GerambRose 2022
Am 21. Oktober 2022 wurde im Weinhof Locknbauer in Tieschen die biennal vom Verein BauKultur Steiermark ausgeschriebene GerambRose an beispielhafte Projekte als Dankzeichen für die gemeinsame Leistung von Planerinnen und Planern, Bauherrschaft und Ausführenden verliehen. Landesbaudirektor Andreas Tropper und die Jurymitglieder unter dem Vorsitz von Much Untertrifaller überreichten sowohl der Bauherrschaft als auch den planenden Architektinnen und Architekten jeweils eine Urkunde und eine Tafel zur Montage als sichtbares Zeichen am prämierten Gebäude.
Die thematischen Schwerpunkte der diesjährigen GerambRose sind:
Öffentliche Räume – zu den Themen Ort, Infrastruktur und Landschaft
Gemeinschaftliche Räume – zu den Themen Arbeit, Bildung, Kultur und Soziales
Private Räume – zum Thema Wohnen
In der Sonderkategorie GerambRose – Klassiker wird optional ein Bauwerk ausgezeichnet.
Von den insgesamt 69 Einreichungen in den drei Themenschwerpunkten wurden von der mehrköpfigen Jury mit internationalen Gästen 21 Projekte in der ganzen Steiermark besichtigt.
Prämiert wurden neun Bauwerke, welche den Anforderungen an die Qualitätskriterien der Auslobung am besten gerecht wurden: Sei es aufgrund ihres innovatorischen Charakters, ihrer gestalterischen und/oder inhaltlichen Eigenständigkeit, ihrer gesellschaftlichen Relevanz, ihrer spannungsvollen Raumsequenzen mit hoher Aufenthaltsqualität oder ihrer integrativen Bearbeitung der so wichtigen Zwischen- und Freiräume.
Die Jury vergab eine Auszeichnung zum Themenschwerpunkt „Öffentliche Räume“, vier Auszeichnungen zum Themenschwerpunkt „Gemeinschaftliche Räume“ und drei Auszeichnungen zum Themenschwerpunkt „Private Räume“. In der Sonderkategorie „GerambRose – Klassiker“ wurde ein Bauwerk ausgezeichnet.
Öffentliche Räume – zu den Themen Ort, Infrastruktur und Landschaft:
Reininghaus Park, Graz
Planung: zwoPK Landschaftsarchitektur Rode Schier Wagner OG
Bauherrschaft: Stadt Graz, Abteilung für Grünraum und Gewässer
Der Park mit einer Fläche von 30.000 m2 liegt langgestreckt zwischen der UNESCO-Esplanade – der Haupterschließungsachse der Reininghausgründe – am östlichen sowie viergeschossigen Bebauung am westlichen Rand des Areals. An der Nord- und Südseite befinden sich durch gemeinsame Sockelzonen verbundene Hochhäuser, ein breiter gepflasterter Weg umgibt als „Passepartout“ den Park, der nutzungsoffen und als vollständig begeh- und bespielbare Fläche konzipiert wurde. Er ist nur von wenigen Wegen durchschnitten und verdichtet sich nutzungsspezifisch an seinen Längsseiten als Wasser- bzw. Spielplatzzone.
Ein zentrales Gestaltungsmittel war die Überhöhung der vorhandenen Topografie zwischen der belebteren „Stadtterrasse“ mit dem Reininghauspavillon und der ruhigeren Wohnbebauung im Westen. Diese Modellierung führt zu einer räumlichen Tiefe, die bereits für sich genommen unterschiedliche Gestimmtheiten innerhalb der Gesamtfläche hervorruft.
Der Baumbestand war die Grundlage der landschaftsarchitektonischen Maßnahmen und ist wesentlich für die Wahrnehmung des Parks als eigenständiges Element im städtebaulichen Kontext. Aus ihm wurde ein Baumraster entwickelt, dem entlang sich Zonen verdichten oder aufweiten, topografische Elemente wie die „Mulde“ oder die „Anhöhe“ akzentuiert oder Grenzen zwischen den einzelnen Bereichen fließend definiert werden.
