Mehr positive Utopien

1. Dezember 2023 Mehr

„Gemeinschaften zu bilden, ist eine der maßgeblichen Errungenschaften von Architektur“, sagen Heribert Wolfmayr und Josef Saller aka heri&salli. Das Wiener Architekturbüro befasst sich in diesem Kontext bereits seit längerem mit den Herausforderungen und Chancen, die der Modulbau – smart gedacht – für den Wohnungsbau von morgen mit sich bringen kann. Im Interview spricht Gründungspartner und Geschaftsführer Josef Saller über aktuelle Tendenzen und seinen Wunsch nach neuen Utopien.

 


© Hans Schubert

 

Wie können in kurzer Zeit qualitativer Wohnraum geschaffen und die Möglichkeiten des Holzbaus weiterentwickelt werden? Mit dem „Forum am Seebogen“ als nutzungsoffenem Stadthaus in der Seestadt Aspern in Wien haben heri&salli einen zeitgemäßen Prototypen entwickelt, der einen speziellen Fokus auf die zukünftigen Potenziale von Modul- und Systembauweisen legt. Unterschiedliche Wohnungstypologien werden dabei über Variationen und Kombinationen vorgefertigter Grundmodule erzeugt, wobei Add-ons, Zuschaltbarkeiten und Terrassen das Repertoire für eine Vielfalt an Möglichkeiten bilden. Von wegen starr und monoton – gehört der Modulbauweise die Zukunft?

Sie befassen sich zurzeit intensiv mit dem Thema des experimentellen Wohnungsbaus in Modulbauweise – was reizt Sie daran besonders?

Was den Modulbau angeht, liegt der Reiz für uns darin begründet, dass zukünftig die serielle Bauweise eine ernsthafte Alternative zu den üblichen Herangehensweisen darstellen wird. Wir versuchen, die Potenziale von Modul- und Systembauweisen auszuloten, um dadurch neue Erkenntnisse für die möglichen Einsatzgebiete des Modulbaus zu erlangen.

Entgegen der landläufigen Meinung muss Modulbau nicht monoton sein – wo sehen Sie hier die größten Chancen?

Enormes Potenzial sehen wir in der Variabilität in der Serie. Über die Variationen und Kombinationen vorgefertigter Grundmodule werden sich einerseits unterschiedliche Raumtypologien erzeugen lassen. Andererseits wird die modulare Bauweise endlich weiter individualisierbar werden, indem sich die Elemente ohne Veränderung des Systems standardisiert umrüsten und konfigurieren lassen werden. Bei diesen Umbauten lassen sich zudem die Ressourcen bestehender Module miteinander vergleichen und je nach Einsatzgebiet unterschiedlich anwenden beziehungsweise weiternutzen.

 


Die Music Box am Arsenalsteg in der Nähe des Wiener Hauptbahnhofs ist auf die Bedürfnisse und Ansprüche von kreativ Tätigen – im speziellen Musikschaffenden – abgestimmt. © Paul Ott

 

Wie lässt sich Modulbau konkret variabel gestalten und was sind dabei die Herausforderungen?

Das Verbinden und Trennen einzelner Bauteile wird künftig der wesentliche Inhalt dieser systemischen Arbeitsweise sein. Das Denken in Abschnitten wird durch das Denken in austauschbaren und anpassbaren Teilen ersetzt. Dadurch verändert sich die lineare Verwendung des Modulbaus in ein Ein- und Ersetzen der einzelnen Teilbereiche beim Modul.

Was können Architekt:innen, aber auch Bauträger und die Politik bezüglich lebenswertem, attraktivem und großmaßstäblichem Wohnungsbau noch besser machen?

Die Politik hat die Möglichkeit, sowohl baulich als auch funktional gewisse Parameter vorzugeben, welche in weiterer Folge einzuhalten sind. Das können beispielsweise Anhaltspunkte für gemeinschaftliche Standards, die Durchmischung von Funktionen, gewisse Qualitäten für Freiräume oder die generelle Attraktivierung der Erdgeschosszonen inklusive Regulierung der diesbezüglichen Mietpreise sein, um entsprechend Entwicklungspotenziale zu erzeugen. In weiterer Folge heißt es dabei aber auch, die Qualität zu sichern. Im Prinzip geht es um einen gesamtheitlichen Ansatz, der das Entstehen von Gemeinschaften fördern soll.

Hinsichtlich der Bauträger sehen wir aufgrund aktueller Entwicklungen von Mischnutzungskonzepten die Möglichkeit und die Notwendigkeit, sich vermehrt mit der Betreuung eben dieser Mischnutzungen auseinanderzusetzen. Es ist wichtig, diese „Aufgaben“ auch konzeptionell verstärkt in das Portfolio zu integrieren. An uns Architekt:innen plädieren wir, wieder verstärkt zukunftsfähige Programme für unser gesellschaftliches Zusammenleben zu formulieren. Wir sind der Meinung, dass wir für unsere Aufgaben – insbesondere auch für Krisen – wieder mehr Utopien, positive Utopien benötigen.

 


Das „Forum am Seebogen“ in der Seestadt Aspern setzt einen speziellen Fokus auf die zukünftigen Potentiale von Modul- und Systembauweisen. © Paul Ott

 

Wohin wird hier die zukünftige Entwicklung Ihrer Meinung nach gehen?

Wenn wir in Zukunft über neue Konzepte im Modulbau nachdenken wollen, müssen wir lernen, systemisch zu denken. Daher: Die Elemente sind Teil eines großen Ganzen und stehen in einer wechselseitigen Beziehung.

Ein Wunsch für unsere (gebaute) Zukunft?

Dass der Modulbau einen wesentlichen Beitrag zur zukünftigen Baukultur leisten wird.

www.heriundsalli.com

 

 

Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen