Rettet der STEP 2025 das Ortsbild Wiens?

28. Januar 2014 Mehr

© Schaub-Walzer

„Ein dicht bevölkertes Gebiet wird durch jeden ärmer gemacht, der ein neues Gebäude hinzufügt oder ein Gebäude aufstockt. […] Indem wir die rücksichtslose Bebauung unverbauter Freiflächen erlauben, […] vergeuden wir Lebenskräfte, die eigentlich den Ursprung allen Wohlstandes bilden: Wir opfern dadurch jene Ziele, zu deren Erreichung der materielle Gewinn bloß ein Mittel ist.“ Das Zitat des Ökonomen Alfred Marshall aus dem Jahr 1890 bringt die Probleme der jüngsten Wiener Stadtplanung auf den Punkt.

Seit einiger Zeit setzt der Städtebau der Bundeshauptstadt in erster Linie auf die Errichtung von Hochhäusern, wobei die Projekte nicht durch ihre kreative Umsetzung, sondern vor allem durch die überragende Zahl an Geschossen auffallen. Zuzuschreiben ist diese Entwicklung der Immobilienspekulation, die in erster Linie von hohen Grundstückspreisen lebt. Nachdem mit jedem Stockwerk der materielle Wert des bebauten Bodens steigt, wachsen viele Häuser ohne Rücksicht auf die Umgebung in die Höhe, wodurch es zur Entstehung von Bausünden wie der Wienerberg City oder der Donaucity kam. Der Bahnhof Wien Mitte reiht sich ebenso in die Ränge der mangelhaft umgesetzten Projekte der Stadt ein, wie viele andere auch. Eigentlich dürfte es laut den Leitzielen, an die sich die Stadt Wien vermeintlich hält, gar nicht zur Verwirklichung solch schlecht integrierter Gebäude kommen.

Neue Chancen für Wien

In Abständen von etwa 10 Jahren werden nämlich Pläne erstellt, welche die bisherige Entwicklung der Metropole beleuchten, aber vor allem auch Strategien für die zukünftigen Planungsvorhaben entwerfen sollen. Mit dem neuen Stadtentwicklungsplan (STEP) 2025, dessen Beschlussfassung 2014 vorgelegt werden soll, will Wien sowohl auf die stetig wachsenden Bevölkerungszahlen reagieren, als auch die Position der Bundeshauptstadt in Europa stärken. Bezüglich der Methoden soll der Schwerpunkt vermehrt auf der Beteiligung der Bürger, sowie einer transparenten Kommunikation mit den politisch-administrativen Einheiten liegen.
Während sich die Visionen für die Entwicklung Wiens sehr vielversprechend anhören, stellt sich jedoch die Frage, ob diese in der Form wirklich umgesetzt werden. Obwohl bereits im Vorgänger STEP 05 das Beleben der Erdgeschosszonen sowie das Schaffen von Grünflächen als wichtige Ziele definiert wurden, hat die Planung der Stadt Wien ihre eigenen Vorschläge, besonders beim Bau von Prestigeprojekten wie dem DC Tower oder dem Bahnhof Wien Mitte, vernachlässigt.

Die eindimensionalen Planungsvorhaben der Stadt Wien

Bei der Projektentwicklung der jüngsten Zeit macht sich die totale Abwesenheit ordnender Raumplanung bemerkbar. Anstatt sich auf die Steigerung der Attraktivität des Bestandes und die Wiederbelebung verwahrloster Einkaufsstraßen zu konzentrieren, setzt die Wiener Raumordnung auf den kompletten Neubau von Siedlungen am Stadtrand. Als Negativbeispiele sind hierbei die Seestadt Aspern im 22. Wiener Gemeindebezirk, sowie die Siedlung Monte Laa in Wien Favoriten zu erwähnen. Während letztgenannte Wohngegend fernab wichtiger Verkehrslinien des öffentlichen Personennahverkehrs ihr Dasein fristet, musste für ersteres Projekt eine U-Bahn-Linie bis an den Wiener Stadtrand hin verlängert werden.
Doch auch bei der Planung einzelner Gebäude hat die Stadt Wien bezüglich der Ausgestaltung der Projekte Aufholbedarf. Dies gilt insbesondere für Hochhäuser und ‚Glaspanzer‘, die – ohne Rücksicht auf die umliegende Bebauung – in den inneren Bezirken errichtet werden. Das Ergebnis sind Kolosse wie der Bahnhof Wien Mitte, dessen massive Gestalt inmitten von Wohnhäusern aus der Gründerzeit, völlig fehl am Platz wirkt. Mit der Umgestaltung des bedeutenden Wiener Verkehrsknotens sollte eigentlich das ehemals heruntergekommene Gebäude mit einem ansprechenderen Erscheinungsbild aufgewertet werden. Der Umbau der Umsteigestation ist zudem ein Beispiel für geringe Transparenz und fehlendes Einbeziehen der Bevölkerung. Schon der Planungsprozess des Bahnhofs gestaltete sich schwierig und bisweilen undurchsichtig. Von der Ausschreibung des Wettbewerbes bis zum Baubeginn selbst vergingen mehrere Jahrzehnte. Obwohl die frühen Versionen des Entwurfs zum neuen Bahnhofsgebäude unter der Bevölkerung heftige Proteste auslösten, hielten die Stadt und der Bauträger, Bank Austria Immobilien GmbH, solange an ihrem Projekt fest, bis sich schließlich auch die UNESCO gegen den Bau aussprach. Erst als diese die Innere Stadt 2001 zum Weltkulturerbe erklärte, mussten Wien und die BAI aus Rücksicht auf die umliegende Bebauung einlenken. Um nicht auf die hohen Bodenpreise verzichten zu müssen, wurde letzten Endes trotzdem ein massives Gebäude von 35 Meter Höhe und geringer Durchlässigkeit errichtet.

