Ein Beitrag zur Konfliktvermeidung
Der Wiener Praterstern markiert seit fast 250 Jahren den Eingang zum Praterareal. In den letzten 60 Jahren wurde er mehrfach umgestaltet. Der vorläufig letzte Umbau fand im Sommer 2022 seine Fertigstellung. Leitbild war die Maximierung der Grünbereiche, Vermeidung von Verdrängung und die Schaffung eines lebendigen urbanen Platzes.
Bevor der Wiener Prater 1766 durch Kaiser Joseph II für das gemeine Volk geöffnet wurde, war der sechs Quadratkilometer große Auwald ausschließlich der Kaiserfamilie für die Jagd vorbehalten. Über den Fugbach, der den Unteren Werd vom Prater trennte, führte damals die Praterbrücke. 1780 wurde der Bach zugeschüttet und die Brücke, die dem Ansturm der Bevölkerung nicht gewachsen war, wurde abgerissen. Der an dieser Stelle 1781 angelegte Praterstern bildete den Knotenpunkt für die seit 1538 bestehende Hauptallee sowie die Praterstraße, damals Jägerzeile genannt. Gemeinsam mit den zur selben Zeit wie der Praterstern errichteten Verkehrsadern Nordbahn-, Lasalle-, Heine- und Ausstellungsstraße sowie der Verbindungsallee (heute Franzensbrückenstraße) entstand ein strahlenförmiges Wegesystem mit einem Halbkreisradius von rund 171 Metern, dessen Mittelpunkt dort lag, wo vorher ein Tor auf der Praterbrücke den Eingang zum Prater markiert hatte. 1886 wurde genau in der Mitte der Pratersterns das Denkmal für Wilhelm von Tegetthoff, den Kommandeur der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine, platziert.
Ideenfindung
1955 wurde der Praterstern grundlegend umgebaut, der 1959 neu errichtete Bahnhof 2007 nach Plänen von Albert Wimmer erneuert. 2010 begann nach einem Entwurf von Boris Podrecca die nicht unumstrittene Umgestaltung des stadteinwärts gelegenen Vorplatzes. Kritisiert wurden unter anderem die Stahlrohre der Pergola auf dem Vorplatz, die eigentlich begrünt werden sollten, was aber nicht geschah. Im Jahr 2019 schrieb die Stadt Wien ein zweistufiges Bieterverfahren aus, eine „Ideenfindung zur Attraktivierung und Bespielung des Pratersterns“, das die Architektengruppe KENH gemeinsam mit D&D Landschaftsarchitektur für sich entscheiden konnte.
Kleine Interventionen, große Wirkung
„Wir haben verstanden, dass ganz kleinmaßstäbliche Eingriffe großmaßstäbliche Konsequenzen haben können. Beim Praterstern haben wir über kleine Interventionen eine Fläche von 28.000 Quadratmetern beeinflusst“, erzählte Eric-Emanuel Tschaikner von KENH Architekten im Interview (siehe „People“, Ausgabe 2024) über das Projekt. Kleine Interventionen hätten das gesamte Areal auf einer Fläche von 28.000 Quadratmetern aufgewertet.
Leitbild der Umgestaltung des Wiener Pratersterns war für die Architekten die Maximierung der Grünbereiche und die Schaffung eines lebendigen urbanen Platzes, der auf die Bedürfnisse diverser Nutzergruppen Rücksicht nimmt. Tiefgreifende Verbesserungen der Aufenthaltsqualität sollten das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen auf dem Platz stärken. Mit dem Wasserspiel beim Tegetthoff-Denkmal als kühlendes und luftreinigendes Element versuchten die Planer, der Hitzebildung auf dem Platz vorzubeugen. Die knapp 500 Quadratmeter große Sprühanlage greift die Charakteristik des ursprünglichen Pratersterns auf, wie er bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg existierte: Genauso wie die Straßen des damaligen städtischen Schnittpunkts weisen die Arme des Wasserspiels in die Richtungen von bedeutenden Sehenswürdigkeiten und Naherholungsgebieten in Wien. Kühlende Strahler, Sprinkler und Vernebler wechseln sich je nach Temperatur und Jahreszeit ab und können bei Bedarf ausgeschaltet werden.
Lärmschutz und Sitzmöglichkeiten
Eine 2,5 Meter breite und leicht erhöhte Einfassung mit Pflanzbeeten entlang der umlaufenden Fahrbahnen fungiert als psychologischer Lärmschutz. Gepflanzt wurden robuste hitze-, trockenheits- und streusalzbeständige Ziergräser und Halbsträucher in bänderartigen Formationen, deren Farben über das Jahr wechseln.
Der Baumbestand am Praterstern wurde im Zuge der Umgestaltung verdoppelt. Baumeinfassungen aus Beton, die dem Schutz der Bäume und Pflanzen dienen, wurden von den Planern selbst entwickelt. Die sogenannten Pratoide folgen der elliptischen Form des Pratersterns, sie dienen den Passanten als Sitzmöglichkeiten im Schatten und werden in der Nacht von unten beleuchtet, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen. Die voneinander abgewandt angeordneten Sitzschalen lassen vielfältige Sichtbeziehungen zu.
Umbau Praterstern
Wien
Auftraggeber: Stadt Wien, vertreten durch die MA 19 – Architektur und Stadtgestaltung
Planung: ARGE Praterstern
KENH Architekten ZT GmbH und
D\D Landschaftsplanung ZT KG
Planungsbeginn: 2019
Bauzeit: 2021 bis 2022
Grundstücksfläche: 28.000 m2
Grünflächen inkl. Kies: 8.000 m2
Rasen und sickerfähige Wege: 1.300 m2
Baumbepflanzung: 101 Stück
Wasserspielfläche: 488 m2
Text: Roland Kanfer
Fotos: Theresa Wey
Kategorie: Projekte