Der Himmel und wir
In jüngster Zeit liest man immer öfter über die Auswirkung unserer urbanen Beleuchtung auf den nächtlichen Himmel und seine Wahrnehmbarkeit. Wie mächtig darf die Lichtglocke sein, die den freien Blick auf die Sterne unmöglich macht? Und wer unter den Jüngeren kann sich noch erinnern, in der Stadt mit eigenen Augen die Milchstraße gesehen zu haben?
Licht selbst sieht man nicht, erst wenn es auf ein Medium trifft, im Falle der Lichtverschmutzung sind das Aerosole in Form von Smog oder Nebel, wird es für uns wahrnehmbar. Dieses Streulicht überstrahlt dann, je nach Wetterlage mehr oder weniger, die schwächer leuchtenden Sterne und sorgt so für den mittlerweile vertrauten, vergrauten Nachthimmel.
Man mag die Forderung nach dem ungestörten Blick aufs Firmament vielleicht als nostalgische Schwärmerei abtun. Bei nüchterner Betrachtung stecken jedoch harte wirtschaftliche Faktoren dahinter. Bedeutet es doch, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der eingesetzten Energie nicht widmungsgemäß, nämlich zum Beleuchten der Straßen und Fassaden, verwendet wird. Obwohl es sich natürlich nie ganz vermeiden lassen wird, Licht nach oben zu schicken (beleuchtete Flächen wie Fahrbahnen und Fassaden streuen ihrerseits einen Teil des Lichts auch nach oben), könnten nach einer Schätzung der Wiener Umweltanwaltschaft durch geeignete Maßnahmen bis zu 10 Prozent der im städtischen Raum für die Beleuchtung eingesetzten Energie eingespart werden.
Kleine Fische, große Fische
Firmen oder Hauseigner, die im Wettbewerb mit der Konkurrenz oder ihren Nachbarn allzu oft weit über das Ziel hinausschießen, mögen für sich betrachtet harmlos erscheinen. In Summe tragen sie einen wesentlichen Teil zum Lichtverschmutzungskuchen bei, zeigen sich jedoch oft nicht einsichtig; zu wichtig ist es, visuelle Präsenz zu zeigen. Werbeschilder und Firmenlogos haben oft viel zu hohe Leuchtdichten. Auf Parkplätzen, Betriebsgeländen oder Lagerflächen findet man unzählige falsch eingesetzte Planflächenstrahler mit viel zu großem Anstellwinkel, die weit in das Umfeld strahlen und blenden.
Der gesetzliche Hebel, um diese privaten Lichtschleudern zu regulieren, ist eher kurz – wenn nicht die Verkehrssicherheit durch Ablenkung bedroht ist oder Anrainer sich massiv gestört fühlen. Dabei kann oft mit kleinen (aber intelligenten) Korrekturen nicht nur die störende Wirkung minimiert, sondern auch Energie gespart werden.
Im öffentlichen Bereich liegt die Sache anders, zwar sind die Auswirkungen flächendeckend sichtbar, aber es gibt nur einen Entscheidungsträger, der, wenn der Konsens erstmal gefunden ist, die neue Richtung vorgibt. In den Himmel abstrahlende Kugelleuchen oder freibrennende Leuchten werden heute – ganz der Norm entsprechend – nicht mehr eingeplant, aktuelle hocheffiziente Reflektortechnik ist angesagt. Schon schreiben Städte wie z. B. Laibach komplett ausgeblendete Leuchten zwingend vor. Dadurch wurde die Emission von Streulicht deutlich reduziert. Jedoch ist noch einiges an Altlasten im Bestand und der Anteil der öffentlichen Beleuchtung an der Gesamtlichtverschmutzung beläuft sich auf etwa 20 Prozent, Tendenz fallend.
Ein in Umweltschützerkreisen gerne diskutiertes Thema sind Bodeneinbaustrahler, weil sie oft nur nach oben strahlen und der größte Anteil des produzierten Lichts verschleudert wird. Das trifft in vielen Fällen zu, man findet leider immer wieder Platzgestaltungen mit verstreuten symmetrisch strahlenden Bodenleuchten, die eigentlich der Orientierung dienen sollen, aber nichts außer den vorbeiziehenden Wolken beleuchten und nur die Passanten blenden. Doch bei fachgerechtem Einsatz und mit korrekt asymmetrischer Lichtverteilung lässt sich das Licht dorthin bringen, wo es benötigt wird: auf die Fassade.
Zuletzt sollten noch die Sky-Beamer erwähnt werden, die vom Standpunkt des Umweltschutzes inakzeptabel sind, die aber, wenn sie für gelegentliche Events und nur vorübergehend eingesetzt werden, gerade noch vertretbar sind – als Dauerinstallation einer Disco neben der Autobahn jedoch nicht – schon aus Gründen der Flugsicherheit. Ähnliches gilt für die Flutlichtbeleuchtung von Sportstätten wie z. B. Fußballstadien, bei Nachtskipisten mit Dauerbetrieb sollten unbedingt Umweltexperten beigezogen werden und auch die Anrainer mit ins Boot geholt werden.
Lichtimmission
Wo viel Licht raus geht, geht auch viel rein: Nicht nur der Himmel und die sogenannte Natur sind durch die Lichtverschmutzung betroffen, auch der Mensch in seinem ureigensten Refugium, nämlich seinen Wohn- und Schlafräumen. Viele kennen das aus leidvoller Erfahrung, wenn eine Straßenleuchte ins Bett strahlt oder wenn eine animierte Leuchtreklame oder Autoscheinwerfer ihre Lichtspiele an die Zimmerdecke projizieren und den Schlaf rauben.
Unserer Ansicht nach sollte nach Möglichkeit spätestens ab Mitternacht die Nachtruhe für Mensch, Tier und Pflanzen einkehren, was durch die Nachtabsenkung der öffentlichen Beleuchtung schon der Fall ist. Private Betreiber aber schalten (noch) zu selten ihre Fassadenanstrahlungen ab oder reduzieren die Leuchtkraft ihrer Werbeschilder.
Schöne Aussichten
Um sich in seinem Umfeld zurechtzufinden, sind der Mensch und seine Wahrnehmung auf die künstliche Beleuchtung angewiesen. Sie ist aus unserem urbanen Leben nicht mehr wegzudenken und sorgt für mehr Sicherheit und Wohlbefinden, an ihrer Qualität muss aber noch gearbeitet werden.
Will man eine „Nightscape“ schaffen – wie der französische Lichtplaner Roger Narboni die Topografie der nächtlichen Wahrnehmung nennt – muss der nächtliche Raum als Ganzes betrachtet werden, in dem alle mitspielenden Elemente ausgewogen in Beziehung zueinanderstehen, wo hellere Zonen und wo dunklere Zonen sein dürfen. Nach dem Motto „Weniger ist mehr“ sollte die Zielvorgabe sein, mit aufeinander abgestimmten, durchkomponierten Lichträumen ein Wettrüsten mit immer höheren Lichtniveaus zu vermeiden.
Kategorie: Licht