Ganz schön hoch oben!

29. August 2014 Mehr

Gletscher mit futuristischer Berghütte.

Mit 5642 Metern ist der erloschene Gletschervulkan Elbrus der höchste Berg Europas und einer der ‚seven summits‘. Er wird auch kleine Antarktis genannt, denn seine enorme Eisfläche beträgt 144 Quadratkilometer und mehr als 70 Gletscher fließen von den Gipfeln ins Tal.
Heutzutage besteigen jährlich etwa 1000 Alpinisten erfolgreich den Gipfel – im Gegensatz dazu gibt es jedes Jahr Dutzende Tote am Berg, das Rekordjahr war 2004 mit 48 Opfern! Der Grund der hohen Todeszahlen liegt am unberechenbaren Wetter, denn eine plötzliche Wetterverschlechterung mit Temperaturstürzen bis -30°C begleitet von starkem Wind und Nebel sind keine Seltenheiten. Dabei verlieren die Bergsteiger die Orientierung und erfrieren oder verirren sich in Spaltenzonen. Seit einigen Jahren ist deshalb der Normalweg alle 50 m mit Fähnchen markiert, seit dem gingen die Todeszahlen etwas zurück.

Futuristische Berghütte bei Tag.

Eine weitere Erleichterung für diesen Adrenalin- oder Sensationstourismus ist nun durch das auf der Südflanke des Berges in 4.000 Meter Höhe errichtete LEAPrus 3912 Eco-Hotel entstanden. Wobei Hotel vielleicht eine etwas zu hoch gegriffene Bezeichnung, für diese jedoch sehr anständig und elegant eingerichtete Bergunterkunft ist. Entworfen wurde sie vom in Turin, Italien ansässigen Büro LEAPfactory und seit September 2013 ist sie für das Publikum geöffnet. Da die klimatischen Bedingungen in diesem Gebiet (halbwegs zwischen Schwarzem Meer und Kaspischer See) bekannt extrem und unfreundlich sein können, ist es kein schlechter Platz um sein Leben zu retten. Der ‚North Caucasian Mountain Club‘ (NCMC) – eine russische Gesellschaft, die für die Entwicklung des Tourismus in den Bergregionen des Kaukasus zuständig ist – hat diesen ersten Schritt einer kompletten Neuorganisation der bisherigen Biwaks und Beherbergungen am Elbrus in Auftrag gegeben. Die gesamte Region hat nämlich großes touristisches Potenzial: Die unerschlossenen, einsamen Naturlandschaften und die historienbeladene Geschichte der hier lebenden Völker bilden den Mittelpunkt des Interesses für den Fremdenverkehr.

Der Komplex aus vier einzelnen Modulen ist an der normalen Aufstiegsroute zum Gipfel situiert. Er liegt am riesigen Südgletscher, ein paar Hundert Meter vom historischen Biwak ‚Priut 11‘, das in den 90ern durch ein Feuer zerstört und nie wieder aufgebaut wurde, entfernt. Die neue Unterkunft besteht aus vier, komplett vorfabrizierten Teilen. Sie wurden in Italien, durch LEAPfactory gefertigt und dann nach Russland transportiert. Die Installation auf den Hängen des Elbrus fand an wenigen (nur 20) Tagen im Juli 2013 statt. Die Module wurden mit Helikoptern hinaufgeflogen und von einem Team hoch spezialisierten Technikern der Firma zusammengefügt. (Sehen Sie auch Film auf unserer Homepage: HYPERLINK „https://www.architektur-online.com“ www.architektur-online.com). In den ersten Septembertagen, nachdem die finale Inbetriebnahme der Technik stattgefunden hatte, wurde die Unterkunft eröffnet. Die Anlage enthält 49 Schlafplätze, einen Wohnbereich, Restaurant mit Küche, eine Rezeption und Personalräume in den LEAPs1 Einheiten. In der LEAPs2 Einheit sind die Toiletten, Duschen, die biologische Kläranlage und die hoch komplizierte Technik untergebracht.
Die verwendeten Materialien sind äußerst dauerhaft und es wurden nur die modernsten Technologien in Hinblick auf die umweltbezogene Nachhaltigkeit verwendet. Bestmögliche Leistung bei Energieeffizienz und Komfort waren die Anforderungen an die Architektur. Zusammen mit einem Maximum an Selbstversorgung auf dem höchsten Berg Europas. Die Außenhüllen widerstehen den härtesten Klimabedingungen, in ihren Wänden sind Fotovoltaik-Filmfolien eingebaut, die die einzelnen Module netzunabhängig mit aller notwendigen Energie versorgen können. Die Baukörper haben fast keinen Bodenkontakt – sie stehen auf Stützen – somit wurde auch der Eingriff in die Natur minimiert.

Aufenthaltsraum mit Tischen und Stühlen. Mehrbettzimmer mit Schlafkojen.

Die hocheffiziente Struktur der Hülle ermöglicht eine drastische Reduktion des Energieverbrauches für Beleuchtung, Heizung, Lüftung und die Warmwasserbereitung. Ein Monitoringsystem überwacht und kontrolliert sämtliche angeschlossenen Geräte. Es gibt ein hybrides ‚stand-alone‘ System für die Energieerzeugung, ein Lüftungssystem mit Energierückgewinnung, LED Lampen, eine Unterfußbodenheizung, die auch bei sehr niedrigen Außentemperaturen arbeiten kann. Ferner eine Schneeschmelze für die Wassergewinnung, ein Abwassersystem, das speziell entworfen wurde, um in großen Höhen die fast komplette Abgabe von Giftstoffen in die Umwelt zu vermeiden.
Das Gesamtsystem kann auch per Satellit kontrolliert und gemanagt werden, um eine Betreuung über das ganze Jahr zu gewährleisten.

Aufenthaltsraum mit Tischen und Stühlen. Waschbecken und Toilletten in der Berghütte.

Die Inneneinrichtung und das architektonische Design der Einheiten sind einzigartig in einer Reihe von Architekturen, die für große Höhenlagen errichtet wurden. Es gibt eine starke visuelle Beziehung mit der umgebenden Landschaft, nicht zuletzt durch die großen Glasfenster an den jeweiligen Enden der Module. Die Einrichtung hat Eleganz, Funktionalität und Langlebigkeit und bietet den Nutzern echten Komfort für diese Höhenlage.

Illustratorgrafik der Berghüttenanlage am Mount Elbrus.

LEAPrus 3912
Mount Elbrus, Kaukasus, Russland

Bauherr North Caucasian Mountain Club
Planung Luca Gentilcore, Stefano Teste
Statik Luca Olivari, Andrea Bruzzone
Nutzfläche 180 m2
Planungsbeginn 11/2012
Bauzeit 01/2013 – 05/2013
Fertigstellung 06/2013

Text: Peter Reischer
Fotos: LEAPfactory archive

 

 

 

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Kategorie: Projekte