37 www.architektur-online.com architekturszene © Architekturzentrum Wien © Architekturzentrum Wien nungsmaßnahmen des Dritten Reiches von Grund auf abzulehnen. Durch die Konzepte der damaligen Diktatur wurde beispielsweise der Grundstein für das Aussehen des heutigen U-Bahn-Netzes von Wien gelegt. Außerdem errichteten die Planer unter Adolf Hitler in Wien mehrere Wohnkomplexe, die heute noch immer genutzt werden. An einem bestimmten Baustil lassen sich die Gebäude aus der Zeit des Nationalsozialismus aber nicht erkennen. Kennzeichnend für den damaligen Städtebau war vielmehr das Zusammenspiel von Rasse und Raum – charakteristisch hierfür waren Pläne, welche auf Kosten kultureller Minderheiten umgesetzt wurden. Unter anderem wollte das Regime mit einer Erweiterung der Ringstraße, die sich durch die gesamte Wiener Leopoldstadt ziehen würde, den jüdischen Teil der Bevölkerung aus jenem Bezirk verdrängen. Als typisch für die Architektur des Dritten Reiches galt zudem die Konstruktion von Bauwerken sowie die Verwirklichung von Raumkonzepten, welche dem Zweck der Kriegsführung dienen sollten. Die Stadtplanung wurde somit in erster Linie zur Instrumentalisierung nationalsozialistischer Ideologien eingesetzt. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass Planungsvorhaben stets auch den Spiegel des politischen Geschehens eines Landes darstellen. Aus diesem Grund haben die Fachkräfte bei der Umsetzung ihrer Projekte ein großes Maß an Verantwortung. Nachdem die Architektur dieser Anforderung selbst heutzutage nicht immer gerecht wird, ist zweifelhaft, ob die Durchsetzung einer politisch unabhängigen, gemeinwohlorientierten Planung überhaupt möglich ist. © Archiv Künstlerhaus Lässt sich der Missbrauch der Raumplanung verhindern? Für die Planung ist eine Dokumentation der Vergangenheit von erheblicher Bedeutung. Nur durch eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Fehlern zur Zeit des Zweiten Weltkrieges lässt sich eine Wiederholung dieser Fehler vermeiden. Doch nicht nur in Anbetracht der Vergangenheit, sondern auch bezüglich gegenwärtiger Entwicklungen stellt sich die Frage, ob Fehlentscheidungen großen Ausmaßes überhaupt verhindert werden können. Damit lediglich ethisch vertretbare Projekte umgesetzt werden, bedürfte es neben verstärkten Kontrollen einer politischen sowie finanziellen Unabhängigkeit sämtlicher Architekten und Planer. Aktuelle Ereignisse zeigen auf, dass Planer auch heute noch zum Durchsetzen politischer Anliegen instrumentalisiert werden. Zu erwähnen ist in diesem Kontext insbesondere das 2008 durchgesetzte Minarettverbot in Kärnten. Um religiösen Minderheiten den Bau von Gebetshäusern zu untersagen, bedienten sich rechtspopulistische Politiker der Planungsgesetze: Mit der Begründung, dass die Gebäude nicht ins einheimische Ortsbild passen, wurden Minarette im südlichsten Bundesland Österreichs verboten. Auch in puncto Bodenspekulation werden Architekten und Stadtplaner oftmals zum Erfüllen rein privater Interessen eingespannt – Beispiele hierfür stellen vor allem kostenintensive Großprojekte wie der Wiener Eislaufverein dar. Nicht selten stehen Planer bei der Umsetzung von Konzepten sowie beim Anwenden von Gesetzen also auch heute noch vor einem ethischen Dilemma. Entwicklungen dieser Art können Experten nur durch vermehrte Transparenz bei der Umsetzung von Planungsgeschehen sowie dem Einbeziehen der Öffentlichkeit entgegenwirken. Wie aktuelle Tendenzen jedoch deutlich machen, ist Österreich von einer adäquaten Bürgerbeteiligung noch weit entfernt.
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