Textil-Twist

1. Juni 2022 Mehr

Lang Vonier Architekten realisierten mit Gantner Instruments IV in Schruns bereits das vierte Projekt für den Prüf- und Messgerätehersteller. Nach der Errichtung der Firmenzentrale, einer Erweiterung und einem Innenumbau gestalteten die ebenfalls in der Vorarlberger Gemeinde ansässigen Planer nun einen kompakten Anbau. Dieser tanzt mit seiner textilen Fassade subtil aus der Reihe und sorgt so für einen dynamischen Twist.

 

Textilfassade Gantner Instruments

 

Gantner Instruments legte großen Wert darauf, dass der Unternehmenssitz nicht nur räumliche Anforderungen erfüllt, sondern auch zur Firmenphilosophie passt. Bereits der längliche Haupttrakt wurde deshalb so gestaltet, dass er wachsen und sich flexibel an neue Bedürfnisse anpassen kann. Im Zuge der vierten Erweiterung dockt jetzt ein schlichter Kubus an den Bestand an. Der Neubau beinhaltet über drei Etagen verteilt Labor- und Versuchsräume im Erdgeschoss sowie Büro- und Arbeitsflächen in den oberen Bereichen, die sich rund um einen Erschließungskern mit zentralem Oberlicht anordnen. Der Zugang zum Annex erfolgt ausschließlich über eine Brücke im ersten Stock vom Hauptgebäude aus. Dieses bleibt mit seiner zentralen Treppe und der Gemeinschaftszone weiterhin das Herzstück des Headquarters. Wie auch der Riegelbau ist das neue Volumen orthogonal zur vorbeiführenden Straße positioniert und hat die gleiche Breite, steht jedoch leicht versetzt ein paar Meter weiter innen am Grundstück. Der quadratische Anbau ist in Stahlbeton ausgeführt. Anders als beim bestehenden Gebäude – wo der Beton außen konventionell gedämmt, verputzt und abschließend rundum mit einer Fassade aus Metalllamellen verkleidet wurde – entschieden sich die Architekten hier für einen anderen Ansatz: Sie ließen den grauen Sichtbeton außen sichtbar und kombinierten ihn mit einer innenliegenden Schaumglasdämmung, die mit Gips verspachtelt wurde. Die Oberfläche ergibt leicht angeschliffen eine raue, lebendige Struktur. Lediglich vereinzelte, neuralgische Stellen hydrophobierte man.

 

 

Die Außenansichten umhüllt in den oberen zwei Dritteln des Baukörpers eine textile Fassade. Sie setzt sich aus drei Streifen zusammen, die das Volumen horizontal umschließen. Als Unterkonstruktion für die Membranen dient ein Stahlrahmensystem. Rechteckige Formrohre verbinden die Stahlbügel mit den Fassadenprofilen, in denen die Bahnen eingespannt sind. Da die vorgehängte Struktur im Grundriss um vier Grad verdreht wurde, variiert der Abstand zwischen den beiden Schichten der Gebäudehülle. Diese leichte Rotation verleiht dem Annex­bau nicht nur eine gewisse Dynamik, sondern hat zudem konstruktive Gründe: An den Berührungspunkten befestigte man den Stahlrahmen an den Betonwänden. Über die Ansichten zieht sich eine schwarz-weiße Punktewolke, die je nach Blickwinkel dichter oder lockerer wirkt und auf einem Luftbild der Region basiert. Das Konzept für das abstrahierte Muster entstand gemeinsam mit der Grafikagentur Sägenvier aus Dornbirn. Besonders spannend fanden Lang Vonier Architekten den Effekt der transluzenten Gebäudehülle, die sich je nach Licht und Tageszeit verändert: Während sie von außen tagsüber eher geschlossen erscheint, macht sie den Bau nachts zum diffusen Leuchtkörper. In den Innenräumen nimmt man die Membran hingegen kaum wahr. Dort lässt sie Blicke nach draußen nahezu uneingeschränkt zu, schützt aber gleichzeitig vor Sonne und Blendung. Besonders erfreulich: Trotz etwas höherer Kosten setzte man beim gesamten Projekt auf Regionalität und wählte für Planung und Umsetzung ausschließlich lokale Unternehmen.

 

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: Lang Vonier Architekten

 

Kategorie: Projekte