34 architektur FACHMAGAZIN Landschaftsarchitektur Urbane grüne Infrastruktur „Grüne Infrastruktur“ hat sich in der europäischen Diskussion als ein vielversprechendes Konzept etabliert, um die Resilienz von städtischen und ländlichen Räumen zu verbessern. Grüne Infrastruktur ist dabei wie eine verbindende Matrix von Pflanze, Boden und Wasser zu betrachten, die nachhaltig Natursystemleistungen anbietet, um unter anderem CO2 zu speichern, Regenwasser länger vor Ort zurückzuhalten und die Stadthitzeinseln abzukühlen. Mit der Landschaftsplanerin DI Dr.techn. Christine Rottenbacher, die im Waldviertel ein recht erfolgreiches Büro betreibt, und vor allem in Fragen der Bürgerbeteiligung und Partizipation aktiv ist, unterhielt sich Peter Reischer über die Fragen der Landschaftsplanung und Aktuelles. Wie sehen Sie die Fähigkeit unserer Zivilisation, sich an den Klimawandel anzupassen? Selbst die, die sich darüber Gedanken machen, denken nicht gesamtheitlich genug. Sie denken nur linear und maximal daran, wie ein Haus besser isoliert oder der Energieträger gewechselt werden kann. Das Verständnis für Zusammenhänge ist sehr ungenügend. Würden Sie sagen, dass also die Effizienz im Vordergrund steht? Das berühmte „mehr aus weniger herausholen“? Die Menschen sind immer noch in einem analogen Schlussforderungsdenken verhaftet: Man hat festgestellt, dass die CO2-Bilanz erhöht ist, und nimmt an, dass das die Ursache für den Klimawandel ist. Darüber sind sich aber noch nicht einmal alle Wissenschaftler einig. Dann werden als Ursachen für das CO2 die fossilen Energieträger festgemacht, aber man untersucht nicht, wodurch CO2 noch entsteht. Zum Beispiel durch die Bodenversiegelung, durch falsche Bodenbewirtschaftung, durch das Abnehmen des Humusanteils in den Böden, durch zu intensive landwirtschaftliche Nutztierhaltung und durch den privaten Verkehr. Ist das der Tunnelblick unserer Gesellschaft? Ja, genau! Alte Bäume haben zum Beispiel einen enormen großen CO2-Speicherungsfaktor. Sie bewirken Kühlung, gleichen das Klima aus und halten stark das Regenwasser zurück. Was sind die regulativen und kulturellen Naturleistungssysteme, von denen Sie in Ihren Texten sprechen? Die Natur übernimmt sehr viel Arbeit für uns, wenn wir sie einsetzen. Man muss versuchen, diese Zusammenhänge wirken zu lassen – das ist das Regulative. Wenn wir mehr geschützte Mikroklimasituationen schaffen, dann kann eine extreme Stadthitzeinsel nicht entstehen. Wir müssen mehr prozesshaft denken, denn die Natur funktioniert nur in Zyklen und Prozessen. Städtische grüne Infrastruktur hat eine große Bedeutung – das ist ein kultureller Wert. Das wird auch international aufgelistet, grüne Natur ist für alle Altersgruppen wichtig. Wenn, laut Prognosen, 2015 80 % der Menschen in Städten leben werden, ist es ganz wichtig jetzt schon darüber nachzudenken, wie wir in Zukunft den Naturkontakt erhalten können. Was sind für Sie Werte in der Planung? Dass der öffentliche Raum für alle Menschen zugänglich sein und verfügbar bleiben soll. Die Zugängigkeit nimmt sowohl in unseren Städten wie auch in der Landschaft ab. Das sind Werte, die erhalten werden müssen. Was verstehen Sie unter adaptivem Grünraummanagement? Man hat einen Stand an praktischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Zusätzlich haben wir ein Wissen, wie die Menschen sich das alltägliche Leben organisieren, wie sie den Raum benutzen. Das ändert sich ständig und deshalb muss adaptiert werden. Man kann nicht ein Pflegekonzept für Grünräume entwickeln und das stur durch- Foto: Barbara Krobath Renderings: Tim Cassidy Landschaftsplanung Rottenbacher Der Schwerpunkt des Büros von Christine Rottenbacher in der Planungs- und Realisierungsarbeit liegt seit über 25 Jahren in der Entwicklung und Durchführung von Partizipation und neuen Kommunikationsformen, beispielsweise über Gründung eines Nonverbalen Kommunikationszentrums, gemeinsam mit tschechischen KollegInnen, um grenzüberschreitende Events zu erleben. Sie arbeitet als Lektorin auf der Universität für Bodenkultur und an der Technischen Universität, als Ausbildnerin für NaturerlebnisführerInnen, Trainerin in Gruppen- und Entscheidungsprozessen, in Schulen und bei SpaceLab Wien für GrünraumpflegerInnen. Eine von ihr initiierte neue Bürgerbeteiligungsmethode „Bewegter Planungsprozess“ dient dazu, über gemeinsame Bewegung bei Begehungen eine Entscheidung über Raumnutzungen, Raumbedeutungen und die Beziehungen zu Raumqualitäten in heterogenen Gruppen zu treffen.
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