Zwischen New York und Hongkong – Warehouse HM
Warehouse HM / Hongkong / Lim + Lu
Das Leben in Hongkong ist teuer, die Lebenserhaltungskosten zählen zu den höchsten der Welt und der verfügbare Wohnraum ist knapp. Das exotische Flair der Stadt steht im Beliebtheitsgrad nicht weit hinter New York mit seinen Loftwohnungen. Warum also nicht eine Symbiose der beiden Metropolen anstreben und ein altes Lagerhaus nehmen, es umbauen und zu einem zeitgemäßen und schicken, architektonisch interessanten Ort gestalten?
So oder so ähnlich waren die Gedanken eines weit gereisten Ehepaares, das beide Städte kannte, in New York gelebt hatte und sich in Hongkong niederlassen wollten. Sie beauftragten das interdisziplinär arbeitende Büro von Lim + Lu mit dem Design ihrer neuen Bleibe. Diese liegt nun etwas abgeschieden auf der Südseite der Halbinsel Hongkong, verborgen hinter der Hektik der Stadt und einer Ansammlung von Industriegebäuden. Die Auftraggeber sind ein tierliebendes Paar mit fünf Haustieren, einer Menge Hobbys, die sich vor allem auf Back- und Kochworkshops konzentrieren, sie sammeln Kunst und hatten eine Menge Möbel von ihren Weltreisen und vorherigen Wohnungen zu verstauen.
Das jetzige, 242 m2 umfassende Domizil war vorher ein Lagerraum. Die Bauherren wollten den rohen, puristischen Eindruck der Räume erhalten und ersuchten die Designer, den Ort in ein Familienheim samt genügend Platz für die gesammelten Erinnerungsstücke ihres Lebens zu transformieren. Gleichzeitig sollten Räume für kreative Workshops entstehen. Die beiden Designer waren der Auffassung, dass der Charakter und die Persönlichkeit der Bewohner sich auch in der Architektur wiederfinden und auch deren Geschichte erzählen sollte. New York ist sicherlich ein Platz, der stärkste Eindrücke hinterlässt, so auch für das multinationale Ehepaar, die in vielen Ländern gelebt hatten, bevor sie sich endgültig in Hongkong niederließen. Also sollte das Gefühl, der „Spirit“ und die Atmosphäre von Manhattan auch hier spür- und sichtbar werden. Im Kontext sollte die Wohnung aber auf Hongkong Bezug nehmen.
In einer Zeit, in der die Neubautätigkeit immer weiter zurückgeht, ist das Restaurieren von alten Räumen ein interessanter Geschäftszweig für Innenarchitekten und Designer. Außen eine alte Lagerhalle und innen das perfekte Loft – so präsentiert sich das Projekt der Designer Lim + Lu in Hongkong. Auf 242 m2 werden Architektur und Raum aus New York spürbar, beim Blick durch die Fenster ist man auf einmal in Hongkong gelandet.
Das Ergebnis zeigt eine gelungene Mischung: ein sorgfältiger Umgang mit den Elementen der umgebenden Industriebauten genauso wie mit den Bedürfnissen und der Geschichte der Auftraggeber. Der Loftcharakter der offen liegenden Leitungen, die teilweise rot lackiert an der Decke schweben, der grobe Farbauftrag an den Wänden, Stahlbetonträger und Metallfenster – all das macht die Wohnung unverwechselbar und authentisch. Westliche und östliche Kultur(en) treffen hier aufeinander und verbinden sich harmonisch. Wenn man im Inneren ist und nicht aus den Fenstern schaut, wird man in ein Loft der Lower East Side von Manhattan transportiert. Schaut man hinaus, ist man sofort mit Hongkong verbunden. Die Idee des New Yorker Lofts in Hongkong mag zwar unüblich oder „strange“ erscheinen, aber sie fügt sich perfekt in die reale industrielle Umgebung ein.
Ursprünglich war das Lagerhaus ein komplett offener Raum, ohne jegliche Wände oder Abteilungen, mit den Fenstern nur an einer Seite. Lim + Lu begegneten dieser Herausforderung mit einer speziellen Strategie: Sie teilten den Grundriss in zwei Hälften, in privat und öffentlich. Nachdem man durch ein altersschwaches eisernes Fabrikstor, das unberührt aus früheren Zeiten übernommen wurde, die Räumlichkeiten betreten hat, gelangt man in ein minimales Vestibül mit einzig einer Bank und einem Schuhkasten. Zieht man eine schwarze Metallschiebetür zur Seite, gelangt man in den Raum für Mal-Workshops und zum Abstellbereich. Um die Privatbereiche des Klienten zu schützen, hat es den Anschein, als wenn weiter nichts in der Einheit wäre als dieser Workshopraum. Aber das ist nur der erste Eindruck. Bei genauerem Hinsehen kann man durch ein Fenster am hinteren Ende des Raumes einen Blick in die „verborgenen“, privaten Bereiche erhaschen.
Der Gegensatz ist augenscheinlich, außen Hongkong und innen New York. Dem entspricht auch das Interiordesign.
Nach dem Beiseiteziehen einer weiteren schwarzen Schiebetüre aus Metall öffnet sich ein geräumiger, lichtdurchfluteter Wohnraum, wie man ihn kaum in Hongkong vermutet oder findet. Hier findet durch die vielen Fensteröffnungen die direkte Verknüpfung mit Hongkong statt. Da die Auftraggeber sehr sozial denkende und handelnde Menschen sind, die es lieben für andere zu kochen und Gäste einzuladen, sind die öffentlichen Bereiche – wie Workshop und Küche, in denen Veranstaltungen stattfinden, nächst dem Eingang gelegen. Die intimeren Bereiche, wie Schlafzimmer und Bad, sind am Ende der Wohnung, am weitesten vom Eingang entfernt, situiert. Und da es in der privaten Hälfte der Wohnung keine Fenster gibt, bauten die Designer Stahl- und Glasschiebetüren ein, um Tageslicht ins Schlafzimmer und ins Bad zu bringen. Wenn alle Schiebetüren komplett geöffnet sind, verbinden sich der private und der öffentliche Teil zu einer Einheit.
Ein Highlight ist sicherlich das Bad: Trotz minimalistischem Aufwand ist hier ein großzügiger und ansprechender Raum geschaffen worden, der keine Wünsche offen lässt.
Warehouse HM
Hongkong, China
Bauherr: privat
Planung: Lim + Lu
Grundstücksfläche: 242 m2
Bebaute Fläche: 242 m2
Planungsbeginn: 04/2017
Bauzeit: 4 Monate
Fertigstellung: 08/2017
Baukosten: 62.800 Euro
Hongkong ist eine sogenannte Sonderverwaltungszone und ehemalige britische Kolonie im südöstlichen China. Mit über sieben Millionen Einwohnern auf 1104 Quadratkilometern und einem bedeutenden Wirtschafts- und Finanzsektor zählt Hongkong zu den Weltstädten. 95 Prozent der Einwohner Hongkongs sind chinesischer Abstammung mit überwiegend kantonesischer Muttersprache. Das Bevölkerungswachstum und die geringe bebaubare Fläche Hongkongs führten zu großflächiger Landgewinnung durch Aufschüttung im Meer und zur Entstehung einer Skyline aus Wolkenkratzern. Das lebendige, dicht besiedelte Stadtzentrum ist ein wichtiger Hafen und ein Finanzzentrum mit einer von Wolkenkratzern geprägten Skyline.
Fotos:©Nirut Benjabanpot
Kategorie: Projekte