Selbstformende Fertigung – Urbach Turm

19. September 2019 Mehr

Selbstformende Fertigung – Urbach Turm

Der Urbach Turm stellt eine einzigartige Holzstruktur dar. Der Entwurf des Turms verwendet einen neuartigen Selbstformungsprozess für gebogene Holzkomponenten. Diese Formänderung wird allein durch das Schwinden des Holzes bei abnehmendem Feuchtegehalt erreicht.

Die Technologie der selbstformenden Fertigung von Massivholzplatten eröffnet mit ihrer einfachen Anpassung an unterschiedliche Krümmungsradien neue und unerwartete architektonische Möglichkeiten für die Verwendung des nachhaltigen, erneuerbaren und regional verfügbaren Baumaterials Holz.

 

Urbach Turm

 

Die bahnbrechende Entwicklung der großflächigen Selbstformung stellt einen Paradigmenwechsel im Holzbau dar. Statt aufwendiger und energieintensiver mechanischer Umformprozesse, die schwere Maschinen erfordern, verformt sich der Werkstoff hier ganz von selbst. Die gebogenen Komponenten der Turmstruktur aus Brettsperrholz (BSPH / CLT) werden als flache Paneele geplant und hergestellt, die sich während des Trocknens autonom in vorausberechnete, gekrümmte Formen biegen. Die 5,0 m x 1,2 m
großen Bilayer aus Fichtenholz werden mit hoher Holzfeuchte und spezifischem Schichtaufbau hergestellt und in einem industriell standardisierten Trocknungsverfahren getrocknet. Beim Herausnehmen aus der Trockenkammer sind die Elemente präzise gekrümmt. Diese werden anschließend miteinander überlappend laminiert, um die Geometrie zu fixieren, und bilden so größere, formstabile, gekrümmte Brettsperrholz-Komponenten.

Die selbstformenden Komponenten bestehen vollständig aus regional bezogenen Fichtenholzbrettern aus der Schweiz. Die einzelnen Bauteile weisen eine Länge von bis zu 15 m auf, mit einem Radius von 2,40 m und einer Bauteildicke von nur 90 mm. Die Komponenten sind aus Halbzylinderrohlingen 5-achsig CNC-gefräst und zu Baugruppen aus drei Komponenten einschließlich Wassersperre und externer Holzverkleidung für den Transport vormontiert. Mit präziser, vorausberechneter Krümmung und optimaler Faserausrichtung aus dem Herstellungsprozess wird jede Komponente in nur 90 Minuten Maschinenzeit geschnitten und bearbeitet.

 

Urbach Turm

Auf der Außenseite wird eine maßgefertigte Fassade aus geschnittenen Brettschichtholzträgern aus Lärche aufgebracht. Dies umfasst ebenfalls die Anwendung einer transparenten, dauerhaften anorganischen Beschichtung, die das Holz vor UV-Strahlung und Pilzbefall schützt. Anstatt zu reißen und unter Witterungseinflüssen silbergrau zu werden, erhält das Lärchenholz mit der Zeit eine gleichmäßige weiße Farbe.
Die gesamte Prozesskette, vom Schneiden der regionalen Stämme im Sägewerk über die Herstellung der selbstformenden Platten, den Trocknungsprozess bis hin zur Endbearbeitung und Vormontage, erfolgt innerhalb derselben Unternehmensgruppe und am gleichen Standort. Dies ermöglicht nicht nur eine nachhaltige und innovative Produktion, sondern zeigt auch, wie sich die selbstformende Fertigung nahtlos in bestehende industrielle Holzverarbeitungs- und Fertigungsabläufe integrieren lässt.

Der Urbach Turm besteht aus zwölf gekrümmten Bauteilen aus Brettsperrholz. Die Tragkonstruktion des Turms weist eine Dicke von 90 mm auf und ist über 14 Meter hoch, was zu einem Spannweiten-Dicken-Verhältnis von ca. 160:1 führt. Die Krümmung ermöglicht eine sehr schlanke und leichte Turmstruktur von nur 38 kg pro Quadratmeter Turmoberfläche. Im montierten Zustand wirkt der Turm durch seine ausdrucksvolle gekrümmte Geometrie statisch als flächenaktive Struktur. Die Verbindung der Leichtbauelemente erfolgt durch kreuzweise angeordnete Vollgewindeschrauben, deren Anordnung und spezifischer Winkel im gesamten Bauwerk in Bezug auf ihre statische Ausnutzung optimiert sind, wobei eine durchgehende Verbindung entlang der Naht für einen homogenen Lastabtrag sorgt.

 

Urbach Turm

 

Fotos:©IBA Thueringen, Thomas Mueller

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Kategorie: Magazin