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26 architektur FACHMAGAZIN Bau & Recht Der Vertragsrücktritt bei Insolvenz des Werkunternehmers Die Insolvenz des Werkunternehmers verursacht aufseiten des Werkbestellers, insbesondere in der Baubranche, häufig das drängende Verlangen nach einer sofortigen, vorzeitigen Auflösung des Werkvertrages. Schnell ist in solchen Situationen, gestützt auf entsprechende Klauseln des Werkvertrages, der Rücktritt erklärt – nichts ahnend, dass ein solcher Rücktritt von Gesetzes wegen Die Insolvenz eines Unternehmens wird im täglichen Geschäftsleben trotz aller gegenläufigen Bemühungen des Gesetzgebers dem Verlust seiner Leistungsfähigkeit, und damit der Fähigkeit zur Vertragserfüllung, gleichgesetzt. Insbesondere ein einmal insolventer Bauunternehmer kann davon ausgehen, dass ihm seine Bauherren kurzer Hand das Vertrauen und die bereits beauftragten Bauprojekte entziehen werden. Ein anfangs gut gemeinter Plan, mit dem Auftragsbestand die Sanierung des Unternehmens zu schaffen, kann sich so rasch in Luft auflösen. Althergebrachte Klauseln in Vertragsmustern und Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Werkbesteller bei Insolvenz des Werkunternehmers zum sofortigen Rücktritt vom Vertrag berechtigt sein soll, stützen Werkbesteller scheinbar in ihrem Vorgehen, die Insolvenz des Werkunternehmers zur sofortigen Vertragsauflösung zu nützen. Doch solcherart vorbehaltene Rücktrittsrechte bieten dem Werkbesteller oft nur eine Scheinsicherheit. Denn gemäß den zwingenden Bestimmungen der österreichischen Insolvenzordnung (IO) ist ein solcher Rücktritt allenfalls rechtsunwirksam. Gemäß § 25a Abs 1 IO können mit einem insolventen Werkunternehmer geschlossene Verträge, deren Auflösung die Fortführung des insolventen Unternehmens gefährden könnte (gemeint sind alle Verträge, deren Aufrechterhaltung für die Fortführung des Unternehmens erforderlich ist), vom Werkbesteller bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Eröffnung des Insolvenzver- unter Umständen unwirksam ist. fahrens nur aus wichtigem Grund aufgelöst werden. Diese Beschränkungen gelten solange das insolvente Unternehmen fortgeführt wird (längstens jedoch sechs Monate ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens). Der Gesetzgeber will so für das insolvente Unternehmen wesentliche Vertragsbeziehungen erhalten, um die Sanierung und Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen. Demzufolge stellt der Umstand der Insolvenz allein noch keinen Grund für einen Vertragsrücktritt dar. Auch die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation oder der Verzug des insolventen Werkunternehmers mit der Erfüllung von vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Forderungen stellen demnach keine wichtigen Gründe dar, die den Werkbesteller zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen würde. Als wichtige Gründe, die gemäß § 25a Abs 1 IO zur Vertragsauflösung berechtigen, werden vielmehr ein Verzug des Werkunternehmers (z. B. mit der Fertigstellung des Werkes, mit der Leistung einer geschuldeten Zahlung oder der Erfüllung von Gewährleistungspflichten, etc.), vorausgesetzt, dass dieser erst während des aufrechten Insolvenzverfahrens eingetreten ist, oder Verstöße des insolventen Werkunternehmers gegen vertragliche Nebenpflichten angesehen. Die Beschränkungen gemäß § 25a Abs 1 IO gelten jedoch nicht, wenn die Vertragsauflösung zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des Werkbestellers unerlässlich ist oder es sich um Ansprüche auf Auszahlung von Krediten (auch Haftungs- und Akzeptkrediten) oder Arbeitsverträgen handelt. Worin ein solcher schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteil zu erblicken ist, ist mangels gesicherter Rechtsprechung fragwürdig. Nach bisher herrschender Meinung sollen davon nur Fälle erfasst sein, in welchen der Werkbesteller durch die Aufrechterhaltung des Vertrages selbst von der Insolvenz oder in seiner Existenz bedroht ist. Selbst wenn ein Rücktrittsrecht oder Ähnliches für den Fall der Insolvenz des Werkunternehmers im Werkvertrag vereinbart oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehalten ist, kann sich der Werkbesteller darauf nicht rechtswirksam stützen. Denn nach der zwingenden Bestimmung des § 25b Abs 1 IO können sich Vertragsparteien auf Vereinbarungen, welche die Anwendung Text: Mag. Matthias Nödl, Rechtsanwalt


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