Kontrastreiche Komposition

15. März 2025 Mehr

Roh und beschichtet, geradlinig und geschwungen, leicht und massiv, zart und robust – das Glen Iris House von Pandolfini Architects überrascht mit einem subtilen Feuerwerk an Formen, Farben, Oberflächen und Texturen. Mit seiner abwechslungsreichen Materialpalette steckt das Wohnhaus voller Kontraste und raffinierter Details und wird so im Süden Australiens zum einzigartigen Zuhause für eine fünfköpfige Familie.

 

 

Das Wohnhaus befindet sich in Glen Iris, dem namensgebenden Vorort von Melbourne auf dem Land der Boonwurrung und Woiwurrung – zweier Kulin-Stämme, die zu den indigenen Völkern Australiens zählen. In einer von Bäumen gesäumten Straße nutzte das Planerteam ein rechteckiges Grundstück optimal aus. Drei gestaffelt angeordnete, pavillonartige Volumen folgen dort dem leichten Gefälle: Den Anfang bildet ein zweigeschossiger Baukörper mit dem Haupteingang, den privaten Bereichen der Familie sowie einem geschützten Autostellplatz. Darauf folgt ein langgezogener, offener Wohnraum, der als Zentrum und gemeinschaftlicher Mittelpunkt des Hauses fungiert und in nördlicher Richtung reichlich Platz für einen großzügigen Außenbereich mit Terrasse und Pool lässt. Im hinteren, tieferliegenden Teil der Parzelle komplettiert schließlich ein letzter Trakt mit einer Oldtimer-Garage und -Werkstatt das bauliche Trio. Verbunden werden die einzelnen Gebäudeteile jeweils über verglaste Durchgänge.

 

 

Langlebigkeit trifft Wohnlichkeit

Der Entwurf basiert auf Wunsch der Auftraggeber auf zwei zentralen Parametern: Zum einen sollten langlebige, strapazierfähige Materialien zum Einsatz kommen. Zum anderen wünschten sich die Bauherren ein Zuhause, das voller unerwarteter Wendungen steckt und wie eine unbekannte Landschaft zum Entdecken einlädt. Inspiriert von diesen Vorgaben entwickelten die Architekten das Wohnhaus als spannende, materielle Rundreise, bei der an jeder Ecke kleine Überraschungen und unerwartete Details warten. Von außen besteht das Glen Iris House aus drei natürlichen und wartungsarmen Hauptmaterialien: grobkörnigem Sichtbeton, terrakottafarbenen Ziegeln und grünem vorpatiniertem Kupfer. Diese wählte man aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit und, weil sie das Haus über die Jahre hinweg „würdevoll altern lassen“ würden. Die Palette im Inneren bildet mit weicheren Werkstoffen einen spannenden Kontrast dazu: Holz, Stein und Putz schaffen in den Wohnbereichen ein Gefühl von Wärme und Komfort.

 

 

Ziegel & Kupfer

Der vordere, zweistöckige Baukörper setzt sich formal aus zwei aufeinander gestapelten Boxen zusammen. Während die obere Etage in Ziegel ausgeführt wurde, legt sich im Erdgeschoss – in Anlehnung an die Vorgärten der Wohngegend – eine grün-patinierte Kupferhülle vor die nach Westen ausgerichtete Hauptfassade. Mit ihren Stäben filtert die leichte Außenhaut die einfallenden Sonnenstrahlen und kreiert in den Schlafzimmern eine gemütliche Atmosphäre. Die Ziegel des oberen, zur Straße hin auskragenden Volumens wurden vertikal verlegt und jeweils um 45 Grad verdreht. Daraus ergibt sich eine gezackte Oberfläche, die spannende Lichtspiele auf die Ansichten zaubert.

 

 

Beton, Holz & skulpturale Akzente

Ein verglaster Korridor führt von den privaten Bereichen weiter in den Haupttrakt mit Satteldach, den die Architekten selbst als „Wohnzimmer-Scheune“ bezeichnen. Im Gegensatz zur Ziegelkonstruktion im Eingangsvolumen wird dieser Bereich von sichtbaren Betonrippen geprägt, die den offenen Raum zonieren. Zwischen die Sichtbetonelemente fügt sich hier ein Interieur aus amerikanischem Eichenholz ein. Das Naturmaterial schmiegt sich in Form von zarten Lamellen an die Deckenuntersichten und kam bei sämtlichen Einbauten und Möbeln zum Einsatz. Dazu kombinierte man Böden aus Travertin-Stein und Putz­oberflächen. Große Fenster bringen reichlich Tageslicht ins Innere und bieten zugleich die Möglichkeit zur Querlüftung. Außerdem verstärken sie den Bezug zum Garten und lassen Innen- und Außenraum verschmelzen. Skulpturale Elemente sollen den multifunktionalen Koch-Ess-Wohnbereich aufbrechen und ihm zusätzliche Struktur verleihen. Dazu gehört neben einer abgerundeten Kücheninsel und einem auffälligen Kamin in der Mitte des Raumes auch eine geschwungene Treppe.

 

 

Getrennt und doch verbunden

Über ein paar Stufen gelangt man schließlich im hinteren Teil des Hauses hinunter in die großzügige Garage mit reichlich Platz für die Oldtimer-Sammlung des Bauherrn.

Besonders begeistert zeigt sich Dominic Pandolfini selbst von den kleinen Glaskuben, welche die drei Pavillons miteinander verbinden. „Diese Erschließungszonen kommen ohne künstliche Beleuchtung aus. Man verlässt ein Volumen und es wirkt fast so, als würde man in die Natur hinausgehen, bevor man den nächsten Baukörper betritt“, beschreibt der australische Architekt die Übergänge zwischen den drei Gebäudeteilen. Auf diese Weise werden die einzelnen Funktionen des Glen Iris House nicht nur räumlich, sondern auch durch unterschiedliche Formen und Materialien sanft voneinander getrennt.

 

 

Bis ins kleinste Detail

Raffinierte Details runden das Design des Hauses ab: So verstecken sich beispielsweise in den Korridoren nahezu unsichtbar integrierte Türen und ganze Räume wie Badezimmer, Haustechnik und Büro hinter den mit Holzlatten ausgeführten Wänden. Mit zahlreichen Bögen zieht sich ein auffälliges, geometrisches Motiv durch das gesamte Wohnhaus. Dieses entwickelte sich laut Angaben der Planer erst im Zuge des Entwurfsprozesses im Austausch mit den Auftraggebern. Die Kurven und Wölbungen sollen die massiven Materialien und mächtigen Bauteile auflockern und den Räumen Leichtigkeit sowie einen verspielten Touch verleihen. Gemeinsam mit der Innenarchitektin Lisa Buxton gelang es Pandolfini Architects mit diesen Maßnahmen, die unterschiedlichen Gebäudeteile trotz aller Gegensätze zu einer stimmigen Gesamtkomposition zusammenzufügen, in der die Bewohner – selbst wenn der Alltag eingekehrt ist – immer wieder aufs Neue auf Entdeckungsreise gehen können.

 

 

Glen Iris House
Glen Iris, Melbourne

Bauherr: Privat
Planung: Pandolfini Architects
Statik: Meyer Consulting
Innenarchitektur: Lisa Buxton Interiors
Landschaftsplanung: Mud Office

Fläche: 600 m2
Planungsbeginn: 09/2020
Bauzeit: 14 Monate
Fertigstellung: 08/2022
Baukosten: $ 3.410.115 + GST (AUD)

www.pandolfini.com.au

 

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: Rory Gardiner

Kategorie: Projekte