Öko-Baustoffdatenbanken: Mit der Natur bauen
Natürliche Baustoffe liegen im Trend. Planer, die umweltbewusste Bauherren richtig beraten und nachhaltig planen wollen, sollten Öko-Baustoff- und Bauproduktdatenbanken sowie entsprechende Siegel kennen. Wer bietet was?
Bio und Öko haben Hochkonjunktur. Bei den Bio-Lebensmitteln hat sich der Umsatz binnen weniger Jahre vervielfacht. Ein ähnlicher Trend ist auch bei den Öko-Baustoffen zu beobachten: Für viele hat eine gesunde Lebensweise nicht nur mit der Ernährung zu tun, sondern auch mit den Dingen, mit denen man sich täglich umgibt. Berücksichtigt man, dass Menschen in Industrieländern einen großen Teil ihrer Lebenszeit in geschlossenen Räumen verbringen – nicht nur in Pandemiezeiten – wird deutlich, wie wichtig eine bewusste Auswahl von Wand-, Boden- oder Deckenmaterialien, Belägen oder Farben für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bewohner ist. Nicht nur Bewohner oder Nutzer haben etwas davon, wenn bei der Auswahl von Baustoffen Umweltaspekte ebenso berücksichtigt werden wie die Herkunft und Produktion, Transport-, Bau- und Montageabläufe, Lebenszyklusaspekte, ethische und soziale Faktoren und so weiter. Auch das Klima, die Umwelt, Tiere und Pflanzen profitieren – beispielsweise durch eine nachhaltigere Rohstoffgewinnung, weniger Giftstoffeinträge, durch die Einsparung von Energie, Ressourcen oder einen geringeren CO2-Ausstoß. Da der Bausektor hierzulande für rund ein Drittel des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen verantwortlich ist, könnte eine umweltbewusste Baustoffauswahl zu einer Reduktion beitragen. Ökobaustoff-Datenbanken und Ökosiegel geben erste Hilfen bei der umweltbewussten Baustoff- und Bauproduktauswahl.
Rund 90 Prozent ihrer Lebenszeit verbringen Menschen in geschlossenen Räumen – eine bewusste Auswahl von Wand-, Boden- oder Deckenmaterialien, Belägen oder Farben ist deshalb besonders wichtig. © Velux
Hilfen bei der Baustoffwahl
Eine fundierte Beurteilung und Auswahl von Bauprodukten ist für das nachhaltige Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden eine Kernaufgabe, der sich Architekten, Baubiologen, Gebäudeenergieberater oder Facility Manager zunehmend widmen müssen. Energie- und umweltbewusste Bauherren wollen schließlich nicht nur eine effiziente Haustechnik oder eine thermisch optimierte Gebäudehülle, sondern auch Baustoffe, die möglichst natürlich, nachhaltig und baubiologisch unbedenklich sind, bei der Herstellung wenig Energie verbrauchen, geringe Emissionen verursachen und gut wiederverwertbar sind. Deshalb sollten sich Planer mit nachhaltigen Baustoffen auskennen – was angesichts des unüberschaubaren Baustoff- und Bauproduktangebots nicht einfach ist. Umfassende, strukturiert aufbereitete, herstellerneutrale und herstellerspezifische Informationen zu ökologischen und nachhaltigen Bauprodukten bieten folgende Datenbanken (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Der DGNB Navigator ist eine von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. für Architekten, Planer, Investoren, Handwerker und DGNB-Auditoren kostenlos bereitgestellte Produktdatenbank. Standardisierte, auf das DGNB-System abgestimmte Datenabfragen ermöglichen eine schnelle Suche. Aufgelistet werden allgemeine Informationen, Produktkennwerte, Herstellerinformationen, Prüfprotokolle etc. (www.dgnb-navigator.de). Natureplus Database listet von Natureplus zertifizierte Produkte auf und enthält produktspezifische Daten und Prüfergebnisse für die Bewertung und den Vergleich wohngesunder und nachhaltiger Baustoffe. Zu den Produktdaten gehören Einsatzbereiche, Produktbeschreibungen oder Fotos, ferner technische Eigenschaften wie Maße oder bauphysikalische Kennwerte, ökologische Eigenschaften und Emissionswerte. Alle Daten können als PDF-Datei heruntergeladen werden (www.natureplus-database.org). ÖKOBAUDAT enthält rund 900 DIN EN 15804-konforme Ökobilanz-Datensätze zu Baumaterialien, Bau-, Transport-, Energie- und Entsorgungsprozessen. Mit Hilfe von Ökobilanzierungstools kann der gesamte Lebenszyklus von Gebäuden ermittelt werden, Produkt-Ökobilanzen lassen sich aber nicht erstellen. Enthalten sind sowohl generische als auch firmen- oder verbandsspezifische Datensätze aus Umweltproduktdeklarationen (www.oekobaudat.de). Die Baustoffdatenbank WECOBIS schließlich enthält zu allen Lebenszyklusphasen von Rohbau- und Ausbauprodukten Informationen zu Rohstoffen, Herstellung, Verarbeitung, Nutzung und Wiederverwertbarkeit. Enthalten sind keine spezifischen Bauprodukte, lediglich allgemeine Produktgruppen. Die Inhalte basieren auf Auswertungen der Fachliteratur, Informationen von Herstellerverbänden, Herstellern, wissenschaftlichen Instituten und Behörden (www.wecobis.de).
