Eine moderne Betonburg
Glebe House / Sydney / Nobbs Radford Architects
Es hat den Anschein, die Wände des Hauses in Sydney/Australien, das von den Nobbs Radford Architects entworfen und gebaut wurde, seien einen Meter dick – zumindest an der Rückseite. Von vorne gesehen ist es ein schlichter, viktorianischer Ziegelbau in einer Straße mit lauter solchen Bauten. Die Familie, die darin wohnte, benötigte mehr Wohnraum, deshalb entschloss sie sich zu einem Zubau, der sich nun in den hinteren Teil des langen, schmalen Grundstückes erstreckt.
Ein Kriterium des Auftraggebers war, dass sich der Neubau auf die vorhandene Architektur beziehen sollte. Beton wurde als Rahmen gebendes Material gewählt und der Bau stellt nun eine sehr mutige Neuinterpretation von Struktur, Materialität und Elementen der viktorianischen Zeit dar. Die schmalen Öffnungen der viktorianischen Originalfassade sind in ähnlichen Proportionen und Formen in der neuen Architektur wieder zu finden. Die Betonung der Vertikalität erinnert an die ursprüngliche Befensterung der vergangenen Zeit. Dabei führt der Sichtbeton nur die Massivität der ursprünglichen Ziegelmauern weiter und gleichzeitig eine neue Materialität in den Bau ein. Trapezförmige Betonfertigteile ermöglichen es, die Fenster so weit nach innen zu setzen, dass eben dieser – vorhin erwähnte – burgähnliche Eindruck entsteht. Diese Betonelemente in ihrer massiv wirkenden Ausführung schaffen so etwas wie einen Anker oder Schlusspunkt für die Längsausdehnung der Architektur. Diese Massivität wird in der Innenansicht jedoch aufgehoben – hier ergeben sich in den dicken Wänden Nischen und Stauräume.
Der Grundgedanke des Entwurfes war, ein Zuhause für eine Familie mit Kindern und Erwachsenen mit all ihren Bedürfnissen, wie Rückzug und auch Dialog, zu schaffen. Die Architektur konzentriert sich nicht vordergründig auf die Verbindung mit den Außenräumen, sondern auf eine ‚Innensicht‘ von geschützten, miteinander verbundenen Bereichen, die durch Öffnungen und Sichtbeziehungen geschaffen und bestimmt werden. Die sichtbaren Betonelemente kontrastieren mit dem Holz als verwendetes Material für den Innenraum und diese Holzflächen definieren wiederum auch die verschiedenen Zonen und Funktionen im Inneren des Hauses.
Die Aufteilung im Erdgeschoss ist völlig offen gehalten: Eine Bar für das Frühstücken teilt die Küche vom Aufenthaltsbereich mit einem Bereich für den Esstisch. Eine hölzerne Stiege, mit in der Wand eingeschobenen Trittstufen, führt zu einer Zwischenebene mit einem Arbeitsbereich, von dem aus man die untere Ebene überblicken kann. Im Obergeschoss befindet sich ein neues Schlafzimmer mit Verbindung zu einer Dachterrasse.
Wesentliche Teile des Gebäudes sind aus einschaligen Betonelementen gefertigt. Sie wirken mit ihrer thermischen Masse und Langlebigkeit mit an der Temperierung des Gebäudes. Thermisch wurde das Gebäude an einem 3D Modell durchgerechnet und getestet. Die Verwendung von Beton brachte die Architektur wesentlich näher an den Punkt einer Performance, wo man auf doppelte Verglasungen verzichten konnte. Das ist natürlich auch im milden Klima Australiens begründet. Schmale Öffnungen an der Westseite tragen auch zur Minimierung des sommerlichen Wärmeeintrages bei.
Die ergänzenden Materialien bestehen aus nahezu 15 Meter langen, in einem Stück gefertigten Fußbodenbrettern, schwarzem Aluminium bei den Außenfenstern und -türen, rostfreiem Stahl und Eiche. Die Holzböden stammen aus einem – der Verwandtschaft des Eigentümers gehörenden, – Sägewerk, haben eine FSC und PEFC Zertifizierung, sind mit Seifenlauge behandelt und haben einen Emissionsgrad E0.
Diese Auswahl zieht sich durch das ganze Ensemble (alt und neu) und schafft so einen Zusammenhang der beiden, aus verschiedenen zeitlichen Abschnitten stammenden Bauten. Teilweise sind diese Materialien deshalb gewählt, um nicht mit dem vorhandenen, ornamentalen Zierart des Altbaus zu konkurrieren.
Glebe House
Sydney, Australien
Bauherr: Privat
Planung: Nobbs Radford Architects
Statik: Patridge Structural
Grundstücksfläche: 490 m2
Nutzfläche: 250 m2
Planungsbeginn: 2010
Bauzeit: 14 Monate
Fertigstellung: 12/2013
Baukosten: 1,8 Mio. AUD
Vorne viktorianischer Ziegelbau mit Stuckdecken, hinten burgähnliche Betonarchitektur – so präsentiert sich das Wohnhaus, das Nobbs Radford Architects in Sydney für einen privaten Bauherrn entworfen haben. Eine gelungene Mischung und gleichzeitig Kontrastierung unterschiedlichster Materialien kennzeichnet die Architektur.
Text: Peter Reischer
Fotos: Murray Fredericks
Kategorie: Projekte