Zukunftsvision: Ökogemeinschaft
What if?
Was wäre, wenn wir es schaffen, uns ohne endgültigen Verbrauch der Erdressourcen zu ernähren, zu leben, zu bauen? Der Lösung dieser Frage ist man – so utopisch sie vielleicht klingen mag – einen Schritt nähergekommen. ReGen Villages, B.V. und EFFEKT architects haben die Vision für ein regeneratives Modell energie- und nahrungsmittelunabhängiger, selbstversorgender Ökogemeinschaften entwickelt. Dieses Projekt wurde auch heuer auf der Architekturbiennale in Venedig vorgestellt, wird bereits als der Tesla unter den Ökodörfern bezeichnet und soll einen einfachen Zugang für die Wahl eines nachhaltigen Lebensstils außerhalb der Globalisierung und Vernetzung bieten.
ReGen Villages ist eine Immobilienentwicklungsgesellschaft, die einen Fokus auf die Beantwortung der drängendsten Fragen der Welt gerichtet hat: Soziale Fragen, finanzielle Möglichkeiten und vor allem Umweltprobleme. Sie konstruiert und baut regenerative Systeme, bei denen der Abfall des Einen der Grundstoff für das Andere ist. Ein holistisches Konzept, das innovative Technologien wie Plusenergiehäuser, erneuerbare Energien, Energiespeicher, organische Nahrungsmittelproduktion vor der Haustüre, vertikale Gemüsezucht, Aquaponik/Aeroponik, Wasseraufbereitung und vieles andere zu einem Cradle-to-Cradle-System verbindet. In Zusammenarbeit mit dem dänischen, in Kopenhagen ansässigen, Architekturbüro EFFEKT soll nun in Almere/Holland das erste „versorgungsunabhängige“ Ökodorf entstehen.
In Anbetracht der Tatsache, dass heute schon die Hälfte der Erdbevölkerung in Städten lebt, diese massive Urbanisierung zu steigenden Landpreisen führt und in vielen Fällen zu Problemen mit den Grundrechten der Menschen auf sauberes Wasser und Energie, wird sie auch zu Engpässen in der Versorgung der sich vermehrenden Erdbevölkerung mit Lebensmitteln führen. Der Gedanke dieser Ökodörfer bietet eine Alternative zur dichten Stadt, er ermöglicht eine außerstädtische Entwicklung von „smarten“, halbdichten urbanen Nachverdichtungen mit lokaler Versorgung mit allen Ressourcen und bringt gleichzeitig eine Entlastung der Verwaltung und Bürokratie mit sich.
Es ist heute durchaus Allgemeinwissen, dass die Landwirtschaft mit zu den größten Emittenten des CO2-Ausstoßes zählt, damit auch für den Klimawandel, den Verlust der Biodiversität und für Umweltzerstörung verantwortlich ist. 40% der Erdoberfläche werden für den Nahrungsmittelanbau benutzt. 70% der globalen Frischwasserreserven werden dafür verbraucht. In diesen Zusammenhängen ist es wahrscheinlich notwendig und auch unausweichlich, die Wohnbedürfnisse und Wohngewohnheiten der Menschen und damit Aspekte der Architektur neu zu definieren.
Sinus Lynge, Mitbegründer des Architekturbüros EFFEKT formuliert es so: „Stadtbewohner müssen hart arbeiten, um ihre Häuser oder Wohnungen finanzieren zu können – Hypotheken, Energie, Wasser, Heizung, Kühlung, Nahrung – all das belastet ihr Leben. Unserer Vision ist es, Häuser zu haben, die für uns arbeiten. Sie produzieren saubere Energie, Wasser, sind unabhängig durch die Eigenproduktion von Nahrungsmitteln und das zu leistbaren Preisen außerhalb der großen Städte!“
Und deshalb will man jetzt auf ca. 15.000 m2 einen Prototyp dieser Siedlung in Almere errichten. Hier gibt es zwar ein großes Potenzial der sogenannten Mittelschicht für das Projekt, aber die größte Chance sehen die Initiatoren in den Entwicklungsländern, in denen sich Millionen Menschen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen vom ländlichen in den urbanen Raum begeben. In Kürze soll man nun in Holland die erste, sich selbstversorgende Siedlung besichtigen können. Das versorgungsunabhängige Dorf soll viele Gewächshäuser haben. Mehrere sind auf eine hoch technisierte, vertikale Gemüsezucht ausgerichtet, und natürlich sind auch saisonabhängige Grün- und Anbauflächen, die sich im Freien befinden, in die Gemeinschaft integriert. Die Siedlung wird nicht nur ihre Energie selbst erzeugen, sondern auch Nahrungsmittel.
Sie wird aus verschiedenen Gebäuden und Gemeinschaftseinrichtungen, sozialen Bereichen etc. bestehen – diese sind zu einem großen Gewächshaus zusammengeschlossen. Dies ermöglicht ihren Bewohnern, eine Fülle von Früchten und Gemüsen zu züchten und den eigenen Abfall zu recyceln. Große Solaranlagen oder andere alternative Energiequellen sorgen für eine ununterbrochene Energiezufuhr für Warmwasser und Heizung. Noch sucht man nach interessanten Technologien, um kleinere Mengen von Biomasse (von den landwirtschaftlichen Flächen) zu verwerten, um sie ebenfalls dem Energiegesamtmix zuzuführen. Damit man auch in den finsteren Wintermonaten in Nordeuropa die Versorgung garantieren kann.
Das System sieht vor, den recycelten Abfall der Bewohner als Nahrung für verschiedene Fliegenarten zu benutzen. Das ist wiederum eine nachhaltige Nahrungsquelle für die Fischzucht. Fischexkremente sind der Dünger für ein Aquakultursystem, welches im Gegenzug die Pflanzen im Inneren versorgt. Mit Tierexkrementen sollen die außen liegenden Gärten gedüngt werden. Diese Hightech-Landwirtschaftssysteme werden im Lauf eines Jahres imstande sein, dem zehnfachen Ernteertrag mit 90% weniger Wasserverbrauch auf derselben Fläche zu produzieren.
Das Leben in derartigen Gemeinschaften wie ReGen Villages bedeutet, dass Familien auch andere Verantwortlichkeiten (für das Gemeinwohl) übernehmen müssten. Für das Funktionieren dieses Ökosystems kann zum Beispiel eine Familie den Glashausbetrieb überwachen, während eine andere für die Solarpaneele und die elektrischen Ladestationen zuständig ist. Die Architekten sehen in einer solchen Verpflichtung die Chance für den Aufbau einer sozialen und moralischen Verantwortlichkeit bei gleichzeitigem Abbau oder Verlagerung der übergeordneten Verwaltung an örtliche, lokale Institutionen. Nach dem Bau der hundert Pilot-Eigenheime in Almere hofft ReGen weitere Pilot-Dörfer, vielleicht auch in Österreich, zu errichten.
Grafiken: ©EFFEKT
Kategorie: News