Die Pflanzenauswahl folgt einerseits dem naturräumlichen Bestand, andererseits den Anforderungen des Klimawandels – sie setzt sich aus Hochstammbäumen, Wildstauden und Blumen, wie z.B. auf Magerwiesen, zusammen. Entlang der Wasserfläche gibt es eine Verlandungszone und in den befestigten Bereichen werden die Oberflächenwässer nach dem Prinzip der Schwammstadt verfügbar gemacht.
Für die Jury wird die Wesenhaftigkeit des Parks durch eine wohltuende Rauheit bestimmt, die stark an den ursprünglichen Zustand der Grünflächen in Reininghaus erinnert. Die Orientierung am Baumbestand, das Zitieren der Eisteiche durch die Wasserfläche, der tote Stamm auf der Wiese sind Anker beim Erleben dieser Parklandschaft, die gerade im gegebenen Kontext eine besondere Bereicherung ist.
Gemeinschaftliche Räume – zu den Themen Arbeit, Bildung, Kultur und Soziales
Volksschule Kaindorf an der Sulm
Architektur: epps Ploder Simon ZT-GmbH
Bauherrschaft: Stadtgemeinde Leibnitz
Der Neubau der Volksschule bildet durch seine Positionierung im Sinn einer städtebaulichen Maßnahme ein neues Zentrum. Der Fußweg, der auf die zweigeschossige Schule zuführt, öffnet sich zu einem großen Platz mit organisch geformten Grüninseln und zieht sich bis unter das die gesamte Breite des Gebäudes einnehmende Vordach bis zum Haupteingang. Eine bestehende Ost-West-Verbindungstraße blieb erhalten, ist aber im Bereich des Platzes nun Begegnungszone. Durch die Lage des halb versenkten Turnsaals mit Oberlichtband an seinem südlichen Ende sind die dahinterliegenden Sportflächen abgeschirmt.
Betritt man die Schule, so öffnet sich ein weites, multifunktionales Foyer, das sich über die gesamte Gebäudetiefe erstreckt; so ist nicht nur für gute Querbelichtung und -durchlüftung, sondern auch für mühelose Orientierung gesorgt. An seiner Nordseite befinden sich Nebenräume, im südlichen Teil Freizeitbereiche sowie Küche und Esszimmer. Über raumhohe Glaselemente sieht man in die Aula, wodurch die Kinder auch dort im Blickfeld der Betreuer:innen sind und sich daher freier bewegen können. Im Außenbereich schließen Grünflächen an, die ebenfalls vom Inneren aus gut überblickt werden können.
Von der Aula führt eine symmetrische zweiläufige und zweiarmige Stiege mit Verteilerpodest ins Obergeschoss. Hier ist die Raumstruktur um 90 Grad verdreht: Die Klassen befinden sich entlang der Ost- bzw. Westseite, die offenen Lern- und Spielzonen wieder dazwischen, wobei es hier zwei eingeschnittene Terrassen an den entgegengesetzten Enden gibt.
Die Materialisierung erfolgte in erster Linie in Holz und Sichtbeton – zugleich haptisch, robust und ruhig und mit hoher handwerklicher Qualität gefertigt. Das gilt auch für die Möbel, die ebenfalls von den Architekt:innen geplant wurden.
Für die Jury sind die städtebauliche Situation und der Zugang sowie die Außenflächen ebenso überzeugend wie die hochwertigen Räume und die freundliche Atmosphäre. Die Ausführung ist einwandfrei, der Übergang zwischen Architektur und Inneneinrichtung bzw. zwischen Beton, Holz und Glas schlüssig und unangestrengt. Hervorgehoben werden außerdem die (Blick)Durchlässigkeit der Struktur und die räumliche und ästhetische Qualität der Stiege.
Volksschule Neuhart, Graz
Planung: dreiplus Architekten ZT GmbH
Bauherrschaft: Stadt Graz, Abteilung für Bildung und Integration
Gegenstand des von der Stadt Graz 2018 ausgelobten Architekturwettbewerbs war die Erweiterung des in den 1940er Jahren errichteten Schulgebäudes. Bisher war die Volksschule mit acht Klassen geführt worden, ca. die Hälfte der Schüler:innen nutzte das Angebot der Ganztagsschule. Nun sollte Platz für weitere acht Klassen inklusive aller Sonderräume geschaffen werden. War ursprünglich die Erweiterung des Hauses im Fokus, konnte durch umsichtige Planung auch eine Sanierung des Bestands erfolgen.
