In Zeiten wie diesen…

23. Oktober 2017 Mehr

In Zeiten der Digitalisierung kommen und gehen Firmen, gerade im Baugeschäft, fast täglich. Wenige haben Bestand. Umso mehr zählen Firmen oder Unternehmen mit einer über 100 Jahre währenden Firmengeschichte eher zu den Ausnahmen, wie eben auch Wienerberger. Als Produzent von Ziegeln sieht das Unternehmen bereits auf eine fast 200-jährige Tradition zurück. Grund genug, um eine wenig tiefer in die Firmenphilosophie einzutauchen. architektur sprach mit Franz ­Kolnerberger, Geschäftsführer der Wienerberger Ziegelindustrie GmbH.

 

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Herr Kolnerberger, worin sieht Wienerberger die Herausforderungen an den Städtebau der Zukunft?
Durch die steigende Urbanisierung muss sich der Zugang zum Bau in der Stadt komplett ändern. Wir bauen immer häufiger in die Höhe, um Wohn- und Arbeitsfläche zu schaffen. Dies führt zu höheren Anforderungen an die verwendeten Baustoffe. Gleichzeitig machen wir uns immer mehr Gedanken um Themen wie Wohngesundheit und Nachhaltigkeit, verbringen wir doch mehr als 90 Prozent unserer Lebenszeit in Gebäuden. Das bedeutet für uns neue Aufgabenstellungen: nachhaltige, baueffiziente und finanziell interessante Lösungen aus Ziegel für den mehrgeschossigen Objektbau mit hohen Anforderungen punkto Druckfestigkeit, Wärmeschutz und Flächeneffizienz und einfacher, schneller Verarbeitbarkeit.
 
Wie weit kann man den Ziegel beim derzeitigen „Höhenrausch“ im Bauen verwenden?
Man muss da zwischen Ausfachung und tragender Wand unterscheiden. Mit dem Porotherm W.i. Objektziegel lassen sich Gebäude mit fünf bis sechs Etagen errichten. In solchen Bauten wird dann auch die Haus­technik auf fast Null reduziert.

Wie verhält sich eigentlich der Porotherm W.i. in der Entsorgung?
Der Ziegel kann, genauso wie die Mineralwolle, zu 100% entsorgt werden. Der Baustoff hält 80 bis 100 Jahre und ermöglicht es, die Dämmung vom Ziegel einwandfrei zu trennen, da die Mineralwolle in den Ziegel nur hineingesteckt und nicht – wie bei anderen Systemen – verklebt wird.

Inwieweit kann der Ziegel bei den heutigen Problemen der Zuwanderung und Migration eine Hilfe sein?
Der anhaltende Zuzug von Menschen in die Städte, der durch die jüngsten Migrationswellen noch verstärkt wird, wird auch die Baubranche die nächsten Jahre beschäftigen. Wir (Wienerberger) denken daran, in Kooperation mit der Gemeinde Wien und der IBA ein Projekt zu entwickeln, bei dem mit Flüchtlingen zusammen ein Haus aus Ziegeln errichtet wird. Dadurch soll auch ein Prozess der Identifikation ausgelöst werden.

Sehen Sie für die Ziegelproduktion in den Ansätzen der beiden Schweizer Architekten Kohler und Gramazio mit der „Digitalen Fabrikation“ eine Zukunft?
Nein, eigentlich nicht. Architektur entsteht immer noch in den Köpfen. Natürlich kann ich computerunterstützt meine Ideen umsetzen. Im Ziegelbereich wären Fertigteilwände für einfache Einfamilien-/Reihenhäuser möglich. Man sieht das bereits in Holland und England. Dort gibt es ganze Wohnviertel mit dem gleichen Häusertyp. Auch in Österreich gibt es fertige Wandelemente aus Ziegel, aber Architektur würde ich das nicht nennen, eher industrielle Fertigung.

Sie haben auch vor Kurzem die Turner-Preisträger Assemble bei ihrer Aktion im AZW unterstützt. Woher kommt dieses große soziale und innovativ-kreative Engagement von Wienerberger?
Zentrale Unternehmenswerte bei uns sind Nachhaltigkeit und Innovation. Das kommt aus der Geschichte – 2019 wird Wienerberger 200 Jahre alt  – und auch aus dem Material selbst. Immerhin ist der Ziegel aufgrund seiner natürlichen Eigenschaften ein durch und durch nachhaltiger Baustoff. So ermöglicht der Porotherm W.i. – unsere neueste Ziegel-Generation – beispielsweise eine besonders nachhaltige Bauweise, da er bereits mit natürlicher Mineralwolle verfüllt ist und es somit keiner zusätzlichen Dämmung bedarf. Darüber hinaus ist der Ziegel für Architekten ein Baustoff, mit dem sie gestalterisch besonders kreativ wirken können. Uns ist es ein wichtiges Anliegen, dass sich angehende Architekten von Ton und Ziegel inspirieren lassen und sich mit den vielen Einsatzmöglichkeiten dieser Baumaterialien vertraut machen.

Was kann man von Wienerberger an Innovationen in den nächsten Jahren erwarten?
Wir werden natürlich den Ziegel entsprechend weiterentwickeln. Druckfestigkeit, Dämmwerte und Schallschutz stehen hier im Vordergrund. Es besteht auch eine Tendenz, in größere Formate zu gehen. Momentan lancieren wir die Porotherm Wärmedämmfassade, sowohl für Innen- wie auch Außenanwendung. Das ist eine massive Ziegelwand gefüllt mit Mineralwolle, welche besonders bei der Sanierung verwendet werden kann. Es ist uns hier gelungen, die Außen- bzw. Innendämmung in den Ziegel zu verlagern.

 

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Fotos: ©Andreas Hafenscher

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Kategorie: Magazin