Die Nachteile der Wiener Raumplanung ergeben sich des Weiteren daraus, dass die einzelnen Projekte nur schlecht bis gar nicht in die sie umgebenden Stadtteile integriert werden. Ein derzeit viel diskutiertes Negativbeispiel stellt hierbei die Donauplatte mit ihren DC-Towers dar. Obwohl die Lage auf den ersten Blick vielversprechend erscheint, profitiert das Areal nicht davon. Das liegt daran, dass bei dieser Fläche weder eine gute Anbindung zur neuen Donau noch zu den umliegenden Grünflächen existiert. Jener Aspekt wurde auch von Dominique Perrault, dem Architekten des DC Tower 1, kritisiert. Würden entsprechende Verbindungen zur Umgebung geschaffen werden, könnte nach der Meinung des Experten „Die Donau-City [..] ein wunderbarer Stadtteil sein, mit der Donau nebenan und den vielen Radwegen und Vergnügungsparks rundherum.“
Laut den Leitlinien des STEP 2025 soll gegen dieses Problem in Zukunft vorgegangen werden. Eines der vermeintlich wichtigsten Ziele der Stadterweiterung besteht nämlich darin, zusammenhängende Stadtteile zu planen. Um einer grundstücksbezogenen Planung Einhalt zu gebieten, müssten in Zukunft jedoch nicht nur der Planungsprozess an sich, sondern auch die Akteure unter die Lupe genommen werden. Auffällig ist, dass bei einer Vielzahl von Bauprojekten der Stadt Wien die Bank Austria Immobilien GmbH (BAI) als Investor agiert. Dies erweist sich nicht immer als Vorteil, da sie als Bauträger vor allem dafür bekannt ist, Gebäude möglichst großen Ausmaßes zu realisieren. Der sich selbst zugeschriebenen Unternehmensphilosophie – welche verspricht „Städte gedeihen“ zu lassen – wird die BAI jedoch nicht gerecht. Wie sich an der Umsetzung erkennen lässt, nimmt finanzielle Rentabilität bei den Bauvorhaben nämlich den wichtigsten Stellenwert ein.

Die Langzeitauswirkungen der Projektumsetzungen der letzten Jahre

Wird beim Bau von Gebäuden lediglich auf die Zahl der Geschosse Wert gelegt, ergeben sich dadurch nicht nur ästhetische Einbußen. Die Umsetzung solcher Projekte wirkt auf die Betrachter lieblos und zu einem gewissen Grad unvollständig. Dies wird vor allem bei Konzepten wie dem Bahnhof Wien Mitte deutlich, wo die Planer und die Stadt Wien Bereiche um die Station einfach sich selbst überließen.

Wenn die Stadt Wien ihren Fokus bei der Stadtplanung nicht erweitert, werden vor allem Geschäftsstraßen und der Einzelhandel die negativen Konsequenzen zu spüren bekommen. Für diese problematische Entwicklung ist unter anderem der exzessive Bau von Einkaufszentren verantwortlich. Sollen Stadtteile nicht zu Schlafstätten verkommen, muss die Raumplanung einen Weg finden, die negativen Auswirkungen dieser Großmärkte einzudämmen. Prognosen besagen nämlich, dass der Bedarf an großflächig gebündelten Freizeit- und Einkaufszonen aufgrund der wachsenden Bevölkerungsdichte weiter steigen wird. Derzeit gibt es in Wien 37 Shoppingcenter, wobei 10 davon alleine in den letzten 6 Jahren eröffnet wurden. Setzt sich dieser Trend fort, wird das Geschäftsleben in den Einkaufsstraßen bald der Vergangenheit angehören. Anstatt die Errichtung neuer Einkaufszentren zu fördern, sollte sich die Stadt Wien deshalb eher auf den Ausbau bestehender Einrichtungen konzentrieren.

Im Kontext der jüngsten Planungen erweist es sich als Schritt in die richtige Richtung, dass im STEP 2025 auch der ‚Respekt vor dem Bestand‘ angesprochen wird. Werden Projekte ohne vorherige Abstimmung auf die Umgebung umgesetzt, fällt dieser Nachlässigkeit oft der innerstädtische Charakter eines Grätzels zum Opfer. Häufen sich Planungssünden dieser Art, kann dies auch den Charme, einer so international ausgerichteten Stadt wie Wien, vernichten. Daher bleibt zu hoffen, dass die Ziele des neuen Stadtentwicklungsplans nicht nur leere Worte sind.

Text: Dolores Stuttner

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