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architektur FACHMAGAZIN 48 Gestern & Heute Die Eingangshalle Im Zuge der Umstrukturierung hat man auch die für das Publikum zugängigen Bereiche neu definiert und Klarheit sowie exakte Wegführungen geschaffen. Von zwei Eingängen gelangt man in die Lobby, von der Hof- und von der Gartenseite – zwei ideale Bereiche, um Schwellsituationen für den Zugang zur Bibliothek zu schaffen. Die Rezeption stellt einen transversalen Verbindungsraum beider Seiten des Quadrates dar. Bis jetzt waren diese nicht miteinander verbunden. Auch verbindet sie die beiden großen Lesesäle: den „Salle Ovale” (BnF) und den “Salle Labrouste” (INHA) auf der Erdgeschossebene und im „Piano nobile“ (Beletage). Durch das Konzept des Aufgreifens von historischen Raumfolgen betonte der Architekt die Verbindungen öffentlicher Räume mit der Lobby. Sie stellt einen Schlüsselpunkt, der das räumliche Auffassen der Gesamtkomposition der Architektur und das „horizontale Lesen“ des Quadrates möglich macht, dar. Salle Labrouste Das Projektmanagement für den als „Salle Labrouste“ bekannten Lesesaal übergab man Jean François Lagneau, Chefarchitekt der Monuments Historiques. Der Saal, teilweise schon vom Staub der Jahrzehnte verkrustet, sollte seine Funktion behalten. Eine „einfache“ Restaurierung zu seinem Originalzustand war angestrebt, hatte aber zwei Schwierigkeiten zu bewältigen. Erstens gibt es keine Angestellten mehr, die den Besuchern die Bücher zum Lesen bringen, also mussten neue Funktionsabläufe eingeplant werden. Zweitens bestand die Notwendigkeit einer Anpassung an die heutigen Bau- und Sicherheitsrichtlinien für diese Art der Institution. Beide sind durch minimale Eingriffe gelöst worden und durch die Restaurierung der Originalfarben wurde auch die ursprüngliche Lebendigkeit im Saal wieder hergestellt. Zentrales Buchlager Zwischen 1857 und 1868 erbaute Henri Labrouste eine Raumfolge, die sich vom Hof zur Rue des Petits-Champs erstreckt. Sie besteht aus einem Vestibül und Leseraum, es ist eine Erweiterung des Buchlagers (Magasin Central). Eine weitere Ausdehnung nahm Michel Roux-Spitz in zwei Etappen vor: Zwei unterirdische Ebenen (1936 und 1938), gefolgt von fünf oberirdischen zwischen 1954 und 1959. Die unteren bestehen aus Stahlbeton und tragen die oben liegenden mit den Metallgestellen für die Archive. Die Sicherheit der Stahlträger war im Brandfall nicht mehr gegeben. Also beschloss man, den Raum in einen Lesesaal als Erweiterung des Salle Labrouste zu verwandeln. Vom Projektbeginn an war die Erhaltung dieser insgesamt elf übereinanderliegenden Ebenen unsicher. Da sie nicht unter Denkmalschutz standen, hätten sie also auch abgerissen werden können. Andererseits unterlagen sie bei Erhalt der Bausubstanz keinerlei Restriktionen im Falle einer Restaurierung. Auf jeden Fall war das zentrale Buchlager ein wesentlicher Bestandteil des Richelieu Quadrates und ein einzigartiger architektonischer Körper. Man entschied also, diese „industrielle“ Architektur, die Henri Labrouste sich vorgestellt und gebaut hatte, neu zu entdecken. Hier kommt nun der verbindende „Raster“ von Bruno Gaudin am besten zum Vorschein. Diese nicht denkmalgeschützten Bereiche gaben Platz für ein Neudenken der Architektur und die Arbeit von Labrouste bot die Gelegenheit für die Illustration einer Neuinterpretation eines historischen Bereiches im Bauwerk. Man begann mit einer gründlichen Demontage aller zugefügten Elemente, die den Bau verdichtet hatten: Aufzüge, Buchaufzüge, Zusatzregale, Verkleidungen, abgehängte Decken etc. So wurden auch die metallenen Ergänzungen, die Roux-Spitz vorgenommen hatte und die sich in die