Die Schule befindet sich auf einem Eckgrundstück zwischen der stark befahrenen Kärntnerstraße und der ruhigeren Kapellenstraße. Beim Altbau handelt es sich um ein eingeschossiges, dreifach im rechten Winkel geknicktes Gebäude, wobei im nordöstlichen Teil ein Kindergarten untergebracht ist und im südwestlichen ein durch einen Verbindungsgang erschlossener Turnsaal. Die Erweiterung befindet sich in Form einer flächigen, holzverkleideten Struktur in der Innenecke zwischen Turnsaal und Bestand. Anstelle des ursprünglichen Verbindungsganges trat der neue Haupteingang – weiter zurückversetzt und mit einem tiefen Vordach versehen, sodass ein großzügiger Vorplatz entstand. Von hier aus gelangt man in ein Foyer mit starkem Außenraumbezug, über das auch der Bestandsteil erschlossen wird. Zentrum des Zubaus ist ein intensiv begrünter „Lesewald“, über den Licht in die Tiefe des Gebäudes fällt. Während im Erdgeschoss die allgemeinen Räume sowie die Ganztagsbetreuung untergebracht sind, befinden sich im Obergeschoss zwei Lerncluster mit je vier Klassen. Die breiten Gänge mit Lern- und Aufenthaltszonen sind zum Innenhof ausgerichtet. Eine Außenstiege verbindet die südseitige Terrasse mit dem Schulhof, einer großen Wiesenfläche mit überdachten Schwellenzonen zum Schulgebäude und einem geschützten Bereich zur Kapellenstraße hin.
Die Jury hebt besonders die großzügige Eingangssituation, die gut gelöste Schnittstelle zwischen Bestand und Neubau sowie die Integration der Freiräume hervor. Auch der Innenhof, Oberflächentexturen und Materialität sowie die Differenziertheit der Holzfassade werden als Elemente mit hoher Qualität gesehen.
Wolfgangikirche, Hollenegg
Planung: Agency in Biosphere – Mag. arch. Markus Jeschaunig
Bauherrschaft: Wolfgangikomitee
Die Bergkirche im Gemeindegebiet von Schwanberg auf 767 m Seehöhe ist weithin sichtbar und seit Jahrhunderten ein beliebter Wallfahrtsort. Sie wurde 1494 errichtet, wobei ursprünglich eine größere Anlage geplant war. Heute sind nur mehr der im Bereich des Übergangs zum Langhaus abgemauerte Chor und die Sakristei erhalten.
Seit vielen Jahren arbeitet ein ehrenamtliches Komitee für die Erhaltung der Kirche und lukrierte Spenden- und Fördergelder für Sanierungsmaßnahmen. In diesem Zusammenhang sollte der Eingangsbereich neu gestaltet werden, sodass man auch bei verschlossener Tür in das Innere blicken kann. Ein weiterer Wunsch war ein Altar im Freien, damit mehr Menschen an Festtagen oder bei Hochzeiten an der Messe teilnehmen können.
Der Architekt plante eine neue Türe, ein Vordach und einen Altar (bzw. Tisch, wenn er nicht im Rahmen der Liturgie verwendet wird). Die Nurglastüre wurde in die Laibung so eingesetzt, dass die bestehende Holztüre nicht entfernt werden musste. Das Vordach besteht – ebenso wie der Altar – aus teilweise geschliffenem, cremefarbenem Sichtbeton. Es liegt auf einer Wand gleicher Materialität und mit integrierter holzbedeckter Sitzbank auf. Die gesamte Konstruktion steht mit einem Abstand von acht Zentimetern vor der Kirchenfassade, wodurch einerseits ihre Objekthaftigkeit betont wird und andererseits denkmalpflegerische Vorgaben erfüllt wurden. Die versetzte Positionierung des Altars nimmt Bezug auf den ursprünglich geplanten Grundriss. Durch ihre Farbigkeit werden die neuen Elemente zu einem Teil der gotischen Kirche, durch ihre scharfe Geometrie und ihren Bezug zueinander spannen sie einen eigenständigen spirituellen Raum auf.
