Landschaft, Natur und Garten müssen wachsen

26. Dezember 2018 Mehr

D/D Landschaftsplanung, DI Anna Detzlhofer und DI Sabine Dessovic

Ganz stilgemäß, bei Kaffee und Karottensaft, sprach architektur mit DI Sabine Dessovic, Partnerin im Büro D/D Landschaftsplanung in einem Biosupermarkt in Wien, Meidling. Das Thema war Landschaft, Natur und Architektur sowie die mögliche Sprachlosigkeit in deren Vermittlung.

Frau Dessovic, Sie haben mit Ihrem Büro für Landschaftsplanung einen ganz anderen Zugang zur Architektur, als ein „normales“ Architekturbüro. Wie würden Sie Ihre Herangehensweise an den Komplex Landschaft – Natur – Architektur beschreiben?

Es besteht eine sehr intensive Verbindung zwischen diesen drei Begriffen und gute Architektur geht sehr stark auf den Außenraum ein. Gute Architekten nehmen, wenn sie etwas in die Landschaft hineinbauen, diese schon sehr richtig wahr. Sie arbeiten mit der Landschaft, der Positionierung und im Idealfall ist es ein gemeinsames Erarbeiten mit uns zusammen.

 

D/D Landschaft splanung

Anna Detzlhofer und Sabine Dessovic stärken sich gegenseitig den Rücken. Foto:©Horak

 

Der Kontext mit der Natur?

Ja, es gibt allerdings auch eine Herangehensweise, die auf gar nichts Rücksicht nimmt. Wenn ein übergeordnetes Bauwerk, etwas Künstlerisches zum Beispiel, sozusagen als Kontrast in die Landschaft gesetzt wird. Das hat auch seine Berechtigung.

Sie haben ja eine andere Definition von Architektur als ein Architekt. Sie gehen von der Landschaft, von der Natur aus, ein Architekt geht meist vom Gebauten, von der Hardware aus.

Ja, und das ist auch das Spannende. Wir freuen uns jedes Mal, wenn die Verknüpfung der beiden zu einem homogenen Ganzen gelingt. Wenn die Sicht von außen mit der Sicht von innen verbunden wird.

Welche Bedeutung hat Zeit in Ihrer Arbeit? Ein Architekt baut und dann ist das Werk fertig. Sie planen Natur, Landschaft, das impliziert den Zeitfaktor. Sie ist nicht fertig, wenn das Projekt beendet ist, sie verändert und bildet sich.

Das spielt eine Rolle, vor allem bei Architekten, die nicht so landschafts­affin sind, in der Aufklärung über das Unverhältnis am Tag der Eröffnung der Architektur. Da zeigen sich die Materialitäten des Bauwerkes, so wie sie sein sollten. Der Landschaftsgarten, die Natur, braucht zwei oder drei Jahre, das erzeugt Spannungen.

Eine wesentliche Kritik an der Architektur unserer Zeit ist, dass der Prozess, die Zeit zwischen Idee und Materialisierung nicht mehr sichtbar wird. Zeit wird ausgespart. Bei Ihnen ist das genau entgegengesetzt. Da wird das Ergebnis gerade erst durch die Zeit sichtbar, spürbar und erlebbar.

Das ist auch das Schöne! Dadurch entsteht auch die Möglichkeit, noch einmal einzugreifen. In der Zeitspanne, wenn am Ende des Bauprozesses der Garten sich mit den ersten kleinen Pflanzen und Gewächsen darstellt, kann man auf die Räumlichkeit, auf den Ort noch mit der Pflege eingehen, auch etwas verändern. In der Architektur findet dieser Prozess meist im Innenraum, in der Einrichtung und der Anpassung an das echte Leben statt.
Wenn man ein Möbel kauft und in die Wohnung stellt, braucht es eine Zeit, bis es seinen Platz gefunden hat, sich im Raum gesetzt hat. Genauso ist es mit der Landschaftsarchitektur, man muss der Räumlichkeit die Zeit geben, sich zu entwickeln. Das bedeutet aber auch, sich Zeit nehmen, sich Zeit lassen und das ist auch mit Kosten verbunden. Landschaft, Natur oder Garten sind keine Produkte, die sofort vorhanden sind.

