28 architektur FACHMAGAZIN architekturszene Droht Wien das Ende eines Weltkulturerbes? Sind Hochhäuser, die in historischen Stadtteilen errichtet werden, als fehlgeleitete Planung anzusehen? Diese Frage beschäftigt Experten, die sich mit dem Bauobjekt des brasilianischen Architekten Isay Weinfeld auseinandersetzen. Eine Höhe von 73 Metern soll das Bauwerk erreichen, welches 2016 auf der 6.000 m² großen Fläche des Eislaufvereins im 3. Wiener Gemeindebezirk seinen Platz finden wird. Text: Dolores Stuttner / Fotos & Rendering: Wertinvest, Prochart/Coeln Mit der Errichtung des Hochhauses wird das gesamte Areal am Wiener Heumarkt einem Wandel unterworfen. Neben einer Sanierung des 1964 eröffneten Hotels InterContinental ist außerdem eine bauliche Freilegung des Eislaufplatzes vorgesehen. Bei Anrainern finden die geplanten Änderungen nur wenig Anklang. Doch nicht nur große Teile der Bevölkerung, sondern auch viele Experten sehen den Umbau dieser Fläche als problematisch an. In erster Linie ist hierfür die Höhe des neu geplanten Bauwerkes an der Seite des Hotels verantwortlich. Um fast 30 Meter wird Weinfelds Turm das ebenfalls umstrittene Bauwerk der Nachkriegszeit überragen. Lässt die Stadt Wien den Bau des Gebäudes in seiner jetzigen Form zu, beeinflusst dieses nämlich nicht nur die Gestalt der unmittelbaren Umgebung, sondern auch wichtige Sichtachsen. Selbst die UNESCO zweifelt die Qualität des Projekts aufgrund dieses Mangels an und droht sogar damit, der Inneren Stadt ihren Status als Weltkulturerbe abzuerkennen. Diese Entwicklung lässt durchaus anzweifeln, ob die Planung eines Bauwerkes dieses Ausmaßes in unmittelbarer Nähe zur Wiener Innenstadt die ideale Lösung für einen der größten Freilufteisplätze der Welt darstellt. Trotzdem hält die Stadt Wien an der Realisierung des Hochhauses fest. Eine tragende Rolle spielt dabei wohl die Tatsache, dass sich diese durch den Bau des Wohnturmes finanzielle Vorteile verspricht – schließlich unterstützt das Unternehmen Wertinvest die Errichtung mit insgesamt 210 Millionen Euro. Im Kontext von Isay Weinfelds Planung wird außerdem das Wort Prestige großgeschrieben. Immerhin sollen im neuen Turm vordergründig Luxuswohnungen entstehen. Mithilfe der Eigentumswohnungen sollen die Neugestaltung des Areals sowie öffentliche Einrichtungen finanziert werden, laut Investor Michael Tojner „werden sie der Stadt nichts kosten“. Derzeit ist auf dem Heumarkt so die Realisierung eines Raumes, dessen Konzept an das Museumsquartier im 7. Wiener Gemeindebezirk angelehnt ist, vorgesehen. Der Heumarkt wird demzufolge eine offenere Ausrichtung erhalten, wobei die Fläche des Eislaufplatzes der Öffentlichkeit in den Sommermonaten frei zugänglich sein soll. Durch die Beseitigung baulicher Hindernisse zwischen Hotel InterContinental, Wiener Eislaufverein und Konzerthaus, will Isay Weinfeld ‚vernetzte Räume mit Aufenthaltsqualität‘ schaffen. Das Konzept für die Umgestaltung des Platzes um und auf dem Eislaufplatz selbst, scheint in der Theorie eher vielversprechend. Wird das Hochhausprojekt jedoch als Wohnturm realisiert, kann dies der Entwicklung eines ausgereiften Freiraumentwurfes im Weg stehen. Im ungünstigsten Fall handelt es sich bei den derzeitigen Plänen zur Platzgestaltung lediglich um ein Mittel, welches aufgebrachte Stimmen besänftigen soll. Ein Luxusobjekt mit großen Mängeln Der brasilianische Architekt Isay Weinfeld ist in erster Linie für seine einfallsreiche und sensible Umsetzung städtebaulicher Konzepte bekannt. Aus seiner Hand stammen Projekte wie das Wohnobjekt „360°“ in São Paulo. Hierbei handelt es sich um ein Gebäude, welches sich aus 62 übereinandergestapelten Einzelhäusern mit Gärten zusammensetzt. Als größter Vorteil des Bauwerkes ist dessen offene Ausrichtung, mit der eine Verbindung zur Umgebung geschaffen wurde, anzusehen. Daher stellt sich umso mehr die Frage, wieso sich Weinfeld für die Errichtung eines Bauwerkes, das dem Status des Weltkulturerbes der Wiener Innenstadt gefährlich werden könnte, ausspricht. Wer sich den Standort des geplanten Luxusobjekts nämlich genauer ansieht, erkennt, dass die lautstarken Proteste der Anrainer nicht ohne Grund stattfinden. Immerhin ist es bei einer Bauhöhe von 73 Metern schwer, von einer Anpassung an die umliegende Architektur zu sprechen. Dieser Meinung ist ebenfalls die UNESCO, welche den laut Investor Michael Trojner „elegant sichtbaren“ Turm als Störfaktor für den städtebaulichen Wert der inneren Bezirke Wiens ansieht. Von diesem Mangel lenkt auch der Aspekt, dass die Höhe des zukünftigen Wohnhauses bewusst an die des Ringturmes am Schottenring angepasst wurde, nicht ab.
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