Labrouste’sche Struktur verwoben hatten, wieder freigelegt. Anschließend wurde die historische Substanz durch die Verwendung zeitgenössischer Elemente betont und hervorgehoben: Aluminiumstreben, rostfreie Stahlgitter, LEDs, Kabelkanäle und Ventilationen. Roux-Spitzes Säulen, welche die Geschichte der Transformationen, die diese Architektur durchgemacht hat, erzählen, sind auch wieder sichtbar. Eine neue reflektierende Decke sorgt für Licht. Schlussendlich ist auch die Verbindung zwischen dem Lesesaal und den weiteren Archiven durch ein zentrales „Schiff“ und die Transparenz der großen Fenster gegeben. Lesesäle Jeder der sechs Säle hat seine eigenen architektonischen Interventionen erhalten. Einige sind ganz neu gestaltet, andere „nur“ restauriert. Das Labrouste-Archiv hat seine alten, aus Holz und Metall bestehenden, selbsttragenden Regale behalten, ebenso die Böden aus gusseisernen Gitterrosten. Leseplätze sind von nun an in den Regalen integriert, im Herzen der Kollektion. Alle Veränderungen zur Erfüllung der baugesetzlichen Vorschriften fügen sich architektonisch in die Räume ein. Sie sind entweder verborgen oder sichtbar, formen plastisch Wände, Decken oder schmücken Fensterrahmen. Neu oder denkmalgeschützte Bereiche – die Innenräume sind immer vom „genius loci“ inspiriert. Archive Zwei schöne Galerien (eigentlich sind es Archive mit einer alten Art der Lagerung von Schriften, noch vor der Einführung von Regalen wie im zentralen Buchlager) von Henri Labrouste hat man erhalten. Sie bestehen aus selbsttragenden Holz- und Metallfächern mit einem Boden aus Eisengittern. Die „Viennot Gallery“ beherbergt die Sammlung der bildenden Künste und zeigt sich hinter einer Glaswand, die den öffentlichen Bereich abgrenzt. Komplett renoviert und gesetzeskonform in Farbe, Licht und Technik. Sie ist nicht öffentlich zugänglich und das erklärt auch, warum gusseiserne Böden und Handläufe nicht geändert wurden. Komplett renoviert und den Baugesetzen entsprechend ist die „Gallerie des Petits Champs“ als zweiter, öffentlicher Leseraum für die École des Chartes gedacht. Deshalb sind hier die gusseisernen Böden mit Aluminiumgittern bedeckt, die Handläufe erhöht und mit rostfreien Stahlgittern versehen. Auch hier sind, wie im zentralen Buchlager, Leseplätze in die Regale integriert. In all diesen Bereichen hat man die ursprüngliche Farbgebung von Labrouste an den Decken und Trägern wieder hergestellt. Zusätzliche Beleuchtungen spielen mit der Transparenz der Eisenböden und Aluminiumgitter. Die Rotunden Die Petits-Champs-Rotunde ist eine Überlagerung von drei Rotunden. Heute zeigt sie deutlich die architektonischen Vorlieben verschiedener Zeiten. Die in der untersten Ebene gelegene ist heute der Eingang zur l’École des Chartes. Ein zeitgemäßes Architekturvokabular aus Holz, Stein, Glas und Metall drückt hier den Geist der Erneuerung aus. Die Korridore und gebogenen Wände wurden herausgearbeitet und durch Kunstlicht betont. Auf der ersten Ebene ist der ehemalige “Salle des Donateurs” zum Archiv für die kostbaren Arbeiten der École des Chartes samt einem zusätzlichen Arbeitsraum geworden. Hier hat man die originalen Dekorationen von Labrouste freigelegt und gesäubert. Als einzig neues Element schwebt ein Stahlkandelaber an Stahlseilen von der Decke. Seine Lichtreflexionen werfen ein Licht auf die Deckengemälde und auf den großen runden Tisch, der speziell für den Raum entworfen ist. Im zweiten Stock ist die Kuppel des Archivs in einen Arbeits- und Versammlungsraum verwandelt worden. Seine restaurierte Holzarchitektur wird von einer Mischung aus Kunstlicht und Oberlicht erhellt. (rp)


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