Ökologisch orientierte Baustoffdatenbanken haben ihren Fokus auf nachhaltigen Materialien und Produkten. © Natureplus e.V.
Welche Siegel gibt es?
Die Vielzahl von ökologisch orientierten Siegeln oder „Labels“ ist inzwischen unüberschaubar. Ganz grob kann man das Angebot an Umwelt- und Öko-Siegeln in drei Kategorien einteilen: Siegel, die der Bewertung von Materialien in Bezug auf eine nachhaltige Herkunft und Produktion dienen, Siegel, die zusätzlich auch bestimmte Produkteigenschaften zertifizieren oder Siegel, die für komplette Gebäude einen Nachhaltigkeitsnachweis liefern. Material-Siegel werden für nachhaltig produzierte Rohstoffe und Materialien vergeben und bürgen für eine an der Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit orientierte Nutzung von Ressourcen. Zu den ältesten gehört der 1993 begründete FSC-Standard, der nachhaltig produziertes Holz von Holzprodukten zertifiziert. FSC-Vergabekriterien sind unter anderem eine an der Balance zwischen Abholzung und Wiederaufforstung orientierte Forstwirtschaft, ökologisch vertretbare Produktionsmethoden sowie humane Arbeitsbedingungen. Mit Material-Siegeln ausgezeichnete Produkte sind allerdings nicht zwangsläufig ökologisch oder gesundheitlich unbedenklich. Es wird lediglich die Herkunft und Produktkette zur Rohstoffgewinnung überprüft und zertifiziert. Produkt-Siegel prüfen und zertifizieren auch alle für die Produktion eines Produktes erforderlichen Materialien auf Herkunft und Nachhaltigkeit. Darüber hinaus untersuchen sie auch die Qualität und die biologischen oder chemischen Eigenschaften des kompletten Produktes, das häufig aus mehreren Komponenten besteht. Zu den Vertretern von Produkt-Siegeln zählen beispielsweise das Kork-Logo. Gebäude-Siegel prüfen das gesamte Bauwerk auf seine Nachhaltigkeit – und damit auch alle darin verbauten Baumaterialien und -produkte. Auch bei deren Herstellung anfallende Emissionen oder Energieverbräuche sowie Lebenszykluskosten, die sich aus Betriebs-, Inspektions-, Wartungs- oder Reinigungskosten zusammensetzen, werden berücksichtigt. Beispiele sind das Bewertungssystem DGNB von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, respektive der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI). Diese beziehen auch den Gebäude-Lebenszyklus, Lebenszykluskosten, die Prozess- und Standortqualität oder soziokulturelle Faktoren mit ein.
Material- und Produktprüfungen setzen umfangreiche Prüfungen voraus – so wird beispielsweise in klimatisierten Prüfkammern untersucht, welche Schadstoffe von Materialien an die Raumluft abgegeben werden. © JTÜV Rheinland
Wofür stehen wichtige Öko-Siegel?
