Neuer Vorstand der IG Architektur
Die IG Architektur hat vor einigen Jahren eine kleine Revolution angezettelt. Sie traten gegen unfaire Wettbewerbsbedingungen genauso wie gegen das WE (Wohlfahrts Einrichtung) Pensionssystem der Kammer auf (siehe Heft 08/12). Sie organisierten gemeinsame Gespräche mit Politikern, Stadtplanern und Architekten, die sogenannten „Bitte zu Tisch“-Gespräche und Mentorings für Architekturfrischlinge.
Nun zieht sich (sehr lobenswert) eine Generation der Revoluzzer leise zurück und lässt wiederum die Jungen ans Ruder. Ein Prozess, von dem man sich in manch anderen Organisationen auch inspirieren lassen könnte. Peter Reischer sprach mit dem neuen Vorstand der IG über Ziele und Visionen.
v.l.n.r.: Jasmine Blaschek, Patrick Jaritz, Marion Gruber, Christian Kronaus
Sie sind im Oktober letzten Jahres als Vorstand neu gewählt worden. Basisdemokratisch nehme ich an? Wie fühlen Sie sich, als Revolutionäre oder als Erben einer Revolution?
Patrick Jaritz: Ich würde eher sagen, dass wir das Erbe der Revolution sind. Die IG hat in den letzten 10 Jahren einen hohen Standard an architekturpolitischen Auseinandersetzungen aufgebaut. Besonders der letzte Vorstand hat wesentliche Weichenstellungen für die Zukunft getätigt: So haben wir mit dem RAUM ein attraktives und offenes Büro mit Veranstaltungsraum in Wien geschaffen. Wir müssen nicht Großartiges verändern, wir sind auf einem guten Kurs. Wir werden aber ein paar zusätzliche Themen einbringen.
Was wäre das?
Patrick Jaritz: Eine Konzentration auf die jüngere Generation. Das hat ein bisschen gefehlt und wir nehmen das auf. Wir wollen auch Menschen, die keine Ziviltechniker sind, ansprechen und sie auffordern, sich einzubringen.
Ist das Mentoringprogramm so ein Projekt?
Marion Gruber: Ja, das ist heuer schon die zweite Runde. Es geht darum, die Hemmschwelle zu senken. In Bezug auf die Zielgruppe haben wir uns von den selbstständigen Architekten in Richtung aller Architekturschaffenden verändert. Je breiter das Spektrum ist, desto besser.
Wie sehen Sie das Berufsbild des Architekten heute in der Gesellschaft?
Christian Kronaus: Er ist wichtig, er ist ein Denker und er bestimmt die Zukunft, weil er Räume schafft. Er wird aber von der Gesellschaft nicht geachtet, nicht wahrgenommen. Sehr wohl seine Leistungen und die jedoch aus einem sehr spezifischen Winkel, der von den großen Medien erzeugt wird.
Ist der Architekt denn derjenige, der die Farbe des Sofas aussucht und das Möbel an die richtige Stelle platziert?
Christian Kronaus: Der Begriff Architektur ist mittlerweile weit verbreitet. Jeder benützt ihn, wie zum Beispiel die ‚IT-Architektur‘. Aber wenn es dann um das Leistungsbild des Architekten in der Öffentlichkeit geht, ist er derjenige, der Farben aussuchen muss, was aber nicht der Wirklichkeit entspricht. Die IG ist auch eine Plattform, die die Rolle des Architekten nach außen trägt.
Meinen Sie, dass aufgrund der beliebigen Benutzung eine gewisse Abwertung eintritt?
Christian Kronaus: Ja, eine Aushöhlung, der Begriff ist inflationär und wir versuchen als IG, stärker architekturpolitisch in Erscheinung zu treten.
Oft wird in letzter Zeit in Diskussionen die Meinung vertreten, dass der Architekt nur noch Dienstleister ist. Was sagen Sie dazu?
Jasmine Blaschek: Gesellschaftlich wird er schon mit kritischen Augen gesehen. Das hängt zum Teil mit den in den Medien ständig kolportierten Skandalen zusammen. Ich finde schon, dass Architektur auch ein Spektrum der Dienstleistung beinhaltet.
Dienst an wem oder was?
Patrick Jaritz: Architektur soll einen kulturellen Beitrag leisten.
Hat die Architektur die Aufgabe, wie ein Katalysator den Denkprozess der Menschen anzuregen?
Jasmine Blaschek: Am Anfang kommt man mit den großen Wunschvorstellungen zum Architekten, im Laufe des Planungsprozesses kristallisieren sich aber wesentlich wichtigere Bedürfnisse heraus.