Die Jury befindet sowohl architektonische Konzeption als auch die Sensibilität und Feinheit in der Umsetzung als besonders gelungen. Die leicht abgeschrägte Vorderfront des Altars, der Umgang mit den Oberflächen, die scheinbar einfach hingelegte Betonplatte, mit der der Tisch eins wird, demgegenüber der Kies und die Stainzerplatte, die den Weg zum Eingang bedecken und gleichsam ein Entlastungsraum unter der Auskragung des Vordachs sind – sparsam und präzis eingesetzt sind es diese Elemente und Details, die dazu führen, dass man die „alte“ Wolfgangikirche neu und mit größerer Präsenz erleben kann.
Weinhof Locknbauer, Tieschen
Planung: Mascha Ritter M.Sc. mit Arch. DI Stephan Piber
Bauherrschaft: Lukas Jahn
Der Bauherr war als Quereinsteiger in seine Heimat zurückgekehrt, um ein Weingut mit bester Produktqualität und dementsprechend hochwertiger Architektur aufzubauen. Er kaufte einen leerstehenden Hof mit Nebengebäuden auf einer Hügelkuppe und beauftragte die Architektin Mascha Ritter mit dem Umbau.
Von vornherein gab es zwei entscheidende Parameter: Einerseits kein „modernes Gebäude“, wie es in vielen anderen Weingütern umgesetzt wurde, sondern ein zeitgemäßes Fortschreiben der regionalen Architektursprache, andererseits die Beschränkung auf eine bestimmte Größe entsprechend den Kapazitäten des Ein-Mann-Betriebs.
Auf der Grundlage eines Fünf-Meter-Rasters wurde das bestehende Stallgebäude Richtung Südosten verlängert und beherbergt nun in linearer Abfolge Zonen für Anlieferung, Produktion, Lager und Präsentation sowie einen Verkaufs- und Gastbereich unter offenem Dachraum mit einer eingezogenen Galerie für intimeres Verweilen an der Längsseite und einen Verkostungsraum an der rückwärtigen Breite des Raums. Die Dachfläche im Südwesten des Gebäudes wurde, wie auch bei traditionellen Höfen, hochgeklappt und bildet durch den großen Überstand ein Vordach aus, das auch die Sitzplätze im Freien schützt.
Der Weinhof besteht aus einer Mischkonstruktion aus Massiv- und Holzbau. Im hinteren Gebäudeteil mit Produktion und Verarbeitung kam Sichtbeton zum Einsatz. Auf dem massiven, weiß verputzten Sockelgeschoss wurde das Holztragwerk aus zehn Trägern mit gekreuzten Zugstäben errichtet. Es ist mit einer Lamellenfassade mit dahinterliegenden Fenstern, versehen, die das Licht filtert; giebelseitig ist der Raum völlig verglast. Der Gastbereich ist über dem Sockel ganz in Weißtanne ausgekleidet, wodurch die Atmosphäre hell und ruhig ist.
Als vorbildhaft für die Region und hervorragendes Beispiel für die vollumfängliche Entfaltung der regionalen, landwirtschaftlichen Typologie, als konsequent durchgearbeitet, mit stimmigem Gesamtbild, besonders sorgfältiger Materialwahl und einem gekonnten architektonischen Umgang mit der funktionalen Abfolge würdigt die Jury das Projekt.
Private Räume – zum Thema Wohnen
Großes Glashaus Steirereck, Pogusch
Planung: PPAG architects ztgmbh
Bauherrschaft: Steirereck Stadtpark GmbH
Das Steirereck am Pogusch ist ein alteingessener Gastronomie-, Hotel- und Landwirtschaftsbetrieb auf höchstem Niveau. Im Zuge der jüngsten Um- und Zubauten wurde unter anderem das „Große (auch Kalte) Glashaus“ für Pflanzen und Gäste errichtet, das in besonderem Maß die Firmenphilosophie sichtbar macht: Diese stellt die Qualität und den Wert von Lebensmitteln, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft in den Vordergrund – das betrifft die Produktion und Verwertung von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln ebenso wie die Energieversorgung.
