Zwei Villen am Ammersee – ATP sphere

13. Mai 2011 Mehr

Zwei Villen am Ammersee - ATP sphere

Es ist eine Inszenierung, die die ideale Kulisse für einen Krimi mit Othmar Fischer als „bulligen“ Kommissar abgeben würden: Elegant, offen und doch versteckt, die spiegelnde Wasseroberfläche eines Swimmingpools in einer wunderbaren Landschaft eingebettet – in Bayern eben. Die Gemeinde Inning am Ammersee liegt am nordöstlichen Ufer des gleichnamigen Sees in direkter Nachbarschaft zum viel prominenteren Starnberger See, im Süden Münchens.

Gut erschlossen durch die A96 befindet sich die Innenstadt Münchens nicht weit entfernt. Die Nähe zur Metropole ist hier aber nicht spürbar, alles zeigt sich sehr ländlich, konservativ und natürlich – verschlafen. Die beiden Häuser am Ammersee, die in ihrem Erscheinungsbild schon zeigen, dass die Bewohner zwei Brüder sind, haben bis zu ihrer Genehmigung (knappe zwei Jahre) viel Mühe und Überzeugungsarbeit gekostet. Überzeugungsarbeit, die von einem engagierten und überzeugten Bauherrn geleistet wurde – gemeinsam mit dem Architekten.
Am Anfang derartiger Projekte steht immer der Ort. Einer der beiden Brüder wurde auf der Suche nach einem Grundstück hier am Ammersee fündig – durch Zufall. Das Grundstück war jedoch für ein Gebäude zu groß. So wurde es geteilt, und der Bruder vermittelt dem anderen die zweite Hälfte.
Zwischen den beiden Gebäuden gibt es keinen Zaun, aber auch keine demonstrierte Gemeinsamkeit. Die beiden Villen stehen gleichberechtigt nebeneinander auf dem langen, schmalen Grundstück, das rund 80 Meter vom Ostufer des Ammersees entfernt liegt.

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Lage

Großzügige Wohnhäuser (Villen) verstecken sich zumeist in der Tiefe der meist auch großzügigen Grundstücke. Das Vorfeld ist dabei oft geprägt durch pompöse Auffahrten und feingliedrige Toranlagen. Privatheit und Demonstration von Besitz sind dabei Zeichen der Macht, zwar meistens dezent aber dafür umso eindringlicher.
Im Falle der Häuser für die beiden Brüder wird das Ganze umgekehrt. Die Baukörper, aus sich heraus eher schlank und lang, sind für alle Vorbeigehenden wahrnehmbar. Ihre Schlankheit verrät aber nichts über ihre eigentliche Größe. Die Toranlage und die natürlich nicht ganz kleinen Garagen bilden einen Filter, eine Grenze und lassen aber Blicke in das Grundstück zu.
Ganz bewusst ist der Raum zwischen den Garagen und der Toranlage und den eigentlichen Eingangsbereichen als öffentlicher Park gestaltet; man will, dass man reinschaut. Es gibt nichts zu verbergen, der Status ist klar, es wird nicht damit kokettiert. Ein Teppich aus anthrazitfarbenen Kieseln verbindet innen und außen, keine Wege, nur eine Fläche, die ein ganz besonderes Gehgefühl (unglaublich aber wahr: stöckelschuhtauglich) vermittelt: weich und mit einer ganz eigenen Akustik.
Die Eingangsbereiche sind bewusst aus dem Teppich aus Kieseln herausgehoben, und nach dem Betreten der Häuser wird der Besucher/Bewohner entlang einer leicht nach oben führenden Rampe in die Wohn-/Essbereiche geführt. Spätestens hier nimmt man wahr, warum die Häuser so lang gestreckt sind – es geht um die Beziehung zum See.

Zugang

Dadurch, dass die beiden Häuser auf der dem See zugewandten Seite eigentlich recht kleine Gärten „übrig lassen“, kann der See ins Haus geholt werden. Die leichte Erhöhung der Erdgeschoßebene hebt den Wohnbereich so weit aus dem Grundstück, dass die Präsenz des Sees noch verstärkt wird. Es sind nur 40 cm, aber dadurch sitzt man wie auf einem minimalen Podest und kann im Sitzen den See erblicken. Trotz seiner Entfernung wird er so gegenwärtig und sozusagen ins Haus geholt. Die Außenansichten und Fassaden der Villen sind klassisch modern: Große Glasflächen, gepaart mit klaren weiß verputzten Beton- und Mauerflächen. Innen dominiert auch die Farbe Weiß. Hinterleuchtete Nischen und Vorsprünge gliedern die Wandflächen und geben dem Auge des Betrachters die nötige Orientierung. Und überall „fließt“ durch die großzügigen Öffnungen die Natur und der See ins Haus hinein.

Innere Werte

Die Raumfolgen in beiden Häusern nehmen auf den Ort und die Bedürfnisse der Bewohner Rücksicht. Atrien und Durchbrüche nach oben und nach unten verstärken die vertikale Beziehung. Da alle diese Bewegungen durch Glas oder Wandscheiben unterbrochen werden, bleiben die Beziehungen rein visuell, schaufenstergleich und – auf den ersten Blick – nutzlos. Jedoch können Raumgefüge und Flächen so betrachtet werden, ohne in funktionale Zusammenhänge zu verfallen – das ist die eigentliche Großzügigkeit. Ein Gang wird so zum Raum. Ein Atrium zur Halle. Der Austausch von Raumteilen zwischen Obergeschoß und Erdgeschoß verbindet und trennt gleichzeitig, vor allem aber gibt er den einzelnen Nutzungsbereichen ihren eigenen Charakter.
Es gibt keine exakt abgegrenzten Räume, eher Orte in einem Kontinuum, das aber gleichzeitig entdeckt werden will – es will und soll begangen und benutzt werden. So werden die Häuser zum Erlebnis, zum Ort des Wohnens und des Lebens.

Zwei Villen am Ammersee

Inning/Deutschland, Bayern

Bauherr: Jürgen und Uwe Glatzmaier
Planung: Lph 1-4, künstlerische Oberbauleitung: Sphere GmbH
Mitarbeiter: Marc Eutebach, Pia Zobl
Statik: Boll und Partner, Stuttgart
Grundstücksfläche: 1.800 m²
Bebaute Fläche: 280 m²
Nutzfläche: 620 m²
Planungsbeginn: 2006
Bauzeit: 18 Monate
Fertigstellung: Mai 2010
Baukosten: 2,2 Mio. Euro

Zwei Villen, die zwar am selben Grundstück stehen, aber trotzdem eine jeweils dem Bewohner zugeordnete eigene Privatheit und Abgeschlossenheit zeigen. Fast klassisch modern anmutende Fassaden und Raumwirkungen: Fließende Räume, klare Flächen innen und außen, viel Weiß und viel Glas, gepaart mit edlen und doch zurückhaltenden Einrichtungen. Beide Gebäude nehmen Bezug zum See, und durch ein geschicktes Spiel der Ebenen wird dieser fast ins Haus geholt.

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Kategorie: Projekte