Ist es also die Aufgabe des Architekten, zum Denken anzuregen?
Marion Gruber: Er sollte wie eine Art Mediator wirken. Eine Inspiration für den Bauherrn.
Wie steht es mit der Unabhängigkeit des Architekten?
Christian Kronaus: Da stellt sich die Frage, ist der architektonische Diskurs etwas Autonomes? Kann er losgelöst von allem existieren? Die Kernkompetenz des Architekten ist die Schönheit, gewisse Gestaltungsprinzipien …
Was ist Schönheit?
Christian Kronaus: Das ist etwas, das abzuwägen ist. Schönheit wird immer im Diskurs verhandelt. Das ist abhängig von der Zeit, es kann auch etwas ‚Hässliches‘ schön sein. Das kann auch nicht vom Bauherrn allein bestimmt werden, es ist die Kernkompetenz des Architekten.
Die IG Architektur war immer ein Verein von Querdenkern. Soll der Architekt den Konflikt suchen, sich unaufgefordert einbringen?
Marion Gruber: Ja, denn nur so kann man konstruktiv sein. Konfliktscheu sein heißt das zu machen, was alle machen. Das ist sicher nicht unser Ziel.
Woher kommt in der Architektenschaft die weitverbreitet Angewohnheit, die schweigende Mehrheit zu bilden?
Jasmine Blaschek: Mein Zugang zur Architektur ist sicher ein partizipativer, auch wenn ich nicht immer schwarz gekleidet bin. Ich nehme schon wahr, dass sich immer mehr Leute zu Wort melden.
Marion Gruber: Als kleines, junges Büro kämpft man natürlich mit vielen Dingen. Je älter man wird, je mehr Geld man hat, desto weniger muss man sich beschweren. Das ist traurig und nicht gut, aber wahr.
Patrick Jaritz: Architektur ist generell ein Kampf und ein schwieriges Feld. Irgendwann wird man müde zu kämpfen und sich zu artikulieren.
Ist die Haltung, dass Partizipation auch Konflikt ist, eine Einstellung, die man in der IG Architektur verorten kann?
Patrick Jaritz: Ja, eine Konfliktbereitschaft ist vorhanden. In einem Teilhabeprozess sollten sich natürlich die relevanten Meinungen durchsetzen, das ist ja die Kunst. Es ist nicht der kleinste gemeinsame Nenner das Beste.
Marion Gruber: Diskussionen werden bei uns manchmal ziemlich hart und kritisch geführt.
Kritik ist ja auch eine Aufforderung zum Diskurs!
Marion Gruber: Ja, genau!
Jasmine Blaschek: Es wird alles immer viel zu persönlich genommen, dann kann man keine Distanz aufbauen und es wird zu emotional.
Christian Kronaus: Vielleicht ist die IG Architektur eine Art Seismograf, der in der Lage ist, unterschiedlichste Strömungen aufzunehmen und zu artikulieren. Unsere Revolution ist nicht wie so viele erstickt, sie hat sich gefestigt, wir sind wach geblieben und werden es hoffentlich auch noch lange bleiben.
Welches sind Ihre Visionen, Ihre Ziele, wo ist der Horizont?
Patrick Jaritz: Es geht um die Verbesserung der Begegnungen in diesem Beruf. So gesehen gibt es keinen Horizont. Kämpfen kann man ewig. Die IG Architektur wird immer notwendig sein, da wir eine Plattform für einen Austausch und ein Netzwerk, auf das jeder zugreifen kann, haben.
Marion Gruber: Seit ich studiert habe, war die WE ein Thema. Ich habe damals geglaubt, das wird sich nie ändern. Und jetzt hat es sich verändert – es gibt eine staatliche Pensionsregelung für Architekten. Es gab die WE-Initiative, die sich stark und in enger Zusammenarbeit mit der IG Architektur dafür eingesetzt hat, dass sich da etwas bewegt.
Jasmine Blaschek: Die WE-Initiative ist eine echte Horizonterweiterung gerade auch für die Generation, der ich angehöre. Die ArchitektInnen können jetzt der Kammer beitreten, weil es einen Grund gibt. Meine Vision ist, dass die IG den revolutionären Hauch den sie hat, auch rechtfertigt und nach außen trägt.
Christian Kronaus: Ich will den Begriff der kritischen Distanz aufgreifen. Das kritische Potenzial ist hier durchaus auch konstruktiv. Und als solches soll die IG Architektur auch gesehen werden. Als Gruppe, die ernst zunehmende Ideen artikuliert. Man sollte stärker auf die konstruktive Kraft der Kritik zurückgreifen.
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