35 www.architektur-online.com architekturszene sig sind. Insbesondere von aufwendigen Umsiedlungen, die auch heute noch eine Konsequenz vieler Bauprojekte darstellen, rät Weisser ab. Wird nämlich die Verlegung des Wohnortes einer Tierart forciert, ist nicht klar, ob die Lebewesen sich an die Bedingungen des neuen Umfeldes anpassen und dort auch auf Dauer überleben. Doch obwohl Animal Aided Design für die Natur von Vorteil ist, stellt die Idee keinen klassischen Naturschutz, sondern eine Ergänzung desselben dar. Für den Menschen gefährliche Tierarten wie Wölfe und Bären lassen sich selbstverständlich nicht im urbanen Bereich einquartieren – ein Allheilmittel ist die Vision demnach nicht. Einen Nachteil stellt zurzeit die noch fehlende Umsetzung des tierfreundlichen Konzeptes dar. Die Langzeitwirkungen der Idee konnten so bisher nicht beobachtet werden. Wolfgang Weisser leugnet nicht, dass es im Zuge der Realisierung der naturnahen Wohnhausgestaltung zu Problemen kommen könnte. „Mut zum Experimentieren“ sollten Bauträger und Kommunen, die sich an die Umsetzung des Animal Aided Design herantrauen, somit schon mitbringen. Utopische Ideologie oder zukunftsweisende Richtlinie? Experten stellt sich dabei natürlich die Frage, ob die aktive Integration von Tieren in Bauobjekte auch einen langfristigen Nutzen für die Stadt verspricht. Eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung jener Konzeptidee besteht darin, sich Wissen über die idealen Lebensbedingungen der einzelnen Tierarten einzuholen – Information, die zurzeit oft nur mangelhaft vorhanden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn gewünscht ist, dass sich eine bestimmte Gattung dauerhaft im Stadtraum ansiedelt. Konzeptbeispiele für London, München und Berlin zeigen auf, dass die Idee des Animal Aided Design Spatzen beim Sandbaden durchaus umsetzbar ist. Die Wissenschaftler wählten als Testprojekt unter anderem eine in den 1960er-Jahren errichtete Siedlung in München Neuhausen aus. Am Beispiel dieser verdeutlichen Hauck und Weisser, wie mit einer „betierten“ Häuserfront ein adäquater Aufenthaltsbereich für den Haussperling geschaffen werden kann. Doch nicht nur mit Fassaden, sondern auch durch Bäume, Sträucher, Sandplätze und große Grünflächen lassen sich Areale entsprechend den Bedürfnissen der tierischen Bewohner anpassen. Um Anregung für die Gestaltung eines Lebensraums für nachtaktive Arten zu schaffen, entwickelten die Wissenschaftler zusätzlich ein Konzept für einen „Nachtpark“ in Berlin. Als Ort des Entwurfes dient der Generalszug von Peter Joseph Lenné. Die begrünte Allee soll durch Ansiedlung bestimmter Tiere wie der Fledermaus, dem Rotkehlchen und der Nachtigall zu einem Erlebnisweg für nächtliche Spaziergänger umgestaltet werden. Passanten kommen dabei sowohl in den Genuss visueller als auch akustischer Reize. Diese Vorschläge verdeutlichen, dass die Idee von Hauck und Weisser nicht nur vielversprechend klingt, sondern durchaus umsetzbar ist. Was jetzt noch fehlt, ist die Anwendung von Animal Aided Design in der Praxis. Ob eine Fusion des Lebensraums von Mensch und Tier tatsächlich hält, was sie verspricht, wird sich aber schon in absehbarer Zeit zeigen. Derzeit gibt es laut Weisser und Hauck erste Gespräche mit Bauträgern in München und Ingolstadt, wo im Zuge größerer Bauprojekte ein Lebensraum für kleinere Tierarten geschaffen werden soll. Bei den ersten Umsetzungen werden Planer außerdem abschätzen können, ob sich Animal Aided Design in Zukunft auf Projekte in Großstädten wie Wien anwenden lässt; Gelegenheit und Fläche zum Experimentieren gäbe es zur Genüge. © Abubiju
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