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42 architektur FACHMAGAZIN Alt & Neu Abdrücke der Zeit Corpus Intra Muros / Bruneck / Architekt Stefan Hitthaler Fotos: Christof Theurer, Wisthaler Harald Eine poetische und doch wissenschaftlich begründete Spurensuche unternimmt das Team Architekt Stefan Hitthaler und der Erziehungswissenschaftler Dr. Ulrich Leitner. Sie umhüllten den Pulverturm in Bruneck/ Südtirol, ein aus dem 15. Jahrhundert stammendes Gebäude mit einer architektonischen Kunstinstallation. Abdrücke der Zeit, der Menschen und ihrer Geschichten werden so in der Architektur sichtbar gemacht. Bei dem Begriffspaar ‚Architektur und Kunst‘ geht es nicht um die Frage, ob Architektur zur Kunst oder die Kunst zur Architektur gehört. Schon Vitruv sprach von Architektur als der „Mutter aller Künste“, womit sowohl die zeitliche Abfolge als auch die rangmäßige Einstufung der Architektur gegenüber Bildhauerei und Malerei gemeint sein kann. Architekt Stefan Hitthaler (Bruneck) und der Erziehungswissenschaftler Dr. Ulrich Leitner (Universität Innsbruck) wagten mit dem Kunst- und Wissenschaftsprojekt Corpus Intra Muros einen Blick über die manchmal engen Grenzen dieser beiden Disziplinen. Die Schnittstellen und Berührungspunkte werden bei ihrer Arbeit am Pulverturm in Bruneck im Südtiroler Pustertal aufgezeigt. Dazu wurde das historische Gebäude aus dem 15. Jahrhundert mit einer Kunstinstallation ummantelt. Der gegenständliche Turm ist eigentlich eine Utopie, ein Nicht-Ort, denn anders als viele historische Gebäude besitzt dieser Turm keine eigene Identität, keine überlieferte Geschichte, nur viele Erzählungen, die sich um ihn ranken. Er wird zwar als Baudenkmal betrachtet, über seinen Zweck, seine Entstehung und den Inhalt sind aber so gut wie keine Tatsachen bekannt. Ganz ähnlich, den im START besprochenen künstlerischen Intentionen von Sir Antony Gormley wurde auch in Bruneck versucht, eine erzählerische Realität zu schaffen. Sie soll die Menschen zum Nachdenken anregen. Um nun eine Beziehung, eine Lesbarkeit der Architektur für die Menschen und auch eine Auseinandersetzung mit der Zeit zu bewirken, hat das Team aus Architekt und Erziehungswissenschaftler den Turm mit einer Hülle in Form einer dreiseitigen Schachtel versehen. Eine Tragkonstruktion bildet eine U-Form über dem ca. sechs mal sechs Meter großen quadratischen Turmgrundriss. Auch in der Höhe überragt die monumentale Konstruktion den Turm um drei bis vier Meter. Die Außenseiten sind mit rostigen Metallplatten bedeckt, an der Innenseite ist ein fotografisch bedrucktes Gewebe verspannt. Darauf kann man unbekleidete, menschliche Körper erkennen, sie bewegen sich in einem (endlosen) dunklen Raum. Vom Duktus der Komposition denkt man unwillkürlich an barocke Gemälde, an Kirchenfresken vielleicht? Zwischen den Innenwänden dieser ‚Schachtel‘, den ‚Wänden‘ und dem alten Turm spielt sich nun ein Prozess ab. Er wird durch die großformatigen Abbildungen von menschlichen Gestalten ausgelöst. Denn Körper drücken ihre ‚Aura‘ auch im Raum und auf Wänden ab, Hüllflächen speichern ihre Präsenz. Die menschlichen Körper, die auf der Installation zu sehen sind, stehen für die vielfältigen Beziehungen, die Menschen mit den Gebäuden, in denen sie leben und die sie umgeben, eingehen. Die Bilder machen die Spuren der Menschen sichtbar, die diese über die Jahrhunderte in der Architektur hinterlassen haben. Es entwickelt sich ein Zwiegespräch mit den heutigen BetrachterInnen über die Zeiten hinweg. Die architektonische Konstruktion, welche den Turm umhüllt, lässt durch die großformatigen menschlichen Figuren die Grenze zwischen Realität und Fiktion ins Erzählerische verschwinden. u


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