Alle im selben Boot
Mit dem Floating Office realisiert das holländische Architekturbüro Powerhouse Company seine Vision vom Arbeitsplatz der Zukunft. Das nachhaltige Büroschiff aus Holz ist als autarkes Plusenergiegebäude ausgeführt und CO2-negativ. Damit verkörpert es im Rotterdamer Hafenbecken schwimmend nicht nur die Werte seiner Nutzer, sondern trotzt auch den Folgen des Klimawandels.
Ein 08/15-Büro kam für das Global Center on Adaptation nicht infrage. Die internationale NGO mit Sitz in den Niederlanden beschäftigt sich unter anderem mit Lösungen zur Eindämmung des Klimawandels und wünschte sich für ihr Headquarter ein Gebäude, welches diese Philosophie widerspiegelt. Diese Herausforderung nahm das Planerteam ernst: Nach dem Motto „Leinen los!“ verlegte es das Projekt aufs Wasser und entwarf ein dreigeschossiges Büroboot. Im Rijnhaven, einem der ältesten Häfen der Nieuwe Maas, liegt dieses nun in Rotterdam vor Anker. Dort wird es völlig energieautark zum Paradebeispiel für resilientes, klimaresistentes Bauen und trägt zudem zur Wiederbelebung des Gebiets um den ehemaligen Industriehafen bei.
Als Skelettbau ist die Firmenzentrale zur Gänze in Holz gefertigt. Lediglich die Unterkonstruktion aus 15 Pontons besteht aus Beton. Die Leimbinder sowie die vorgefertigten Brettsperrholzelemente beruhen auf einem regelmäßigen Raster von 6 x 6 m. Heiz- und Kühldecken garantieren das ganze Jahr über ein angenehmes Raumklima auf allen Ebenen und verdecken die technischen Installationen im Inneren. Der Bauprozess stellte für alle Beteiligten eine spannende Herausforderung dar und hatte gleichzeitig Einfluss auf den Entwurf: Da man die Pontons auf dem Wasserweg in Position bringen musste, bestimmte eine Brücke am Eingang des Rijnhaven die maximalen Dimensionen des Gebäudes. Die übrigen, vorfabrizierten Gebäudeteile brachte man ebenfalls per Boot zum Hafen und montierte diese anschließend dank modularer Bauweise in kürzester Zeit. All das trug weiter zur positiven Energiebilanz des Projektes bei.
Durch die Materialwahl senkte man nicht nur den CO2-Fußabdruck auf ein Minimum, sondern berücksichtigte im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft den gesamten Lebenszyklus der Struktur. Bei Bedarf lässt sich das Gebäude einfach demontieren und an anderer Stelle wieder aufbauen oder recyceln. Das energetische Konzept macht sich die natürlichen Ressourcen des unkonventionellen Bauplatzes zunutze und verwandelt den Bürobau in ein Plusenergiehaus: 870 m2 Photovoltaikpaneele kleiden die gesamte Südseite des Dachs und decken 109 % des Energiebedarfs im Inneren. Die zweite Dachfläche ist begrünt und fördert die Biodiversität. Ein hauseigenes Wärmetauschsystem wird mit Wasser aus dem Hafenbecken gespeist. In den Betonpontons, die das schwimmende Fundament der Floating Offices bilden, verbergen sich über 40 km Rohrleitungen. Während sie im Sommer kühlen, nehmen sie im Winter durch das Wasser auf natürliche Weise Wärme auf. Die effiziente Planung brachte dem selbstversorgenden Gebäude die höchste Zertifizierungsstufe auf der BREEAM-Skala ein.
Ein symmetrischer Aufbau war essenziell, um die Stabilität der schwimmenden Konstruktion zu gewährleisten. Über einen zentralen Steg dockt das rechteckige Büroschiff an Land an. Umlaufende Balkone kragen – ebenso wie das Satteldach – weit aus und fungieren als passiver Sonnenschutz für die Arbeitsbereiche. Großzügige Außenflächen und Decks erweitern die Büros nach außen und bieten den Mitarbeitern Platz für eine Pause an der frischen Luft oder einen After-Work-Drink. Die einzelnen Geschosse sind mit 6 x 3 m großen Fensterflächen rundum raumhoch verglast. Sie geben aus sämtlichen Bereichen des Baus den Blick aufs Wasser frei und lassen reichlich Tageslicht hinein. Die Holzkonstruktion bleibt an vielen Stellen unverkleidet und sorgt für ein ruhiges Ambiente. Auch die übrigen Komponenten der dezenten Materialpalette sind möglichst langlebig und wiederverwertbar.
Eine repräsentative Wendeltreppe verbindet die drei Geschosse miteinander und zieht mit ihrem skulpturalen Design mitten im Bau sämtliche Blicke auf sich. Auf den einzelnen Büroetagen kombinieren die holländischen Planer Open-Space-Bereiche mit Workstations und abgetrennten Räumen. Eingesetzte Boxen ermöglichen ungestörte Produktivität. Neben den großzügigen Arbeitsflächen des Auftraggebers verlegten auch die Architekten selbst ihre Büros in den Neubau. Auf 1.600 m2 gestalteten sie dafür einen Mix aus formellen und informellen Zonen, Konferenzräumen und Workshopbereichen, der unterschiedlichsten Anforderungen gerecht wird. Mobile, magnetische Trennwände erlauben eine flexible Anpassung der Räume und bieten Raum für Kreativität. Öffentliche Funktionen im untersten Niveau komplettieren das Programm des Floating Office: Ein Restaurant mit Panoramaterrasse lädt hier zu kulinarischen Erlebnissen vor besonderer Kulisse. Im vorgelagerten Naturpool können sich Mitarbeiter und Besucher in den warmen Monaten direkt in der Maas abkühlen.
Laut den Architekten machen das effiziente Energiekonzept, die modulare Bauweise und die emissionsfreundliche Materialwahl das Floating Office Rotterdam nicht nur zum größten Arbeitsplatz auf dem Wasser, sondern auch zu einem der nachhaltigsten Bürogebäude der Welt. Die Powerhouse Company vereint mehrere, zukunftsweisende Lösungen unter einem Dach, gibt den Anstoß für eine komplett neue Typologie und schafft gleichzeitig ein angenehmes Arbeitsumfeld. Bei steigendem Meeresspiegel durch den Klimawandel sitzen auf dem schwimmenden Büro alle im selben Boot und könnten dank des autarken Designs kurzerhand zu neuen Ufern aufbrechen. Bleibt zu hoffen, dass sich innovative Lösungen wie diese in der Architektur und anderen Sektoren vorher im größeren Maßstab durchsetzen und verheerenden Folgen zumindest entgegensteuern.
Floating Office Rotterdam
Rotterdam, Niederlande
Bauherr: Global Center on Adaptation (GCA), Stadt Rotterdam
Planung: Powerhouse Company
Statik: Bartels & Vedder
Holzbau: Solid Timber
TGA: DWA
Bebaute Fläche: 2.200 m2
Nutzfläche: 4.500 m2
Planungsbeginn: 2018
Baubeginn: Feb. 2020
Fertigstellung: Apr. 2021
Text: Edina Obermoser
Fotos: Sebastian Van Damme, Marcel IJzerman, Mark Seelen
Kategorie: Projekte