Euroluce – Frühlingslüfterl
Was gibt es Schöneres, als dem ausklingenden Wiener Winter gen Italien zu entfliehen? In der Sonne bei einem kurzen Espresso zu sitzen und wieder mediterranes Lebensgefühl zu spüren? Der Mailänder Frühling hat sich diesmal aber unerwartet herb gezeigt, die Temperaturen lagen noch unter jenen in Wien, zwei der drei Tage waren verregnet. Das half natürlich der Konzentration auf das Wesentliche.
Abwechselnd mit der Light & Building in Frankfurt und zugleich mit dem Salone Mobili findet in jedem zweiten Frühjahr die Euroluce in Mailand statt. Auf dem weitläufigen, jenseits der Stadtgrenzen gelegenen Messegelände wird dem Thema Möbel bei Weitem der meiste Raum gegeben. Die Lichtmesse hingegen ist mit vier Hallen deutlich kompakter angelegt als die große Frankfurter Cousine, das Technologiesegment mit Komponenten oder Leuchtmitteln sucht man beinahe vergebens und Straßenleuchten sind auch kaum zu sehen. Der Schwerpunkt liegt eher auf dekorativen Leuchten.
Auffällig sind die teils dramatisch inszenierten Messestände, etwa jene von Flos, Vibia oder Foscarini. Dennoch gab es eine Menge Neues und Interessantes zu entdecken. Jake Dyson, inzwischen in das Staubsauger-Ventilator-Händetrockner-Imperium des Vaters einverleibt, zeigt endlich eine Variante seiner funktionellen Hängeleuchte Ariel in einer kombinierten Direkt/Indirekt Ausführung. Die integrierten Heatpipes sorgen für eine rasante Wärmeabfuhr (die Hochleistungs-LED wird konstant bei kühlen 32° gehalten) und eine extrem lange Lebensdauer von angeblich 37 Jahren.
Am Stand von Targetti lag der Fokus nicht primär auf dem Produkt, es wurden Methoden und die Tools dafür gezeigt, unter anderem die Neuauflage der Light of Florence Serie zur Beleuchtung historischer Gebäude. Und wieder zeigt sich: Die LED deckt inzwischen fast das gesamte Verwendungsspektrum ab, sowohl was den Output als auch die Lichtqualität betrifft.
Leitungsführung
Ein interessanter Trend ist die Aufwertung des stromführenden Kabels als definierendes Gestaltungselement. Ursprünglich vom spanischen Leuchtenhersteller Vibia vor drei Jahren als Wireflow-Leuchtenfamilie erdacht und auf der Lichtmesse in Frankfurt präsentiert, fanden sich diesmal gleich eine Reihe von Produkten, die mit Variationen des Themas spielten. Flos etwa zeigte wahrlich raumdurchspannende Installationen. Es scheint aber bei aller Konkurrenz durchaus freundschaftlich zur Sache zu gehen; so haben sich einige Firmen einkaufsseitig zusammengetan und kaufen die Kabel in Asien in größeren Mengen gemeinsam ein.
Ein echter Hingucker war die Leuchte Dancing Light, entworfen von Atelier Oi für Artemide. In einem eigenen Raum des Messestandes als Gruppenformation präsentiert, erinnern sie auf den ersten Blick an, mit wehenden perforierten Stoffröcken sich wild im Kreis drehende, mexikanische Tänzerinnen. Erst bei näherer Betrachtung (und Befühlung) merkt man, dass es eigentlich Deckenventilatoren sind, zudem gut funktionierende.
Eine erfreuliche Entdeckung waren die formschönen und funktionalen Leuchten der italienischen Firma davide groppi. Neben den schon erwähnten Spielereien mit dem befreiten Kabel waren auch ex-trem kompakte Deckenspots zu sehen, die randlos, mit Montageplatte oder eingebaut in stuckartige Verzierungselemente aus Aluguss, eine beachtliche Lichtmenge auf Tisch oder Boden zauberten.
Interni
Der eigentliche Geheimtipp in Mailand sind aber die zahllosen Nebenveranstaltungen, unter dem Titel ‚Interni‘ zusammengefasst. Während der Messewoche finden unzählige Ausstellungen, Events und Parties statt, verstreut über Locations in der ganzen Stadt. Darunter Schauräume von Leuchten- oder Möbelfirmen, adaptierte dekadente Palazzi oder abgefahrene Plätze wie etwa ein aufgelassenes Kino, in dem der Brite Tom Dixon sein Jubiläum feierte.
Es ist aber auch die Bühne für junge und noch unbekannte Designer, die hier die Chance nützen, sich einem globalen und interessierten Publikum zu präsentieren. Erwähnenswert sind Nyta aus Deutschland, die ihre simple, pfiffige und dabei extrem flexible Leuchte Tilt zeigten.
Und im Schauraum von Boffi im Luxusviertel Brera, war die schon im Vorjahr in Frankfurt präsentierte, wiewohl künstliche aber erstaunlich real wirkende Tageslichtinstallation von Coelux zu sehen. Auf der anderen Straßenseite zeigte Viabizzuno eine wahrlich spektakuläre Inszenierung der Elemente in einer Reihe von sechs begehbaren siloartigen Stahlkonstruktionen.
Der Trip in den Süden hat sich doch wieder ausgezahlt. Regen hin oder her, Mailand bleibt halt doch eine Stadt, in der sich Kontakte in entspannter Atmosphäre knüpfen lassen und man sich bei Ermattung mit Kaffee wieder fit machen kann.
Text & Fotos: podpod design