Material schafft auch Kunst – ARTCOR

18. Oktober 2019 Mehr

Material schafft auch Kunst – ARTCOR Creative Center / Chisinau / Maxim Calujac

Ein Kunst- und Kulturzentrum ist an und für sich schon etwas Besonderes, zumindest für Kunstbeflissene. Wenn aber dann bei der Architektur auch noch mit den verschiedensten Oberflächen und Materialien gespielt wird, wenn der Architekt offensichtlich sehr sensibel mit Räumen, Wirkungen, Verschränkungen und dem Kontext umgegangen ist – kann man schon von einem Erlebnis sprechen. So geschehen bei ARTCOR, dem neuen Kreativzentrum in Chisinau, Republik Moldau (ehem. Moldavien), entworfen von Architekt Maxim Calujac. Man kann an diesem kleinen Beispiel sehen, dass im „Osten“ gute, sehenswerte Architekturen entstehen, die nicht unbedingt Produkte einer Exportarchitektur europäischer Stars sind. Alles angesichts der Betonprovokationen, die als einzigartige, architektonische Aushängeschilder aus den letzten zwei Jahrzehnten der UdSSR in diesen Ländern vor sich hingammeln.

 

ARTCOR Creative Center

Ein kleines, aber feines Bauwerk als Kulturzentrum in Chisinau, Moldau hat Architekt Maxim Calujac entworfen. Die Mischung verschiedenster Materialien und Oberflächen bietet trotz einer großen Vielfalt einen sehr einheitlichen Rahmen für Kunst und Veranstaltungen und der Baukörper fügt sich auch in den Kontext ein.

 

Das ARTCOR – Creative Industries Center befindet sich im Zentrum der Stadt im Hof der Art Academy (AMTAP) und soll ein Katalysator für die Entwicklung der Kreativindustrie Moldaus werden und sein. Die räumliche Lösung des Baus ist von seiner Lage, der Grundstücksform, einem architektonischen Denkmal aus dem späten 19. Jahrhundert und den Nachbargebäuden bestimmt. In einem Teil des Akademiehofes befanden sich ein verwahrlostes Lager und ein Schuppen – diese konnten abgerissen werden, um ca. 300 m2 zusätzlichen Platz für öffentliche Nutzungen zu schaffen. Das Kulturzentrum setzt sich jetzt aus einem neuen Gebäude mit 400 m2 und einem Teil mit 450 m2, der im bestehenden Akademiegebäude untergebracht ist, zusammen.

Im Neubau in der Hofmitte ist eine Mischung aus kulturellen und geschäftlichen Nutzungen untergebracht, der zweite Stock bietet hier Platz für Workshops und junge Startups. Die Dachflächen präsentieren sich als grüne Terrassen mit einem Zugang über die Stiegen und Sitzstufen des Open-Air-Auditoriums, das sich an der Längsseite des Körpers in die Höhe erstreckt. Der links davon liegende Flügel des um 1950 errichteten Akademiegebäudes, beinhaltet in seinem ersten Stock die Räume für Workshops, eine Bibliothek für diverse Medien und Versammlungsräume. Zusätzlich hat Architekt Calujac – durch Oberlichten belichtete – Bereiche für Verwaltung, ein Buchgeschäft und einen Designstore untergebracht. Die Räumlichkeiten für die Musik (ein Aufnahmestudio und Proberäume) sind im renovierten Untergeschoss situiert.

Die Herausforderung des Projektes bestand darin, den historischen Background so gut wie möglich zu erhalten und gleichzeitig einen kreativen Mix von Nutzungen, Baukörpern, Ansichten und Orientierungspunkten zu ermöglichen. Durch die Transformation des Hofes in einen öffentlichen Raum ist eine aktive, neue, urbane Zone geschaffen worden. Sie ist für alle Besucher zugänglich und auch das begehbare, grüne Dach stellt eine Bereicherung im städtischen Kontext dar. Das Gesamtenvironment wird durch die Begrünung und seine Wirkung als „Kunstraum“ betont, die Gestaltung des öffentlichen Platzes wirkt fast wie eine bewusste Kunstinstallation: Statt, mit den üblichen Rigolen aus Edelstahl sind die Entwässerungsrinnen und Steifen einfach mit Kieselsteinen gefüllt. Dieser einfache Trick erfüllt genauso seine Wirkung und wirkt ästhetisch. Zusätzlich bringen diese Rinnen mit Kieselsteinen eine gestalterische Note in die Betonflächen des Hofes.

Vom Eingang erblickt man auf der Stahlbetonwand des Neubaus die Skulptur „The Knowledge Tree“, diese als Relief aus Beton gestaltete Wand symbolisiert die menschliche Natur und stellt den Ursprung der Entwurfsidee dar (laut Architekt Calujac). Die Konstruktion des Körpers stellt sich als Stahlbetonbau, teilweise umhüllt von einer Fassade aus Cortenstahl, dar. Auch diese rostfarbenen Platten sind gestaltet, teilweise geschnitten oder mit Mustern versehen – sehr überlegt. Die Innenräume werden auch von der Struktur des Stahlbetonbaus geprägt, der Versammlungsraum besitzt eine Kassettendecke aus Beton, die Wände und anderen Decken sind aus teilweise gefärbtem Sichtbeton. Möbel und Teile der Deckenbeleuchtung sind vom Architekten speziell für das Projekt entworfen worden und die Böden durchgehend aus glatt gestrichenem Estrich mit Versiegelung.
Bei der Gestaltung der dekorativen Elemente im Inneren hat Calujac eng mit den Studenten, Künstlern und Professoren der Akademie zusammengearbeitet und die Mischung aus Stahlbeton, Sperrholz, Holz, Steinmauern und Glas mit den unterschiedlichsten Oberflächengestaltungen ist durchaus als gelungen zu bezeichnen. Erstaunlich ist auch das geringe verwendete Budget von nur 350.000 Euro für das Gesamtprojekt.

 

ARTCOR – Creative Center
Chisinau, Republik Moldau

Bauherr: COR Creative Industries Association Moldova
Planung: Maxim Calujac
Mitarbeiter: Irina Dubinschi, Anton Brenici
Statik: Anatol Butnaru

Grundstücksfläche: 890 m2
Bebaute Fläche: 215 m2
Nutzfläche: 850 m2
Planungsbeginn: 2017
Bauzeit: 2 Jahre
Fertigstellung: 2019
Baukosten: 350.000 Euro

 

Plan-ACTOR

 

Fotos:©Volker Kreidler, Ivan Bezvusceac

Text:©Peter Reischer

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Kategorie: Projekte