Smart Home: Häuser mit K(n)öpfchen

23. Mai 2015 Mehr

 

Eine Haustechnik-Steuerung per Knopfdruck sorgt für mehr Komfort, mehr Sicherheit und weniger Betriebskosten. Die noch immer im Wandel befindliche Branche macht die Planung jedoch nicht einfach.

 

Ist das Garagentor geschlossen? Sind die Kellerfenster verriegelt? Ist der Herd noch an? Hauseigentümer, die von diesen oder ähnlichen Fragen auf dem Weg in den Urlaub geplagt werden, müssen nicht mehr umkehren. Eine stabile Mobilfunkverbindung, eine Smartphone-App und eine intelligente Haus-technik vorausgesetzt, kann man heute nahezu alles am und im Haus von unterwegs prüfen und steuern. Möglich machen das Raum- oder Gebäudeautomationssysteme. Sie dienen der Vernetzung haustechnischer Geräte und Anlagen mit zentralen Kontroll- und Steuerungseinrichtungen, um Gebäudefunktionen automatisiert und optimiert ablaufen zu lassen sowie deren Bedienung und Überwachung zu vereinfachen.

 

Mehr Komfort und Sicherheit,weniger Betriebskosten

Über eine fest installierte Steuerungseinheit mit berührungssensitivem LC-Display, ein mobiles Tablet oder Smartphone lässt sich das gesamte System vom Wohnzimmersofa aus steuern, kontrollieren und überwachen. Eine zentrale Beleuchtungssteuerung dimmt beispielsweise Räume nach Wunsch oder entsprechend ihrer aktuellen Nutzung automatisch und spart so Kosten. Studien zufolge mindern Raum- und Gebäudeautomations-Systeme im Vergleich zu konventionellen Gebäuden die Betriebskosten um bis zu 40 Prozent. Möglich machen das bedarfs-, tages-/jahreszeit- und bewegungsabhängige Schalt- und Dimmmöglichkeiten der Beleuchtung oder eine aufeinander abgestimmte Steuerung von Heizung, Lüftung, Klimatisierung und Sonnenschutz. So werden Fenster bei geöffneten Heizkörperventilen oder eingeschalteter Klimaanlage selbstständig geschlossen, die Sonnenschutz-Steuerung auf die Nutzung passiver Solarerträge optimiert. In der Küche regelt der Küchenherd seine Temperatur nach Rezept und schaltet sich bei Nichtbenutzung ab. Die Spül- oder Waschmaschine nutzt selbstständig günstige Stromtarifzeiten und anderes mehr.

Alleine durch das zentrale, kontrollierte Abschalten von Stromverbrauchern und Stand-by-Geräten können rund 15 bis 20 Prozent Stromkosten gespart werden. Wird zusätzlich die Heizungsanlage unter Berücksichtigung der tatsächlichen Raumnutzung, der Umgebungs- und Wetterbedingungen sowie der Tageszeit zentral gesteuert, lassen sich in einem Wohngebäude weitere 20 Prozent an Energiekosten einsparen. Zusätzliche Optimierungspotenziale entstehen, wenn Energieverbrauchsdaten von Wärme-, Wasser-, Gas- und Stromzählern zentral erfasst, online übermittelt und quasi in Echtzeit ausgewertet werden. Begünstigt wird die Raum- und Gebäudeautomation auch durch aktuelle Entwicklungen, wie etwa den demografischen Wandel, respektive das altersgerechte Wohnen: Für die ältere Generation oder Menschen mit Handicap bietet das intelligente, fernüberwachte Haus mehr Komfort und Sicherheit: Ungenutzte Herdplatten oder Geräte, die Schäden verursachen können, werden rechtzeitig abgeschaltet, Fehlermeldungen an den örtlichen Installateur oder Notdienst weitergeleitet. Rauch-, Bewegungs- oder Glasbruchmelder geben Alarmmeldungen online an Wachdienste weiter. Eine Fernüberwachung von Fenster- und Türkontakten, Bewegungsmeldern über gesicherte Internetverbindungen sowie eine Anwesenheitssimulation bieten ebenso mehr Schutz vor Einbrüchen, wie das selbstständige Schließen von Türen und Fenstern, wenn die Bewohner das Gebäude verlassen. Online-Überwachungssysteme ermöglichen über Miniaturkameras und Mikrofone eine jederzeitige Überprüfung des aktuellen Gebäudezustands.

