Sport hinter bunten Gläsern
Die Türkei ist anders – im Gegensatz zu Westeuropa und Nordamerika, wo die Moderne das Ergebnis eines sich über viele Jahrhunderte erstreckenden gesellschaftlichen, kulturellen und künstlerischen Prozesses war, hatte sie hier eher den Charakter eines nationalen Projekts. Und dieses Projekt war in sich widersprüchlich, denn man verfolgte zwei schwer zu vereinbarende Ziele: die Türkei dem Westen anzugleichen und sie zugleich von ihm zu differenzieren.
Die moderne Architektur in der Türkei zeigt heute viele Einflüsse und Gesichter, die Architekten haben viel gelernt und so entstehen sehr interessante Bauten. Zum Beispiel die Eissporthalle in Kayseri, entworfen von BKA – Bahadir Kul Architects.
Kayseri ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in Kappadokien, diese Architektur würde man jedoch eher in einer mondänen europäischen City vermuten. Sie ist 9 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und befindet sich in einem 10.000 m2 großen Areal, wobei öffentliche Transportmittel wie Auto, Minibus, Bus und Eisenbahn den Einwohnern von Kayseri die Möglichkeit bieten, einfach und bequem zu einer sportlichen Betätigung zu gelangen.
Die Eislaufbahn mit einer Größe von 2.000 m2 besteht aus zwei Ebenen, einer Grundebene und einem Mezzanin. Die Gesamtfläche bietet – wenn sie nicht zur Gänze von der Eisfläche belegt ist – auch Platz für öffentliche (Veranstaltungen) und soziale Funktionen.
Die Kunsteisbahn mit Ausmaßen von 30 x 15 Meter ist an zwei Seiten von Sitzreihen umschlossen, auf der Dritten von den Umkleidekabinen und Nasszellen, an der vierten Seite trennt eine Glaswand sie von einem Kinderbereich ab. Im Café auf der eingeschobenen Zwischenebene kann man mittels Monitor die Eislauffläche betrachten. Diese Plattform ist über Stiegen zu betreten und stellt einen halb offenen, aber schlüssig mit der Gesamtstruktur verbundenen Bereich dar. Das Dach, das sich weiter in Richtung des mit einer gewellten Glaswand versehenen Eingangs erstreckt und darüber hinaus auskragt, schließt die organischen Formen zu einer perfekten Rechteckform ab. Durch diese klare, geometrische Form werden die amorphen Teile und Öffnungen erst so richtig sichtbar. Die organisch geformten Säulen aus Korian im Eingangsbereich und die amorphen Lichtöffnungen in den Außenwänden stellen eine gedankliche Referenz an Wasser, Eis, Aggregatzustände und Veränderungen dar. Der Architekt wollte mit diesen Zeichen auch an Umweltprobleme, speziell unseren Umgang mit der Ressource Wasser erinnern. Farbige Gläser in den Öffnungen machen deutlich, dass das Gebäude jedoch eigentlich der Unterhaltung und dem Sport dienen soll. Die Glasflächen sind aus Zweischeiben-Sicherheitsglas mit einer einlaminierten, farbigen Folie aus PVB (Polyvinylbutyral). Die Farben machen die Fassaden dynamischer, dabei steht Gelb für die Sonne, Blau für das Wasser, Grün für die Natur, Rot für Vorsicht und Purpur für die Kinder.
Eissporthalle
Kayseri, Türkei
Bauherr: Greater Municipality Kayseri
Planung: BKA – Bahadir Kul Architects
Statik: Emre Istikam
Grundstücksfläche: 2.600 m2
Bebaute Fläche: 1.698 m2
Nutzfläche: 1.859 m2
Planungsbeginn: 2009
Bauzeit: 2012 – 2013
Fertigstellung: 2013
Baukosten: 1,1 Mio. Euro
Architekt Bahadır Kul
Der 1979 in der Türkei geborene Architekt Bahadır Kul zählt sicherlich zu der neuen Architektengeneration im Land. Seit der Gründung seines Ateliers 2003 gibt es bereits einige aufsehenerregende Realisationen und Publikationen von und über ihn. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt heute vor allem in der öffentlichen Architektur und im ‚Urban Design‘. Sein Büro beschäftigt mittlerweile 50 MitarbeiterInnen in Istanbul, Kayseri und Bagdad und versucht mit seinen Projekten einen Mehrwert für die Nutzer zu schaffen.
Text: Peter Reischer
Kategorie: Projekte