Der „Sanddollar“ als Prinzip

9. November 2011 Mehr

Der „Sanddollar“ als Prinzip

Letztes Jahr war es die Seeanemone (Heft 7/10), heuer ist es der Seeigel. Auch im Sommersemester 2011 realisierten das Institut für Computerbasiertes Entwerfen (ICD) und das Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart wieder einen temporären bionischen Versuchsbau aus Holz. Dieses Jahr erforschte das Projekt die Übertragung biologischer Strukturbildungsprinzipien der Plattenskelette von Seeigeln in die Architektur mittels neuartiger computerbasierter Entwurfs- und Simulationsverfahren sowie computergesteuerter Fertigungsmethoden für deren bauliche Umsetzung.

Der „Sanddollar“ als Prinzip

Im Rahmen der Analyse biologischer Strukturen wurde die Morphologie des Plattenskeletts des „Sanddollars“, einer Unterart der Seeigel (Echinoidea), betrachtet, die Grundprinzipien für die später realisierte bionische Baustruktur lieferte. Die Schale des Sanddollars hat einen modularen Aufbau aus polygonalen Platten, die an den Plattenrändern durch fingerähnliche Kalzit-Projektionen miteinander verzahnt sind. Und so können Fingerzinken, die in der traditionellen Holzbearbeitung formschlüssige Verbindungen ermöglichen, als das herstellungstechnische Pendant zu den Kalzit-Projektionen des Sanddollars verstanden werden.

Der „Sanddollar“ als Prinzip

Auf Grundlage dieser Analyse wurde die Morphologie des Plattenskeletts von den Studierenden auf den Entwurf eines Pavillons übertragen. Drei Plattensegmente laufen stets an einem Punkt zusammen, ein Prinzip, welches biegetragfähige, wenn auch verformbare Strukturen ermöglicht, obwohl an den Fugen nur Normal- und Schubkräfte, jedoch keine Biegemomente übertragen werden können.

Der „Sanddollar“ als Prinzip

Im Gegensatz zu klassischen Leichtbauweisen, welche nur auf belastungsoptimierte Formen angewendet werden können, ist das neue Konstruktionsprinzip auf beliebige Tragwerksgeometrien anwendbar. Voraussetzung für den Entwurf, die Planung und Realisierung der komplexen Morphologie des Pavillons ist eine geschlossene digitale Kette vom Entwurfsmodell über Finite-Elemente-Simulationen bis hin zur Maschinenansteuerung. Formfindung und Tragwerksplanung sind dabei eng verzahnt.

Der „Sanddollar“ als Prinzip

Durch einen optimierten Datenaustausch ist es möglich, die komplexe Geometrie wiederholt in ein Finite-Elemente-Programm einzulesen, mechanisch zu analysieren und zu modifizieren. Parallel dazu wurden die Keilzinkenverklebungen und die geschraubten Verbindungen experimentell geprüft und die Ergebnisse in den statischen Berechnungen berücksichtigt.

Der „Sanddollar“ als Prinzip

Der Pavillon wurde trotz seiner beachtlichen Abmessungen durchweg aus nur 6,5 mm dünnen Sperrholzplatten realisiert und musste daher vor allem gegen Abheben durch Windsog gesichert werden.

Der „Sanddollar“ als Prinzip

Projekt Team

Institut für Computerbasiertes Entwerfen – Prof. Achim Menges
Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen – Prof. Dr.-Ing. Jan Knippers  
Kompetenznetz Biomimetik Baden-Württemberg

Der „Sanddollar“ als Prinzip

Konzept & Entwurfsplanung

Oliver David Krieg, Boyan Mihaylov

Der „Sanddollar“ als Prinzip 

Ausführungsplanung und Realisierung

Peter Brachat, Benjamin Busch, Solmaz Fahimian, Christin Gegenheimer, Nicola Haberbosch, Elias Kästle, Oliver David Krieg, Yong Sung Kwon, Boyan Mihaylov, Hongmei Zhai

Der „Sanddollar“ als Prinzip

Wissenschaftliche Leitung

Markus Gabler (Projektleitung), Riccardo La Magna (Tragwerksplanung), Steffen Reichert (Konstruktion), Tobias Schwinn (Projektleitung), Frédéric Waimer (Tragwerksplanung)

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Kategorie: Projekte