Transparenz und Sicherheit
Sicherheitsvorkehrungen für den Eiffelturm / Paris / Dietmar Feichtinger Architectes
Sicherheit gehört zu den wesentlichen Faktoren lebenswerter Städte. In Paris haben Dietmar Feichtinger Architectes nun den Nahbereich des Eiffelturms mit seinem kleinen Park durch schusssichere Glaswände, Sicherheitsschleusen und einen Cortenstahlzaun gegen unterschiedliche Bedrohungsszenarien gesichert.
Sieben Millionen Besucher drängen jedes Jahr zum Eiffelturm. Ob auf einem Selfie am Fuß des Turmes mit ausländischen Touristen im Vorder- und Hintergrund, oder (nach zwei Stunden Wartezeit) ganz oben – der Besucherandrang ist enorm. Seit besucherstarke Destinationen in den letzten Jahren wiederholt zum Ziel terroristischer Anschläge wurden, sind die Sicherheitsvorkehrungen im städtischen Raum insgesamt gestiegen. Die französischen Behörden haben nun strenge Auflagen für den Besuch des Wahrzeichens erlassen und so wurde ein internationaler Wettbewerb zur Verstärkung der Schutzmaßnahmen ausgerufen. Dietmar Feichtinger Architectes haben ihn für sich entscheiden können und das Ergebnis kann sich zwar sehen lassen, ist aber eher unsichtbar.
Dass ein Architekt etwas entwirft und baut, bei dem er öffentlich betonen muss, dass es in der Realität kaum sichtbar sein wird, ist schon merkwürdig und im Widerspruch zum Gedanken der Stararchitektur. Dietmar Feichtinger ist eben anders und er hat das schon oft durch seine feinen, auch metaphysisch begründeten, meist sehr „stillen“ Architekturen bewiesen. Das hier beschriebene Projekt ist auch leise.
Der Eiffelturm symbolisiert die französischen Grundwerte: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Inwiefern diese Werte mit einer kugelsicheren Abgrenzung, Sicherheitskontrollen und Verboten übereinstimmen können, muss sich jeder Bürger selbst beantworten. Dem Wunsch der Behörden nach der Sicherheit für die Besucher des Wahrzeichens jedenfalls, werden in diesem – 2018 fertiggestellten – Architekturprojekt zwei über 200 Meter lange und drei Meter hohe, schusssichere Glaswände gerecht. Das 72 Millimeter starke, aus sechs Schichten bestehende Hochsicherheitsglas ist ohne Rahmen ausgebildet und nur im Boden eingespannt. So wirken die Wände leicht und transparent, lassen auch die Sichtwinkel der städtebaulichen Achse von der Ecole Militaire bis zum Palais de Trocadéro frei und der Eiffelturm wirkt wie immer. Die Verbindungen der einzelnen Glasscheiben sind mit einfachen, rechteckigen Nirostaprofilen verdeckt, an ihnen ist – außerhalb der menschlichen Reichweite – auch die Beleuchtung in ebenso rechteckigen Behältern samt der Überwachung angebracht. Die Glasscheiben ragen noch ein Stück über die Verbindungsprofile hinaus, wie wenn sie sich im Himmel auflösen wollten und können deshalb nicht leicht überklettert werden. Zusätzlich haben die Glaswände einen den Lärm abweisenden Effekt. Als Aufprallschutz wurden an den Rändern der Gehsteige am Quai Branly und der Avenue Gustave Eiffel feststehende Poller zum Schutz vor Amokfahrten montiert.
Neben diesen Maßnahmen ist auch der Zugang zum Eiffelturm neu organisiert. Er ist nunmehr nur nach dem Passieren einer Sicherheitsschleuse und durch den Landschaftsgarten, der vom Schweizer Landschaftsarchitekten Vogt entsprechend neu gestaltet wurde, möglich. Man gelangt an der Schmalseite des Parks in das abgesperrte Gelände und muss dann den Park durchwandern. Der kleine Spaziergang kann auf das große Erlebnis einstimmen. Der Eintritt in den Park erfolgt beidseitig durch je sechs nebeneinander liegende Sicherheitsschleusen aus Glas. Je zwei Sicherheitskräfte kontrollieren die Besucher, es ist wie am Flughafen. Eine zarte Stahlstruktur hält die Schleusen und trägt auch ein über ihnen liegendes Glasdach. Die Wegführung im Inneren des Parks ist genau vorgeschrieben: Drahtzäune und seitliche Metallbügel am Boden umschließen die Pfade und ein Zaun aus Cortenstahl das Gesamtgelände.
Die Cortenstahl-Elemente des Zauns sind exakt 324 cm hoch – und damit genau ein Prozent der Höhe des Eiffelturms. Auch in der Formgebung referieren sie an die Silhouette des Turms: An der Basis breiter und stabiler, läuft der Zaun nach oben hin auf eine „Spitze“ zusammen. Dieses in zwei Meter breiten Stücken vorgefertigte, schwer bekletterbare Zaunelement wirkt fragil, transparent und keineswegs störend, es harmoniert mit der umgebenden Natur. Unten ist der Zaun, der auch an etwas Organisches erinnert, durch ein dichtes Metallgewebe verstärkt. Er ist auf Streifenfundamenten befestigt, dezent beleuchtet und wird ebenfalls überwacht. Jeweils am Ende dieses ovalen Zaunbogens sind auch die Ausgänge integriert, wieder als runde Glasdrehtüren, von ebensolchen Glasdächern vor der Witterung geschützt.
Ein wesentliches Kriterium bei den Schutzmaßnahmen war es, die Sichtverbindung, welche sich durch die Achse zwischen dem Palais de Trocadéro und der Ecole Militaire ergibt, ungehindert zu belassen. Ebenso wie die Neuaktivierung des kleinen Landschaftsgartens am Fuße des Turmes. Dem österreichischen, in Paris lebenden Architekten ist es gelungen, die Sensibilität und das Gefühl für derart feine Einzelheiten umzusetzen und damit sowohl die auf Sicherheit bedachten französischen Behörden als auch die Befürworter einer möglichst ungehinderten Sicht auf das Pariser Baudenkmal zu überzeugen. Feichtinger betonte bei der Präsentation des Projektes auch, dass sämtliche Maßnahmen – sollte sich die aktuelle Bedrohungslage ändern – im Sinne der Nachhaltigkeit wieder rückbaubar sind.
Sicherheitsvorkehrungen für den Eiffelturm
Paris, Frankreich
Bauherr: Ville de Paris und SETE (Société d´exploitation de la Tour Eiffel)
Planung: Dietmar Feichtinger Architectes
Landschaftsplanung: Vogt Landscape
Grundstücksfläche: 41.290 m2
Bebaute Fläche: 108 m2, 631 m Glaswand, 225 m Cortenzaun, 67 neue Bäume
Planungsbeginn: 02/2017
Fertigstellung: 12/2018
Fotos: David Boureau
Kategorie: Projekte