Das Glashaus schmiegt sich nun dreifach abgestuft an einen Südwesthang. Einerseits wird hier eine Vielzahl an essbaren Pflanzen gezogen, andererseits gibt es zehn sogenannte Kabanen, in denen Gäste preiswert übernachten können. Das Klima im Inneren des Glashauses, in dem die Temperatur bis knapp über null Grad sinken kann, orientiert sich an den Bedürfnissen der Pflanzen – der Mensch muss sich anpassen, wobei durchaus dafür gesorgt ist, dass er sich wohlfühlt. Man betritt das Gebäude und gelangt zu einer Schleuse, die zu den gemeinschaftlich genutzten Bereichen führt: ein Garderobe- und Umkleideschrank für jede Gästeeinheit, Sanitäranlagen und eine Sauna. Dann verlässt man diese geheizte Zone und gelangt über das Reich der Pflanzen in die jeweiligen kojenartigen (ebenfalls beheizbaren) Kabanen, die in die offene Glashausstruktur integriert sind. Diese sind alle mit einem anderen Holz ausgekleidet und mit einem Bett, einer Ablage und einem Stuhl möbliert. Geschlossen werden sie mit opaken Glasfalttüren – bzw. auch nur mit einem Vorhang. Ein „Kaminzimmer“ dient als gemeinschaftlicher Aufenthaltsraum. Im Untergeschoss, das das Kalte mit dem Warmen Glashaus und der Gastwirtschaft verbindet, finden sich moderne, von oben durch Atrien belichtete Arbeitsbereiche.
Die Jury würdigt sowohl das visionäre Konzept des Bauherrn als auch die architektonische Umsetzung. „Du bist Gast bei den Pflanzen“ ist eine Aufforderung des Respekts gegenüber dem Leben, zugleich eine verführerische, sinnlich überzeugende Einladung. Obwohl die Bauaufgabe einzigartig ist, könnte das Große Glashaus dennoch – in der einen oder anderen Weise – Vorbildcharakter haben.
Haus P, Weststeiermark
Planung: Gangoly & Kristiner Architekten ZT GmbH
Bauherrschaft: Familie P.
Die Bauherren waren schon länger auf der Suche nach einem passenden Haus oder Grundstück am Land gewesen, schließlich stießen sie auf eine bereits lange leerstehende Hofstelle auf einer Anhöhe in der Weststeiermark, bestehend aus einem Haupthaus und vier Nebengebäuden: der Scheune, die nun als Garage, Lagerraum und Wintergarten dient, dem ehemaligen Stall, in dem jetzt zwei Gästeappartements untergebracht sind, dem Presshaus, in dem der Wein gelagert wird und dem Auszugshaus als nördlichem Abschluss, das zum Pool- und Saunahaus wurde. Im Haupthaus wird, wie seit jeher, gewohnt.
Die Sanierungs- und Adaptierungsmaßnahmen waren geprägt vom Wunsch, das Ensemble in der bestehenden Form zu erhalten und auch die Fernwirkung nicht durch Eingriffe wie modifizierte Baukörper, Farbgebung oder Materialisierung zu verändern. Ziel war also vielmehr eine behutsame Transformation als eine expressive Neuinterpretation.
Durch den schlechten Zustand mussten alle Gebäude komplett saniert werden. Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Wohngebäude zuteil, das bis auf das Ziegelgewölbe zerlegt und neu zusammengebaut wurde. Man betritt das Haus im Bereich des Gewölbes. Rechter Hand befindet sich die Küche mit verglaster Stirnseite, in einer Mittelzone linker Hand die Stiege ins Dachgeschoss sowie eine Sanitäreinheit, und südlich davon schließt der rundum verglaste Wohnbereich an. Die Materialisierung im Inneren ist elegant und minimalistisch. Um den Charakter des Hauses zu erhalten, wurden Dachziegel aus Altbeständen verwendet, die verglasten Giebel von Verschattungselementen aus abgetragenen Holzschalungen überlagert, die Mauern mit Kalk verputzt und vorhandene Stainzerplatten wiederverwendet. Entlang der Längsseiten befinden sich Schirme aus ebenfalls dem Bestand entnommenen Holzbalken.
