Energie im Norden – Powerhouse Brattørkaia
Energie im Norden – Powerhouse Brattørkaia / Trondheim / Snøhetta
Im hohen Norden zeigt Snøhetta wieder einmal vor, welche Schritte zur Bewältigung der Klimakrise durch die Architektur gesetzt werden können. Das Bürogebäude Powerhouse Brattørkaia in Trondheim ist das weltweit nördlichste Gebäude, das weit mehr Energie erzeugt als es verbraucht. Es dient als kleines Kraftwerk für die ganze Umgebung.
In Skandinavien werden gewaltige Anstrengungen unternommen, um Architektur nachhaltig zu gestalten, den Energieverbrauch und die Nutzung von nicht erneuerbaren Ressourcen zu verringern. Snøhetta hat nun das Powerhouse Brattørkaia eröffnet – es ist das nördlichste Plusenergiegebäude der Welt.
Im Hinblick auf die ständig wachsende Weltbevölkerung und die Vergrößerung der Klimakrise ist das ein sehr interessanter Schritt, um hochqualitativen Wohn- und Arbeitsraum für Menschen zu gestalten und gleichzeitig den Verbrauch der Ressourcen zu verringern. Dieses Projekt soll neue Maßstäbe für die Architektur von Morgen setzen: Ein Gebäude, das mehr Energie produziert, als es in seinem Lebenszyklus (60 Jahre) inklusive Konstruktion und Abbruch verbraucht.
Für dieses Projekt haben die Architekten auch ein neues Mantra geprägt: Die Industrie sollte nicht mehr nach „form follows function“, sondern nach „form follows environment“ streben. Das sollte als Richtlinie für eine Architektur der Zukunft gelten. Das bedeutet, dass unser heutiges Designdenken sich eher auf Umweltüberlegungen beziehen sollte und danach trachten, hauptsächlich den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.
Das Powerhouse Brattørkaia steht in Trondheim, Norwegen, einer Gegend, in der das Sonnenlicht sehr starken saisonalen Schwankungen unterworfen ist. Das bot eine einzigartige Gelegenheit für die Architekten, über die „Ernte und Lagerung“ von Sonnenenergie unter diesen herausfordernden Bedingungen nachzudenken.
Das 18.000 m2 Nutzfläche beinhaltende Bürogebäude steht beim Hafen und ist an seinem hinteren Ende über eine Fußgängerbrücke mit dem Hauptbahnhof verbunden. Die Hafenseite ist die schmalste Ansicht des Hauses und bewirkt so eine maßstäbliche Ähnlichkeit mit den Nachbarhäusern. Da sie mit Aluminium- und Solarpaneelen verkleidet ist, spiegelt sich in ihr der angrenzende Trondheim Fjord.
Im Durchschnitt erzeugt das Powerhouse Brattørkaia zweimal mehr Strom, als es an elektrischer Energie pro Tag verbraucht. Der Überschuss wird den Nachbargebäuden und auch den Elektrobussen der Stadt, E-Autos und Booten über ein lokales Netzwerk zur Verfügung gestellt. Diese Architektur setzt damit einen bemerkenswerten Schritt, qualitative Räume zu bauen und durch Vorbildwirkung, statt durch Regeln und Gesetze, für eine bessere Zukunft zu wirken.
Der ellipsenförmige Lichthof sorgt für Tageslicht in jeder Ebene der Architektur. Gleichzeitig wird so Ausblick und Freifläche für die Nutzer geschaffen.
Das Projekt verfolgt drei Strategien: Die Menge an sauberer Energie – produziert vom Gebäude selbst – zu maximieren, die notwendige Betriebsenergie zu minimieren und als angenehmer Raum für die Mieter, Nutzer und die Öffentlichkeit zu funktionieren. Der Bauplatz ist danach ausgesucht, den größtmöglichen Sonneneintrag zu bekommen, tagsüber und auch saisonal. Das abgeschrägte Dach des pentagonalen Körpers und der obere Teil der Fassade sind mit ca. 3.000 Quadratmeter Solarpaneelen belegt. Sie sind strategisch dermaßen angeordnet, dass sie möglichst viel Energie ernten. Im Jahr sind das ungefähr 500.000 kWh saubere, erneuerbare Energie. Der Bau wirkt so wie ein kleines Kraftwerk mitten in der Stadt.
