Station Arnhem Centraal
Umsteigepunkt.
Station Arnhem Centraal / Arnhem / Ben van Berkel, UNStudio
Fast zwanzig Jahre hat es gedauert, bis der neue Bahnhof und Verkehrsknoten in Arnhem, in den Niederlanden, entworfen durch das Team um Ben van Berkel/UNStudio, endlich eröffnet werden konnte. Die zwei Jahrzehnte, in denen das Büro an der Fertigstellung gearbeitet hat, zeugen von der Komplexität, die in diesem Projekt steckt. Es ist das neueste und gleichzeitig letzte Nachkriegsprojekt in Arnhem, der Masterplan dafür beinhaltete auch die Neugestaltung und Einbeziehung der Umgebung. Nach der Eröffnung Ende letzten Jahres ist die Arnhem Central Station das komplexeste Projekt dieser Art in Europa.
Die Architektur wird zur Eingangstüre der Stadt Arnhem und drückt den Geist des „Verkehrs“ aus. Von offizieller Seite erwartet man, dass sie ein wichtiger Verkehrsknoten zwischen den Niederlanden, Belgien und Deutschland wird. Die Architekten planten die Station – nach einer intensiven Phase der Erforschung von Passagierströmen und Transportmöglichkeiten – als „Umsteigemaschine“. Sie sollte das gesamte Spektrum des Verkehrs des 21. Jahrhunderts erfassen können. So wurde ein Raum ohne Säulen entworfen, er formt den architektonischen Eindruck und führt dazu, dass die Menschen intuitiv den Raum benutzen. Der 21.750 m2 große Transferterminal ist von einer sich dramatisch verbiegenden und windenden Dachgeometrie bedeckt – diese ermöglicht die säulenfreien Spannweiten bis zu 60 Meter. Die Dachstruktur und die sich verbiegenden Unterstützungen waren nur unter Missachtung gängiger Konstruktionsmethoden und Materialien möglich. Ein leichter Stahl ersetzt den Stahlbeton, der ursprünglich für die Station verwendet werden sollte. Konstruiert wurde, indem man Techniken aus dem Schiffsbau anwendete, und zwar in einem Maßstab, wie er vorher noch nie verwendet und ausprobiert worden war. Die Fertigstellung eines derart zeitaufwendigen und komplexen Projektes in diesem Zeit- und Budgetrahmen, ohne jegliche Kompromisse im Designbereich einzugehen, verlangte von Auftraggeber- und Architektenseite einiges an Mut und Zielorientierung.
Die Anleihen für den kontinuierlichen Wechsel von Innen- zu Außenflächen hat man bei der sogenannten Klein‘schen Flasche genommen (siehe Kasten). UNStudio versucht damit, die Unterschiede zwischen innen und außen zu verwischen und den Terminal mit der urbanen Landschaft in einem Kontinuum verschmelzen zu lassen. Wände, Decken und Böden gehen stellenweise nahtlos ineinander über. Das Design der Architekten beinhaltet auch eine ganze Reihe von gekurvten Betonformen, sowohl im Äußeren wie auch im Inneren des Gebäudes. Die Eingangsebene kurvt sich wie eine Zunge nach oben, kreiert ohne Rücksicht auf den Raum eine ganze Serie von Splitlevels, Rampen und Ebenen. Die großen Glasflächen, welche die Hauptfassade der Architektur bilden, strecken sich nach oben über das Dach hinaus, um dort Oberlichten zu bilden. Andere Details beinhalten gewellte Holzdecken und Lichtlösungen, die der Orientierung dienen.
Manch ein Betrachter mag sich beim Anblick der kurvigen Formen diverser Teile an das parametrische Design der zeitgenössischen Architektur erinnert fühlen, aber im Großen und Ganzen ist die architektonische Gestaltung eher funktionell geblieben: Züge und Autobusse fahren immer noch gerade in die Station hinein, Gleise sind ebenso linear, es gibt noch gerade Holzbretter in den designten Deckenverschalungen und relativ wenig gebogene Glasflächen.
Indem die Charakteristiken der Landschaft um Arnhem in den Entwurf einbezogen werden, haben die Architekten den Terminal als eine fließende, zweckmäßige Nutzlandschaft gestaltet – sie nimmt auf vier Geschossen über und unter dem Erdboden alle nötigen Funktionen auf. Der Schlüsselpunkt ist die Terminalhalle mit 5.355 m2, überdacht von einem dynamischen, gewellten Dach. Hier verwendete man sogenannte „V-Wände“, eine lastabtragende Stahlbetonstruktur, welche die Differenzen in der vorgeschriebenen/geplanten Gitterstruktur abfängt und gleichzeitig Tageslicht bis in die Untergeschosse bringt. Die Zwischenräume zwischen diesen Strukturen bilden den Zugang zu den Parkgaragen und Nebenräumen im Untergrund. Die Station arbeitet auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene. Sie ermöglicht den Nutzern einen selbstverständlichen und einfachen Verkehr zwischen den Städten und Staaten – Arnhem ist nicht mehr eine Bahnstation, sondern ein Umsteigeknotenpunkt. Das Gebiet um die Station selbst wird zum Ort aufgewertet, mit 160.000 m2 an Büros, Geschäften und einem Kinokomplex. Für 2020 rechnet man mit 110.000 Passagieren pro Tag.
Im Zentrum des Masterplans für das architektonische Gesamtprojekt stand und steht die neue Umsteigehalle, sie inkludiert eine Wartezone für sämtliche Passagiere, die verschiedenen Fahrkartenschalter für Busse, Züge und Straßenbahnen sowie eine Vielzahl von Geschäften und Restaurants, Büros und Konferenzzentren, ganz wie es in solch großen Bahnhofsbereichen üblich ist. Natürlich gibt es zwei Untergeschosse für das Parken der Autos und auch – typisch für die Niederlande – der Fahrräder.
Arnhem Central Station
Arnhem, Niederlande
Bauherr: ProRail B.V.
Planung: Ben van Berkel, UNStudio
Statik: ARUP Amsterdam, BAM Advies & Engineering, ABT
Grundstücksfläche: 160.000 m2
Bebaute Fläche: 21.800 m2 + 45.000 m2 Öffentlicher Raum
Planungsbeginn: 1996
Bauzeit: Masterplan 1996 – 2015
Fertigstellung: 2015
Baukosten: 37,5 Mio. Euro
Fotos: ©Hufton + Crow, Siebe Swart, Frank Hanswijk, Roland Tillerman
Text: Peter Reischer
Kategorie: News