Wann ist eine Landschafts­architektur gut?

Wenn sie zwei Aspekte erfüllt: Erstens muss sie von den Menschen angenommen werden, ihre Aufgabe erfüllen. Sei es eine ästhetische oder auch eine Nutzungsaufgabe. Zweitens kann oder muss sie auch eine Art Bildungsaufgabe erfüllen. Landschaftsarchitekten haben eine sehr breite Ausbildung – Soziologie, Ökologie, Geschichte, Technik – wir sind ununterbrochen in der Kommunikation mit sehr vielen Menschen aus den verschiedensten Schichten. Uns so kann Landschaftsarchitektur ein verbindendes Glied in der Gesellschaft sein.

Wo wird sich die Architektur hin entwickeln?

Bei der berechtigten Architektur sehe ich verschiedene Richtungen. Das eine ist die Richtung, die versucht, Technik und Innovation bis aufs Äußerste auszuloten. Das hat seine Berechtigung, denn der Mensch sucht, reizt das Neue und der Architekt versucht damit Neues zu schaffen. Das ist die Neugierde des Menschen!
Die zweite ist die Gruppe von Architekten, die sich mit der Ökologisierung von Häusern auseinandersetzen, die versuchen so zu bauen, dass wenig Energie verbraucht wird, dass ein Einweben in die Natur stattfindet. Und die dritte ist die Weiterentwicklung des klassischen Gründerzeithauses. Das ist eine Architektur, die aufgrund ihrer Parameter (Schnelligkeit, Preis) eine gewisse Einheitlichkeit hat und sehr prägend für unsere Städte ist.
Und da wir davon ausgehen, dass die Städte in Zukunft auch wachsen werden, finde ich das eine (zurzeit fehlende) Diskussion, die sehr spannend ist, denn neu geschaffener (Wohn)Raum kann doch nicht jedes mal ein Einzelwerk sein, ein Haus, das nur für sich dasteht und sagt: „Schau, das bin ich!“

 

Landschaft Norwegen Opera

Die „Norwegian National Opera and Ballet“ als gutes Beispiel für die Verschmelzung von Umraum, Natur und Architektur und der Einbeziehung des Menschen. Foto:©SNOHETTA

 

Hat Architektur, aus der Sicht des Landschaftsplaners, noch einen Sinn?

Auf jeden Fall, das Gebaute ist ja ein Kulturgut und Architektur ist eines der wichtigsten Kulturgüter überhaupt. Das ist der Allgemeinheit oft viel zu wenig bewusst. Architektur schafft mit Raum, mit Grenzen unseren Bewegungsraum, unser Dasein. Raum und Mensch beeinflussen sich gegenseitig. Räume, in denen man sich wohlfühlt, haben eine Wirkung auf den Menschen und das wirkt wieder zurück auf den Raum. Das ist auch für unsere Städte sehr wichtig.

Da spielt die Landschaft, die Natur eine große Rolle!

Ja, hier ist die Referenzierung noch mehrschichtiger. Ein Baumschatten bringt eine ganz andere Atmosphäre als eine textile Pergola. Das ist aber sehr schwer zu vermitteln, begreifbar zu machen, vor allem wenn es um monetäre Dinge geht. Ein Baum in einer Stadt hat unfassbar andere Qualitäten, als ein gebauter Schatten. Zu diesem Atmosphärischen kommt noch das Optische dazu, der Geruch und viele weitere „weiche“ Faktoren. Um das zu erklären, diese Parameter darzustellen – fehlen mir manchmal die Worte.

 

Text:©Peter Reischer

Kolumne People Teil 11

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Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen