont durch Lichteffekte. Die Architektur – wie eine rohe Metallklinge in das Erdreich geschlagen – erstreckt sich über 2.000 m2 und enthält auf ihren vier Ebenen auch einen Empfang und Technikräume. Der Fasskeller, der 300 Holzfässer aufnehmen kann und die Weinerzeugung verbergen sich unter der schützenden Wasseroberfläche. So können Temperaturschwankungen und Unterschiede in der Luftfeuchtigkeit ausgeglichen werden. Gleichzeitig werden eine gute Luftqualität und eine energetische Nachhaltigkeit erzielt. Auf der zweiten Ebene gibt es einen Bereich von ca. 200 m2 - hier wird die Ernte gesammelt. Er steht in einer direkten Verbindung mit dem 1.200 Hektoliter großen Fermentierungstank, welcher durch die Schwerkraft


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