Die Architektur ist extrem energieeffizient und beinhaltet eine Reihe von Technologien, die den Energieverbrauch drastisch reduzieren. Es gibt intelligente Lösungen um Heizenergie zu sparen, wie etwa Wärmerückgewinnung aus der Lüftung und aus dem Grauwasser (alles außer den Toiletten). Meerwasser wird zum Heizen und Kühlen verwendet und alle Beleuchtungskörper und elektrischen Anwendungen sind energiesparend. Das Tageslicht wird durch die architektonische Gestaltung optimiert und so der Kunstlichtbedarf minimiert. Begleitet werden diese Maßnahmen von einer höchstmöglichen Isolierung des Gebäudes.
Das Belüftungssystem liefert angenehm temperierte und immer saubere Luft für alle Innenräume, entsprechend dem milden und feuchten Klima von Trondheim. Die Luft wird in Bodennähe mit niedriger Geschwindigkeit eingelassen, während die Abluft zentral in den Stiegenschächten durch Unterdruck bewerkstelligt wird. Die Struktur der Architektur enthält auch eine Betonkernaktivierung (mit einem Ökobeton natürlich), sie wirkt über strategische Ausschnitte in den Geschossdecken. Die Betonmasse mit ihrer Trägheit hilft, die Temperatur in den Räumen ohne zusätzliche Energie oder Elektrizität zu regulieren.
Vom Hafen aus betrachtet, streben die seitlichen Fassaden auseinander und sollen so den Eindruck verstärken, das Gebäude explodiere vor Energie. Von der anderen Seite aus (Rückseite) führt die fünfeckige, geneigte Dachfläche zu einem zentralen ellipsoiden Innenhof hin. Durch diesen gelangt das Tageslicht in die Büroräume. Dieses beleuchtete Herz ist ein Atrium, welches als öffentlicher Garten dient, mit Glasflächen an seinen Seiten und durch Oberlichte gelangt weiter Naturlicht in die darunterliegende Kantine. Der Lichthof ermöglicht die Tageslichtzufuhr in jeder Ebene der Architektur und gewährt den darin Arbeitenden auch einen Ausblick in den Himmel und in den oberen Ebenen auf die Stadt. Auch wird so der Bedarf an künstlicher Beleuchtung limitiert und eine angenehme Arbeitsumgebung entsteht. Um den Strombedarf für die Beleuchtung weiter zu verringern, hat das Gebäude eine intelligente Lösung mit der Bezeichnung „liquid light“ installiert. Sie sorgt für ein stufenloses Dimmen der Lichter, je nach Belegung und Bewegung im Haus. Alles zusammen wird so nur ungefähr die Hälfte der Energie eines vergleichbaren, herkömmlichen Bürobaus benötigt.
Im Powerhouse Brattørkaia gibt es Büros für eine Vielfalt von kommerziellen Mietern, Konstruktionsfirmen, Schiffsbau und auch einen öffentlichen Bereich. Ein Café und ein Besucherzentrum sind im Erdgeschoss untergebracht. Letzteres ist für die Bevölkerung wie auch für Schulklassen zugänglich und erklärt das Konzept des Hauses, seinen Energieverbrauch und will so auch pädagogisch zur Nachhaltigkeit beitragen.
Dieses Gebäude wurde mit der höchsten BREEAM Zertifizierung ausgezeichnet und am 30. August 2019 offiziell eröffnet.
Powerhouse Brattørkaia
Trondheim, Norwegen
Bauherr: Entra ASA
Planung: Snøhetta
Nutzfläche: 17.800 m2
Solarfassade: 981 m2
Solardach: 1.886 m2
Fertigstellung: 09/2019
Baukosten: 42,7 Mio. Euro
Fotos:©Ivar Kvaal
Kategorie: Projekte