Ab in die Zukunft – The Last House on Mulholland
The Last House on Mulholland / Hollywood / Joao Silva, Paola De Francesco
Architektur für morgen ist per se eine Herausforderung. Wer weiß, wie sie aussehen wird? Insofern sind Wettbewerbe für derartige Projekte zwar fraglich, aber durchaus spannend, vor allem, wenn es um „residential living“, also Einfamilienhäuser geht. Denn in dieser Hinsicht ist sich die Architektenschaft ziemlich einig: Das Verbrauchen der Ressource LAND für Einzelobjekte können wir uns nicht mehr leisten. Solche Planungen müssen mit einem „Mehrnutzen“ verbunden sein. Trotzdem – oder gerade deshalb – gibt es immer wieder Ansätze, die ein Denken jenseits der gewohnten Bahnen zeigen.
Ein interessanter Wettbewerb für das „Haus der Zukunft“ fand kürzlich in den USA statt. Unter dem Titel „The Last House on Mulholland“ waren die Teilnehmer aufgefordert, ein Haus für die Zukunft zu entwerfen, das den Gebrauch innovativer Energie demonstrieren, umweltbezogene Strategien integrieren und einen Tribut an die außergewöhnliche Lage direkt neben dem Hollywoodzeichen zollen sollte.
Hollywoodland, gegründet im Jahr 1923, ist der Name der Nachbarschaft, für welche der Schriftzug damals als Werbung errichtet wurde. Am Rand des berühmten Beachwood Canyon befand sich hier das erste Villen-Entwicklungsgebiet der USA. Architekten wie John DeLario, Richard Neutra und John Lautner haben sich hier verewigen können. Das Hollywoodzeichen diente lange als Symbol für Celebrity, Unterhaltung und Glamour. Für manche aber auch als Ausdruck der Träume und Hoffnungen der amerikanischen Kultur. Der Platz für den Wettbewerb ist ein Grundstück, direkt neben dem Schriftzug am Mulholland Highway. Ein leerer Platz, der auf seine Geschichte wartet: „The Last House on Mulholland“.
Der Wettbewerb dient als eine Art Designplattform für die Generierung von Ideen für zukünftige Wohnprojekte im Einfamilienhausbereich. Er wurde als Charrette-Verfahren (Das Charrette-Verfahren ist eine öffentliche Planungsmethode zur Stadt- und Regionalentwicklung mit direkter Beteiligung der Bürger.) durchgeführt. Natürlich in dem konkreten Fall auch bezogen auf die prominente Lage in Hollywood. Man suchte nach verantwortungsvollen, auf die Umwelt bezogen nachhaltigen Lösungen für „residential living“ unter Berücksichtigung der Bedürfnisse eines modernen Zuhauses. Die Teams durften Einzelpersonen oder Gruppen bis zu vier Personen sein, jedoch mindesten einer sollte einen architektonischen Hintergrund haben. Es war ein gewisses Maß an „out of the box“- Denkens gefordert.
Das italienische Kollektiv defrancesco+silva entwarf ihren Beitrag (Anerkennungspreis) als ein dynamisches Lebens/Wohnsystem. Ihr „Breathing House“ ist ein dreigeschossiger Bau für eine Familie, dessen Glasfassade in einer Serie quadratischer, verschiebbarer Terrassen gegliedert ist. Die Planer nahmen bei der Ideenfindung Anleihen aus der Natur, und zwar bei der afrikanischen „Treasure Flower“, einer südafrikanischen Pflanze, welche am Morgen aufblüht und sich öffnet und am Abend wieder ihre Blütenblätter einfaltet und schließt. Im Gegensatz zur Bionik, Biomimetik und Nanotechnologie transformierten die beiden die Analogien sehr strukturell.
Das Konzept besteht aus einem Metallgerüst, welches als äußerliches Skelett für die Struktur und Tragfähigkeit funktioniert. Im geschlossenen Zustand zeigt sich eine typische Hausform. Wenn sich eine Terrasse herausschiebt, wird der Innenraum vergrößert und in einen dynamischen Balkonbereich verwandelt. Die Fassade erfährt so langsam eine pixelige Auflösung in bewegliche Terrassen mit aufregenden 360 Grad Panoramablicken in die Landschaft. Wenn alle Terrassen wieder geschlossen und eingefahren sind, zeigt sich eine typische Haussilhouette. Das „Breathing House“ besteht aus drei Ebenen. Ein Studier- und Arbeitsbereich ist im Erdgeschoss, Leben, Essen und Kino sind im ersten Stock und die Schlafräume mit den Bädern im dritten Obergeschoss.
Der Entwurf von Joao Silva und Paola de Paola De Francesco hat auch einen weiteren Hintergedanken: Die gitterförmige Grundstruktur, in der alle Einheiten eingebettet sind, ist absolut erdbebensicher. Daher kann man in den Gitterstäben alle Kabel und die Infrastruktur führen und sie auch zum Regenwassersammeln benutzen. Dieses Wasser wird in einen Tank am Fuß des Gebäudes geleitet, gefiltert und in einen trinkbaren Standard versetzt, dann mittels einer Pumpe wieder ins Haus zurückgeführt. Da das Haus als ökologisch und nachhaltige Architektur geplant ist, sind die Fenster aus Solarzellen und gewährleisten die gesamte Energieversorgung des Gebäudes.
Andere Projekte, wie zum Beispiel „Hollywood Hill“ (2. Platz), spielten mit Gründächern um den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.
Das „Ambivalent House“ (1. Platz) dreht sich um die eigene Achse und sein sphärischer, sich stetig ändernder Körper erinnert ein wenig an Buckminster Fuller.
Das „Last House“ (3. Platz) experimentiert mit einer zweischaligen Dachfassade und ist eingegraben, um ein Passivhauslevel zu erreichen.
Bilder: ©defrancesco+silva
Text: ©Reischer Peter
Kategorie: Projekte