 

Smarte Technik planen und nachrüsten

Für die Steuerung der Raum- und Gebäudefunktionen und die Gerätekommunikation kommen kabelgebundene Bus-Systeme (Binary Unit System) oder Funksysteme zum Einsatz. Zu den genormten, herstellerunabhängigen Bussystemen gehören der KNX- (früher EIB-), LON- oder der BACnet-Standard. Bus-Systeme werden vor allem in Neubauten installiert, da man sie von Anfang an mit einplanen muss. Dabei bestimmt in der Regel der Fachplaner die Größe der Steigzone, des Wohnungs- bzw. Geschossverteilers, die Dimensionen der Leerrohre, die Anzahl und Art der Anschlusspunkte und die Anzahl und Typen der Kommunikationskabel. Kabel oder Leerrohre, Installationskanäle und Anschlussdosen, Schalter, Sensoren und Bedienterminals müssen dabei möglichst so geschickt im Haus verteilt werden, dass eine flexible Gebäudenutzung über viele Jahre möglich ist. Inzwischen setzen immer mehr Hersteller auf Funksysteme, weil sie sich leichter installieren lassen, preiswerter und flexibler sind. Zudem sind sie in der Altbaumodernisierung oder bei historischer Bausubstanz ideal einsetzbar, weil man im Idealfall keine Wände aufstemmen muss.

Zu den wichtigsten Funk-Standards zählen DECT, EnOcean, HomeMatic, KNX-RF, ZigBee, Z-Wave sowie Bluetooth und WLAN, die sich insbesondere in der Reichweite unterscheiden. Während die PC- und Smartphone-Nutzern vertrauten Dantefunk-Standards Bluetooth und WLAN mit etwa 10 Metern nur begrenzt durch Wände dringen, erreicht der DECT-Standard mit 50 bis 100 Metern im Innenbereich die größte Reichweite. Zu den weiteren Unterscheidungsmerkmalen der Funkstandards zählen das aktuelle Marktangebot an passenden Systemkomponenten und Geräten, die Kompatibilität untereinander und die Kosten. Nachteilig nahezu bei allen Funksystemen ist, dass irgendwann die Batterien gewechselt werden müssen. Lediglich batterielose Systeme von EnOcean sind wartungsfrei. Eine weitere Alternative, insbesondere für die Nachrüstung vorhandener Gebäude, ist die Powerline-Technik. Sie nutzt zur Signalübertragung das vorhandene 230 V-Installationsnetz und überlagert dabei die Netzspannung mit hochfrequenten Signalen. Bei der Konzeption und Auswahl von Technik und Produkten sollte man auch auf Praxistauglichkeit und Sicherheit achten. Dazu zählen die Störunempfindlichkeit der Anlage gegenüber Schaltimpulsen, Störsignalen durch Mobilfunk, WLAN etc., die Manipulationssicherheit sicherheitsempfindlicher Bereiche (Zugangskontrolle, Fensterlüftung, Garagentorantrieb etc.), die Wartungshäufigkeit und anderes mehr.

 

Marktsituation und Kosten

Trotz zahlreicher Vorteile wird die smarte Gebäudetechnik noch zögerlich angenommen. Das hat verschiedene Gründe: So warten viele Fachplaner und ausführende Betriebe noch ab, denn der Markt ist noch immer in Bewegung. Jedes Unternehmen versucht, eigene Standards zu etablieren, die untereinander konkurrieren. Die vielen Standards, von denen nur wenige miteinander kompatibel sind, verunsichern potenzielle Kunden, aber auch Planer. So ist man gezwungen, alle Geräte von einem Hersteller zu erwerben oder Inkompatibilitäten in Kauf zu nehmen. Dabei liegt der Mehrwert gerade im intelligenten Zusammenspiel aller Komponenten möglichst aller Gewerke. Zwar gibt es mittlerweile zahlreiche Initiativen, die über Kooperationen mit Geräteherstellern für mehr Produktauswahlmöglichkeiten sorgen. Mehr Auswahlsicherheit bietet aber auch das nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass smarte Gebäude teurer sind. Die Mehrkosten, etwa für Bus-Systeme gegenüber konventioneller Installation, belaufen sich auf 5 bis 25 Prozent, je nach eingesetzter Technik und Ausbaustufe. Einsteigerpakete ab 1.000 Euro pro Wohneinheit enthalten neben der Busverlegung teilweise auch die Beleuchtungssteuerung. Eine Vollverkabelung eines durchschnittlichen Mehrfamilienhauses mit Licht-, Heizungs- und Verschattungssteuerung kostet ab 5.000 Euro pro Wohneinheit. Funksysteme sind etwa halb so teuer. Bedenken sollte man auch, dass smarte Endgeräte mehr kosten als ihre konventionellen Pendants. Diese Mehrkosten machen sich durch die Einsparung von Kupferkabel und Energie aber schon nach einigen Jahren bezahlt.