Ebenso sorgfältig wie im Inneren wurde der Außenraum behandelt. Die Gebäude gruppieren sich um einen zentralen Platz mit altem Baumbestand, Weg- und Geländeverläufe werden von Bepflanzung begleitet, es gibt verschieden gestimmte Bereiche – von einer versteckten Gartenbank hinter der ehemaligen Scheune bis hin zum Pool im nördlichen, etwas höher gelegenen Teil des Grundstücks.
Die Jury würdigt die Liebe zum Detail, die Materialität und die Angemessenheit der Eingriffe in dem Sinn, dass der Gesamterscheinung immer der Vorzug vor einzelnen verlockenden Maßnahmen gegeben wurde, den Umgang mit Proportionen und Öffnungen sowie die bei aller Hochwertigkeit der Materialien erhalten gebliebene Einfachheit.
Wohnhaus Feldbach
Planung: tiburg – Tinnacher Isele Habsburg Architekten
Bauherrschaft: Ilona und Sebastian Bruckner
Das Grundstück mit dem Haus für eine dreiköpfige Familie und beigestelltem Carport befindet sich in einem kleinteilig bebauten Wohngebiet. Es fällt nach Nordosten hin leicht ab und ist geprägt von alten Obstbäumen. Der Erhalt dieses Baumbestands ist einer der Gründe für die polygonale Form des Gebäudes, ein anderer ist die die Absicht, sowohl den Außen- als auch den Innenraum in fließendem Übergang miteinander verbundene Abschnitte zu gliedern. So entfaltet sich trotz lediglich 105 m2 großer Wohnfläche des eingeschossigen, nicht unterkellerten Bauwerks im Inneren eine unterwartete Differenziertheit und Großzügigkeit.
Das Prinzip des Grundrisses ist einfach: In die Grundfläche sind vier jeweils an der Außenwand „angehängte“ private Einheiten – Badezimmer, zwei Kinderzimmer und das Elternschlafzimmer – gestellt, der Raum dazwischen bleibt offen. Sein Zentrum wird durch ein Oberlicht markiert, daran angeschlossen sind drei Flügel mit dem Eingangsbereich, der Küche mit Essplatz und dem Wohnzimmer mit durch eine Schiebetür abtrennbarer Bibliothek. Größe und Positionierung der Fenster orientieren sich an Ausblick und Funktion.
Die Böden bestehen aus geschliffenem Kunststein bzw. Estrich in den öffentlichen Zonen und rauem Sisal in den privaten Zimmern. Die Wände sind aus Birkensperrholz, die Holzkonstruktion der Decke ist unverkleidet. Eine wichtige Rolle kommt dem Farbkonzept zu: Zwei verschiedene Grün-Blau-Töne fassen die den Wohnzonen zugewandten Innenwände der privaten Räume in deren unteren Bereichen bzw. die Anschlussträger an die Deckenkonstruktion. In den Schlafzimmern entfalten Kreissegmente an Decke und Wand starke räumliche Wirkung.
Der Gebäudesockel wird aus je nach Geländeverlauf mehr oder weniger herausragenden Schalsteinen über der Bodenplatte gebildet. Darüber erhebt sich die Holz-Riegel-Konstruktion, die mit unbehandelten Fichtenbrettern in vertikaler, an ausgewählten Stellen auch horizontaler Schalung verkleidet ist.
Neben der grundlegenden Konzeption dieses unprätentiösen Hauses würdigt die Jury das Farb- und Materialkonzept, die Raumproportionen sowie den raffinierten Einsatz von einfachen Details und die bei aller Schlichtheit überzeugende Frische.
Sonderkategorie GerambRose – Klassiker
Haus Fischer, Grundlsee
Planung: Arch. DI Konrad Frey mit Arch. DI Florian Beigel
Bauherrschaft: Jutta und Wolfgang Fischer
Die Bauherren-Familie wünschte sich ein Ferienhaus und beauftragte im Jahr 1972 die befreundeten Architekten mit der Planung. Diese interessierten sich besonders für die konstruktiv-geometrischen sowie energietechnischen Aspekte des Bauens. Die finanziellen Mittel, die zur Verfügung standen, waren begrenzt, umso besser traf es sich, dass Konrad Frey während der Planungsphase Mitarbeiter am Institut für Umweltforschung in Graz geworden war und daher Forschungs- und Fördergelder lukriert werden konnten.
Ziel der Architekten war die Entwicklung einer Konstruktion, die maximales Volumen bei minimalem Materialbedarf und minimaler Biegebeanspruchung unter Berücksichtigung der damals noch mit 450 kN/m2 zu berechnenden Schneelast gewährleistete. Für eine Holzkonstruktion entschieden sie sich aufgrund ökologischer sowie in der regionalen Baukultur begründeter Motive. Unterstützt vom Bauingenieur Ted Happold entwickelten sie ein druck- und zugbelastetes räumliches Stamm-Ast-System.
Neben der Materialminimierung spielte auch die Energieersparnis eine große Rolle und so wurde das Haus Fischer zum ersten „Sonnenhaus“ Österreichs: Entlang der Südwand erstreckt sich eine massive, dunkle Speicherwand, die verglast ist und dazu dient, die Sonnen- in Wärmeenergie für die Warmwasserspeisung der Fußbodenheizung umzuwandeln. Am Dach gab es aus Heizkörpern gebastelte Solarkollektoren. Ausrichtung, Gebäude- und Dachform berücksichtigen einerseits den Landschaftsbezug, andererseits den Sonnenstand im Jahreslauf hinsichtlich Beschattung im Sommer und Lichteinfall im Winter. Auch die Materialwahl hatte Pioniercharakter: Die Fassade besteht aus französischem Kistensperrholz, die Dachhaut aus grünen Bitumenschindeln. Die Räume im Inneren sind gleichermaßen liebevoll wie unkonventionell konzipiert.
Das Energiekonzept hat sich nicht bewährt und kleine Adaptierungen wurden im Lauf der Zeit vorgenommen. Im Gesamtbild blieb das Haus jedoch erhalten und wird nach wie vor von den Bauherren bewohnt und gepflegt. Es verkörpert Innovationsgeist und Experimentierfreudigkeit in jeder Hinsicht und ist das Ergebnis einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den energietechnischen Fragestellungen, die heute mehr denn je virulent sind, weshalb die Jury dem Haus Fischer den Preis GerambRose-Klassiker zuerkennt.
Es ist geplant, die prämierten Projekte im kommenden Jahr wieder in einer Wanderausstellung in den steirischen Regionen zu zeigen und dabei die Prozesse des Planens, Bauens und Erhaltens von qualitätsvoller Architektur im Sinne einer lebenswerten Umwelt in allen Bevölkerungsgruppen und -schichten zu vermitteln.
JurorInnen
Dr. Arch. Gerd Bergmeister
bergmeisterwolf architekten, Brixen
Prof.in Arch.in DIin Helga Blocksdorf
Helga Blocksdorf Architektur, Berlin
Professorin an der Technischen Universität Braunschweig
Mag.a DIin Eva Guttmann
Mitglied im Beirat des Vereins BauKultur Steiermark, Graz
Vorsitzende der Ortsbildkommission Steiermark
DI Gustav Spener
Vorstandsmitglied im Verein BauKultur Steiermark, Graz
Präsident der Kammer der ZiviltechnikerInnen Steiermark und Kärnten
Prof. Arch. DI Much Untertrifaller (Juryvorsitzender)
Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT GmbH, Bregenz
Honorarprofessor an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz
Preisträger GerambRose 2020
Prof.in Dr.in Arch. Michaela Wolf
bergmeisterwolf architekten, Brixen
Professorin an der Technischen Hochschule Rosenheim
Fotos: Schreyer David
Kategorie: Nachrichten, News, Projekte