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63 www.architektur-online.com Architekt Georg Reinberg (statt 15 KW/h im Wohnbau). Diese Leistung gibt es natürlich nicht permanent und deshalb hat das ‚2226‘ sehr viel Masse um die Schwankungen zu überbrücken. Wenn es zu kalt in den Räumen ist, lässt Eberle einfach einen Computer über Nacht laufen und benützt die Abwärme. Das ist keine sehr effektive Methode. Ein Computer ist nicht zum Heizen optimiert, das ist ökologisch und von der Energiebilanz eher bedenklich. Es ist für mich prinzipiell falsch mit Strom zu heizen, denn damit soll man vorrangig einen Computer betreiben und nicht den Raum heizen. Ein Heizstrahler ist zum Heizen sicher effektiver als ein Computer der sonst nichts produziert. Was sagen Sie zu dieser Abspaltung oder Spaltung der IG Passivhaus? Mir wäre eine Organisation lieber statt zwei. Das Passivhaus steht für die ‚Einsparung‘. Es leistet gute Dienste und hat einen brauchbaren Standard gebracht. Bisher wurde aber die hauseigene Energieproduktion vernachlässigt, es ist ein bisschen an der eigenen guten Idee ‚kleben‘ geblieben. Mir sind beide Organisationen sympathisch. Ich bin bei beiden Mitglied und hoffe auf enge Kooperation. Was halten Sie davon? Die Entwicklung muss einfach weitergehen, das zieht natürliche auch das Passivhaus mit. Man muss sich eben auch mit dem aktiven Sektor befassen. Das Passivhaus hat auch selbst angekündigt, dass es in Zukunft neben dem Passivhaus auch produktive Gebäude zertifizieren wird. Das heißt, es wird ein ‚Passivhaus Plus‘ und ein ‚Passivhaus Premium‘ geben. Ich finde es sehr intelligent, dass beim Passivhaus Premium auch die Grundstücksfläche mit einbezogen wird. Wenn nun ein Kunde zu Ihnen kommt und ein Passivhaus will - was sagen Sie ihm? Alles, was ‚plus‘ ist, spricht auch für das Passivhaus. Alle diese Konzepte bauen auf dem Passivhaus auf. Ich würde ein Passivhaus planen und dann schauen, welche Strategien man im Aktivbereich verfolgen kann. Welche Möglichkeiten hat ein Kunde, zu vernünftigen Preisen zu einem Plus-Energie Haus zu kommen? Es ist so, dass das Einfamilienhaus die schlechteste Möglichkeit für ein Passivhaus ist. Bei einem Wohnbau, einer Schule oder einem Büro ist das relativ leicht zu erreichen. Da spielt die Heizung eine unwesentliche Rolle, der Stromverbrauch, die Kühlung und die Lüftung sind bei solchen Bauten ausschlaggebend. Man muss aktive Elemente planen und einbauen und so geschickt in der Architektur anlegen, dass man keine oder nur geringe Mehrkosten hat. Was bezeichnen Sie als aktive Elemente? Zum Beispiel Geothermie oder Grundwasser mit Wärmepumpe, Fotovoltaik und aktive thermische Elemente. Welche Produkte gibt es da am Markt? Diese Dinge sind fast alle schon technisch perfekt. Man darf sie nur nicht alle zugleich verwenden, denn dann wird es teuer. Man muss Schwerpunkte setzen. Es gibt zwei Richtungen: Die einen gehen stärker über den Strom, die anderen stärker über Solarthermie beziehungsweise Biomasse. Biomasse ist die einzige Technik, die die Speicherfrage gelöst hat, man kann sie auch gut mit Solarthermie kombinieren, weil beide auf einem hohen Temperaturniveau funktionieren. Gibt es - außer der Speicherung von Sonnenenergie in Biomasse - auch andere Speichermethoden? Das ist der Punkt, an dem unsere gesamte Forschung momentan arbeitet – die Speicherfrage. Könnten wir die Überschusswärme des Sommers für den Winter speichern, hätten wir kein Problem. Die Lösungen für diese Frage sind bis jetzt eher schlecht. Es gibt zum Beispiel die Brennstoffzelle, also die Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mit Hilfe von Sonnenenergie. Die Verluste bei den Umwandlungen sind aber sehr hoch. Es gibt auch die Phasenwechselstoffe, auch die sind technisch noch nicht ausgereift. Eine für mich hoffnungsvolle Technologie sind Eisspeicher. Dabei wird der Wechsel von Wasser zu Eis oder umgekehrt (der viel Energie braucht) benutzt, um viel Energie zu speichern. Die Energie kann man dann beim Auftauen oder Einfrieren wieder freisetzen und verwenden. Diese Technologie braucht aber Platz. Brauchen Passivhäuser nur 15 KW/h Heizwärmebedarf pro m2 und Jahr und sind ansonsten autark? Diese Zahl ist eigentlich eine willkürlich gewählte, sie kommt daher, dass man im Ursprungskonzept das Passivhaus mit Luft - also ohne traditionelle Heizanlage - heizte. 15 KW/h braucht im Passivhaus die Heizung maximal, dazu kommen das Warmwasser und der Stromverbrauch. Warmwasser und Stromverbrauch sind mittlerweile bei einem Passivhaus höher als der Heizwärmebedarf. Es wäre also nicht sinnvoll, den Heizbedarf noch weiter zu senken, sondern man versucht mit aktiven Elementen den Warmwasserbedarf und den Strombedarf zu decken und - das ist der nächste Schritt, an dem wir arbeiten - die Mobilitätsenergie ebenfalls mit Eigenproduktion zu decken. Das Problem ist ja, dass die Verkehrsplaner völlig versagt haben. Beim Auto haben wir weiterhin irrsinnige Steigerungen bei der Umweltbelastung, und wenn Häuser nicht nur den Eigenbedarf decken, sondern auch die Energie für die Mobilität zur Verfügung stellen, dann haben wir zumindest die Energiefrage in diesem Bereich gelöst. Und das geht technisch. Wir haben Modelle entworfen und berechnet, wo wir für jeden Haushalt für 15.000 km selbst produzierte Energie für Elektrofahrzeuge zur Verfügung stellen können. Das sind Siedlungen (am Einzelhaus ist das kaum möglich), in denen man das gesamte Gebäude mit Energie versorgen kann plus die Mobilitätsenergie zur Verfügung stellt. Wir können es allerdings nicht ganz autonom, als ‚Back-up‘ brauchen wir immer noch das Netz. Kann man also feststellen, dass der Trend vom Einfamilienhaus auf den 1.000 m2 Grundfläche weg zu Projekten des Co- Housings oder gemeinschaftlichen Wohnens hingehen muss? Es muss unbedingt verdichtet werden. Es ist von der Energie und der Infrastruktur nicht mehr vertretbar, Einzelheime zu schaffen. Diese Wohnform benötigt vier Mal so viel Infrastrukturkosten wie ein Wohnbau (lt. Berechnungen des VCÖ). Es kann nicht sein, dass eine Gruppe so unvergleichbar viel mehr von der Gesellschaft beansprucht und der andere Teil auch noch mehr für die Umwelt zahlen muss. Ist sich da die Architektenschaft einig in dieser Auffassung? Das Einfamilienhaus ist ja kein Problem der Architekten, sondern ein Versäumnis, ein Versagen der Raumplaner und der politischen Entscheidungsträger. Die Änderungen muss die Bevölkerung von der Politik einfordern.


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