Tiny Houses im risikobehafteten Graubereich

23. Juni 2021 Mehr

Ob als Hauptwohnsitz oder Wochenendhaus, weniger Raum bedeutet für viele Menschen eine größere (finanzielle) Freiheit. Die gegenwärtige Tendenz zu Tiny Houses (zu Deutsch „sehr kleine/winzige Häuser“) geht auf ein Tiny House Movement zurück, das sich vor ca. 15 Jahren in den USA entwickelt hat. In letzter Zeit werden die winzigen Häuser auch in Europa immer beliebter.

 

Tiny Houses - Ob als Hauptwohnsitz oder Wochenendhaus, weniger Raum bedeutet für viele Menschen eine größere (finanzielle) Freiheit.
© ParamePrizma

 

Flexibilität wird in einer sich stetig wandelnden Welt immer wichtiger. Durch steigende Miet- und Immobilienpreise gilt dies insbesondere auch beim Thema Wohnen. Im Jahr 2020 lag die durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung in Österreich bei 99,9 m2 (1). EUR 8,27 (2) betrug die Miete inklusive Betriebskosten pro Quadratmeter im Durchschnitt. Immer mehr Menschen wollen diesen Trend der stetigen Vergrößerung und der sich laufend erhöhenden Mietpreise nicht mehr mittragen. In sogenannten Tiny Houses sehen sie eine Alternative.

Ob als Hauptwohnsitz oder Wochenendhaus, weniger Raum bedeutet für viele Menschen eine größere (finanzielle) Freiheit. Die gegenwärtige Tendenz zu Tiny Houses (zu Deutsch „sehr kleine/winzige Häuser“) geht auf ein Tiny House Movement zurück, das sich vor ca. 15 Jahren in den USA entwickelt hat. In letzter Zeit werden die winzigen Häuser auch in Europa immer beliebter.

Tiny Houses sind am Markt mittlerweile in den unterschiedlichsten Größen und Preisklassen erhältlich. Die Minihäuser können auch als mobile Variante erworben werden – gleich einem Wohnwagen ist so die örtliche Veränderung problemlos möglich. Zwar gibt es keine einheitliche Definition, unter welchen Umständen ein Tiny House als solches gilt, als Richtwert kann jedoch eine Nutzflächengröße zwischen 15 und 45 m2 herangezogen werden.

Bedeutet dieses Wohnkonzept für Interessenten die Freiheit, das Eigenheim einfach „mitzunehmen“, birgt es auf rechtlicher Ebene bei näherer Betrachtung diverse Tücken. Angefangen mit der Rechtsfrage, ob ein Tiny House überhaupt als Gebäude zu qualifizieren ist, ergeben sich sowohl aus dem Blickwinkel des Privatrechts als auch nach Maßgabe des öffentlichen (Bau-)Rechts Problemstellungen, die im Folgenden beleuchtet werden. 

 

Tiny Houses - Ob als Hauptwohnsitz oder Wochenendhaus, weniger Raum bedeutet für viele Menschen eine größere (finanzielle) Freiheit.
© ppa5

 

Um eine rechtliche Einordnung der Tiny Houses treffen zu können, lohnt sich zunächst ein Blick auf den Begriff und das Wesen eines Gebäudes. Terminologisch stammt der Begriff „Häuser und andere Gebäude“ aus der Urmasse des ABGB. Ein Gebäude (Bauwerk) ist nach der Rechtsprechung alles, was auf Grund gebaut und mit diesem fest verbunden, somit „grundfest errichtet“ ist. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Bauwerk vorliegt, kommt es auch auf die nach der Verkehrsauffassung zu beurteilende Qualifizierung als Bauwerk an. So fallen zum Beispiel Fertigteilhäuser, Fertigteilschwimmbecken etc, auch wenn sie ohne wesentliche Beeinträchtigung ihrer Substanz abgetragen und an anderer Stelle wieder errichtet werden können, unter den Begriff des Gebäudes, weil sie in der Absicht errichtet werden, sie stets auf der Liegenschaft zu belassen.