Öko- oder Nachhaltigkeitssiegel gibt es fast wie Sand am Meer. Allein im Baubereich reicht die Palette von staatlichen Siegeln mit unabhängigen Prüfern, über Siegel von Interessensverbänden mit einer freiwilligen Selbstkontrolle, bis hin zu marketing- oder werbeorientierten Siegeln der Baustoffindustrie (Beispiele): Das DGNB-Gebäudesiegel der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. untersucht Gebäude auf ökologische Faktoren von Bauprodukten, wie etwa Außenwandbekleidungen, Bodenbelägen, Dämmstoffen, Bauplatten, Beschichtungen, Türen und Toren sowie Wasser- und Abwasseranlagen (www.dgnb.de). Auch die ÖGNI zertifiziert nachhaltige Gebäude und Quartiere nach dem DGNB-Qualitätszertifikat (www.ogni.at). Dagegen orientiert sich das von der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB) verwendete Bewertungssystem TQB 2010 an den Erfahrungen bestehender Bewertungssysteme und bezieht dabei auch neue Entwicklungen und Erkenntnisse der Gebäudebewertung aus dem In- und Ausland mit ein (www.oegnb.net). Das von der Europäischen Kommission initiierte EU Ecolabel prüft Produkte, darunter auch Bau- und Ausbauprodukte. Geprüft werden die Herkunft, chemische und biologische Eigenschaften, Güte und Qualitätskriterien, Zusammensetzung oder Fragen zum Recycling und zur Entsorgung. Geprüft werden auch Inhaltsstoffe und Emissionen gefährlicher oder gesundheitsgefährdender Stoffe, wie etwa Weichmacher (www.umweltzeichen.at). Das internationale Siegel PEFC des PEFC-Council (Programme for the Endorsment of Forest Certification Schemes) garantiert, dass verwendetes Holz überwiegend aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern kommt. Die PEFC-Variante „regional“ enthält zudem 100 Prozent zertifiziertes Material aus der auf dem Label genannten Region (www.pefc.de). Der Kriterienkatalog des international geltenden US-amerikanischen Gebäude-Zertifizierungssystems LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) berücksichtigt unter anderem den Standort, eine effiziente Nutzung von Wasser, Energie, Materialien und Ressourcen, ferner die Innenraumqualität sowie Innovation, Design und Regionalität. Das Siegel ermöglicht einen globalen Vergleich von Immobilien (www.usgbc.org/leed).
Diverse Online-Portale wie das Bauteilnetz oder Restado ermöglichen die direkte Wiederverwendung von altem Baumaterial. © Bauteilnetz, Restado
Fazit: Erst informieren, dann wählen
Angesichts des Überangebots und Überflusses an Baumaterialien und Bauprodukten wollen Bauproduktdatenbanken und Öko-Siegel Ordnung, Übersicht und Vertrauen schaffen und das jeweilige Material und Produkt vom Mitbewerb abheben. Allerdings herrscht unter den Gütezeichen, Labels, Siegeln und Zertifikaten inzwischen auch ein Wildwuchs, der eher zur Verwirrung beiträgt. Außerdem sind einige Bauprodukte-Siegel in den vergangenen Jahren in die Kritik geraten, weil beispielsweise Prüfkriterien nicht streng genug waren oder sind, diese sich an überholten Standards orientieren, weil Zulieferer von Rohstoffen, nicht aber deren Subunternehmen geprüft werden oder die Prüftermine zu selten, zu lax und vorher angekündigt sind. Teilweise dienen Siegel auch schlicht der Verbrauchermanipulation. Dringend nötig sind deshalb einheitliche EU- oder internationale Standards. Solange sind Planer und Bauherren gezwungen, sich das hinter einem Label steckende Konzept, die Auswahl-, Prüf- und Zertifizierungskriterien genau anzuschauen. Sinnvoll ist es auch, sich anhand von seriösen, unabhängig recherchierten und ökologisch orientierten Datenbanken wie Natureplus Database, ÖKOBAUDAT oder WECOBIS vorher über nachhaltige Bauproduktkategorien zu informieren und danach das geeignete Produkt eines Herstellers auszuwählen. Hat es dann noch ein vertrauenswürdiges Siegel – umso besser! Achten sollte man aber nicht nur auf das Produkt, sondern auch auf seine Verpackung. Besteht sie aus Kunststofffolien und Styropor oder gar einem nicht mehr trennbaren Materialmix, wird der Nachhaltigkeitsanspruch des damit verpackten Produktes ad absurdum geführt. Klar ist auch: Umweltschonende, nachhaltig hergestellte Bauprodukte sind gut. Besser ist die direkte oder stoffliche Wiederverwertung von Abbruchmaterial. Obwohl Bau- und Abbruchabfälle hierzulande einen großen Teil am gesamten Brutto-Abfallaufkommen pro Jahr ausmachen, werden aus Recyclingmaterialien hergestellte Bauprodukte oder komplette Bauelemente wie alte, aber noch intakte Fenster oder Türen noch viel zu wenig genutzt.
Nachhaltige Bauprodukte sind gut, die direkte oder stoffliche Wiederverwertung von Abbruchmaterial ist besser. © BRV
Text: Marian Behaneck
Kategorie: EDV, Kolumnen, Sonderthema