 

Entwicklungen und Trends

Früher wurde die intelligente Gebäudetechnik vom zentralen, fest installierten Bedienpaneel aus gesteuert. Diese haben unter anderem den Vorteil, dass sie professionelle Industriequalität bieten und jahrelang erhältlich sind. Doch warum sollte man vom Sofa aufstehen, wenn das Smartphone oder Tablet direkt auf dem Wohnzimmertisch liegt? Mittlerweile gehören Mobil-PCs zum Alltag vieler Haushalte. Was liegt also näher, sie auch als mobile Bediengeräte für technische Anwendungen rund um das Gebäude zu nutzen? Smartphones und Tablets – allen voran das iPhone oder das iPad von Apple – haben aufgrund ihrer enormen Popularität inzwischen sogar das Potenzial, zu einem Zugpferd für die haustechnische Anlagensteuerung und Gebäudeautomations-Systeme zu werden. Mittlerweile kommen in fast regelmäßigen Abständen neue hautechnische App-Anwendungen hinzu – von der Kontrolle einzelner Geräte, über das Energiemonitoring, bis zur umfassenden Gebäudesteuerung. Per App lässt sich die gesamte Gebäudetechnik von einem beliebigen Raum innerhalb des Gebäudes oder mobil von unterwegs kontrollieren.

Die Möglichkeiten von Raum- und Gebäudeautomationssystemen sind schon jetzt vielfältig, doch die Entwicklung geht weiter: So wird das „Internet der Dinge“, d. h. die digitale Vernetzung „intelligenter“ Objekte und Geräte, die Entwicklung der Raum- und Gebäudeautomation weiter beschleunigen und die Möglichkeiten erweitern: Systembauteile wie Lüftungsfilter oder Brandmelder werden ihre Wartungsintervalle selbstständig kontrollieren und Servicetechniker herbeirufen, um Verschleißteile oder Verbrauchsmaterialien zu erneuern. Das intelligente Haus wird mithilfe dezentraler Temperatur-, Rauch-, Gas-, Feuchtigkeits-, Licht-, Wind-, Bewegungs- und Drucksensoren sehen, hören, riechen und fühlen können. Selbstlernende Steuerungssysteme werden die Gewohnheiten der Bewohner registrieren, daraus ihre Schlüsse ziehen und das Zusammenspiel der Systemkomponenten optimal daran ausrichten. Eine Sprach- und Gestensteuerung wird für noch mehr Bedienungskomfort sorgen.

 

Smart Home? Aber sicher!

Energie- und sicherheitsbewusste Bauherren, aber auch gegenüber neuen technischen Entwicklungen offene Planer kommen an intelligenter Gebäudetechnik heute nicht mehr vorbei. Schließlich werden Aspekte wie Energieeffizienz, Komfort und Sicherheit aufgrund aktueller Entwicklungen (langfristig steigende Energiepreise, demografischer Wandel, Sicherheitsbedürfnis etc.) zunehmend wichtiger. Der Komfortgewinn macht Immobilien zudem beim Verkauf und Wiederverkauf attraktiver.

Zu viel Gebäudeautomation kann aber auch stören. Etwa, wenn sich am Arbeitsplatz während des Telefonierens plötzlich lautstark der Sonnenschutz meldet oder wenn es andererseits unmöglich ist, das Fenster nach eigenen Wünschen zu öffnen. Eine automatische Steuerung nach energetischen Gesichtspunkten mag zwar Betriebskosten senken, doch sie kann von den Bewohnern oder Nutzern auch als Bevormundung empfunden werden. Als Kompromisslösung wird die Automatiksteuerung deshalb häufig nur nachts aktiviert, tagsüber lassen sich Fenster und Sonnenschutz weiterhin manuell betätigen. Entscheidend für den Erfolg smarter Gebäudetechnik ist deshalb, dass sie nicht nur einfach bedienbar und wartungsarm ist, sondern auch abgeschaltet werden kann. Mindestens ebenso wichtig ist der Datensicherheitsaspekt: Probleme können vor allem unzureichend verschlüsselte Funkprotokolle, eine veraltete Hardware mit überholten Sicherheitsstandards oder unsichere Webzugänge verursachen. Die Technik muss störunempfindlich und vor allem manipulationssicher sein. Sie darf es Hackern oder technisch versierten Einbrechern nicht einfacher machen, weil sie sich mit wenigen Kunstgriffen einen Zugriff zur Gebäudetechnik verschaffen können. Untersuchungen zufolge weist noch immer so manche smarte Haussteuerung Sicherheitslücken auf und kann so zum Einfallstor für Manipulationen werden. Auch die Anlagensicherheit spielt bei der Auswahl und Einrichtung von Raum- und Gebäudeautomationssystemen deshalb eine zentrale Rolle.

 

Text: Marian Behaneck

 

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Kategorie: EDV, Kolumnen