Bei Tiny Houses muss somit unterschieden werden, ob sie mit dem Erdboden verbunden oder mobil sind. Erstere sind wohl als Gebäude zu qualifizieren. Bei mobilen Tiny Houses ist weiter zu differenzieren, je nachdem ob das Tiny House in der Absicht errichtet wird, es stets auf der Liegenschaft zu belassen, oder nicht. Im Hinblick auf den Wunsch nach Flexibilität und insbesondere der Möglichkeit, das Eigenheim bei einem Umzug einfach „einzupacken und mitzunehmen“, wird eine derartige Belassungsabsicht meist nicht vorliegen.

 

Tiny Houses - Ob als Hauptwohnsitz oder Wochenendhaus, weniger Raum bedeutet für viele Menschen eine größere (finanzielle) Freiheit.
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Zu beachten ist auch, dass das österreichische Liegenschaftsrecht vom römisch-rechtlichen Grundsatz „superficies solo cedit“ beherrscht ist. Demnach folgt das Eigentum am Gebäude dem Eigentum am Grundstück, weil das Gebäude grundsätzlich als unselbständiger Bestandteil des Grundstücks zu werten ist. Entscheidend dafür, ob ein Bauwerk durch seine Errichtung zum unselbständigen Bestandteil des Grundes und damit Eigentum des Liegenschaftseigentümers wird, ist die Belassungsabsicht des Erbauers spätestens im Zeitpunkt des Baubeginns.

Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Grundsatz bildet das Superädifikat eine Besonderheit. Werden Gebäude mit Zustimmung des Grundeigentümers auf fremdem Grund in der Absicht errichtet, dass sie nicht stets darauf bleiben sollen, liegt ein Super­ädifikat (Überbau) vor. Das ist ein rechtlich selbständiges Bauwerk, das als bewegliche Sache angesehen wird. Über die Frage, anhand welcher Kriterien die mangelnde Belassungsabsicht zu beurteilen ist, besteht Uneinigkeit. Die Rechtsprechung stellt zum Teil etwa auf das äußere Erscheinungsbild des Bauwerks, auf das Vorliegen eines befristeten Grundnutzungsverhältnisses oder auf andere tatsächliche Begleitumstände ab.

Baulichkeiten wie Würstelbuden, Baracken oder Markthütten sind Beispiele für ein Superädifikat. Allerdings ist nach der Judikatur auch für die genannten Beispiele eine feste Verbindung mit dem Grund, auf dem das Superädifikat errichtet wurde, Voraussetzung der Anerkennung als Bauwerk. Mobilen Tiny Houses auf Rädern fehlt nach dieser Judikatur die Bauwerkseigenschaft. Auch liegt bei mobilen Tiny Houses – ähnlich wie bei Wohnwägen – die Zweckbestimmung wohl gerade darin, sie an einen anderen Ort bewegen zu können. Folglich ist mobilen Tiny Houses wohl eher keine Bauwerkseigenschaft zuzuerkennen.

 


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Auch die Frage, wo das Projekt der Errichtung eines Tiny House verwirklicht werden kann, sollte vorab überprüft werden. Hierbei sind die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlichen bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen zu beachten. Von der Widmung der für die Errichtung potenziell in Frage kommenden Fläche bis hin zu diversen Vorschriften, etwa betreffend die Raumhöhe, Dämmwerte oder Brandschutz, ergeben sich auch hier diverse Tücken. Generell ist davon auszugehen, dass die umfangreichen bau- und raumordnungsrechtlichen Vorgaben für viele Tiny Houses nur schwer erfüllbar sind.

Angesichts des Trends zu Tiny Houses wäre daher eine Novellierung des Wohn- und Baurechts wünschenswert, die den aktuellen Anforderungen des Marktes an zeitlich und örtlich flexibles, kompaktes Wohnen Rechnung trägt. Der derzeitige legistische Graubereich birgt für Interessenten solcher Wohnkonzepte ein rechtliches und wirtschaftliches Risiko und wird den Anforderungen unserer Zeit an modernes Wohnen nicht mehr gerecht.

 

 

(1) Statistik Austria, durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung in m2, abgerufen unter:
https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/wohnen/wohnsituation/081235.html

(2) Statistik Austria, durchschnittliche Miete inkl Betriebskosten pro m2 in Euro, abgerufen unter:
https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/wohnen/wohnkosten/index.html

 

Text: Mag. Theresa Stachowitz und Mag. Matthias Nödl

 

Kategorie: Bau & Recht, Kolumnen