Energieausweis-Software: Gebäude energetisch analysieren und optimieren
Über die Ausweiserstellung hinaus unterstützt Energieausweis-Software Planer bei der energetischen und bauphysikalischen Gebäudeanalyse und -optimierung, der Energieberatung oder der Planung und Realisierung von Energiesparmaßnahmen. Wer bietet was und worauf sollte man bei der Softwareauswahl achten?
Der Erstellungsaufwand für bedarfsorientierte Energieausweise ist hoch – spezielle Software reduziert den Arbeitsaufwand. © Zehentmayer Software
Software für die Energieausweis-Erstellung ist sehr vielseitig. Sie erfasst und analysiert alle energetisch und bauphysikalisch relevanten Gebäudebauteile und Rahmenbedingungen, berücksichtigt neue Trends in der Bau-, Dämm- und Heiztechnik und nicht zuletzt aktuelle Entwicklungen bei den immer komplexeren Gesetzen, Normen und Richtlinien. Sie berücksichtigt ferner moderne Anlagentechnik wie Photovoltaik oder Stromspeicher, unterstützt Energieberater bei der Energie- und Fördermittelberatung, bei der energieoptimierten Gebäudeplanung und verbessert die Energiebilanz bestehender und neuer Wohn- und Nichtwohngebäude. Der große Funktionsumfang erschwert allerdings die Software-Auswahl, denn nicht jeder braucht alles. Dieser Beitrag gibt eine erste Orientierungshilfe.
Programme für die Energieausweiserstellung können auch Gebäude energetisch und bauphysikalisch umfassend analysieren und optimieren. © EDV Software Service
Was können Energieausweis-Programme?
Gegenüber der manuellen Berechnung bieten Energieausweis-Programme viele Vorteile: Datenbanken erübrigen die Recherche bauphysikalischer Kennwerte, Vorgabewerte vereinfachen die Eingabe, Plausibilitätsprüfungen minimieren Fehlerquellen. Änderungen eines Wandaufbaus, des Materials oder der Dämmung erfordern keine komplette manuelle Neuberechnung. Unterschiedliche Maßnahmen zur Verbesserung der Energiebilanz eines Gebäudes lassen sich schnell anhand von „Was-wäre-wenn-Szenarien“ durchrechnen: Wie wirken sich bessere Dämmmaterialien aus, neue Fenster, eine moderne Heizanlage, die Nutzung regenerativer Energien und so weiter? Für jede Maßnahme lassen sich Kosten und Nutzen gegenüberstellen. Sind Energiepreise und Investitionskosten bekannt, kann auch die Wirtschaftlichkeit von Energiesparmaßnahmen ermittelt werden. Die meisten Programme eignen sich darüber hinaus für die Vor-Ort-Beratung, für bauphysikalische Analysen (Taupunkt, Isothermenlinien, Akustik etc.) oder für die energetische Gebäudeoptimierung. Mit allen Programmen lassen sich Nachweise und Energieausweise erstellten. Nicht jede Software ist jedoch gleichzeitig für die Energieberatung oder energetische Gebäudeoptimierung geeignet, weil nicht mit jeder beispielsweise Wirtschaftlichkeitsberechnungen erstellt werden können. Nur damit lässt sich die Effizienz einzelner Maßnahmen überprüfen, indem beispielsweise Energieeinsparungen und Investitionskosten in Relation gesetzt und Amortisationszeiten berechnet werden. Für die Energieberatung sollten zusätzlich ein Berichtseditor oder eine Schnittstelle zu Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationsprogrammen vorhanden sein.
Basis aller Berechnungen sind auf Grundlage umfangreicher Bauteil-Datenbanken erstellte Bauteildefinitionen. © Zehentmayer Software
Energieausweise Schritt für Schritt
Für energetische Bewertungen müssen zunächst alle Randbedingungen wie die Lage, Gebäudeausrichtung, das lokale Klima, die Wetterexposition etc. sowie individuelle Nutzungsprofile berücksichtigt werden. Zur Erfassung von Gebäude- und Anlagendaten werden vor Ort aufgemessene oder aus Bauplänen ermittelte Längen oder Flächen eingegeben. In vielen Programmen erleichtern Assistenten die Eingabe – etwa durch Formeln für die Flächen- und Volumenberechnung. Auch 2,5D oder 3D-Hüllflächeneditoren unterstützen die Gebäudegeometrie-Erfassung und Zonierung. Alternativ können Gebäudegeometrien aus vorhandenen CAD-Daten oder per IFC-Schnittstelle aus BIM-Planungsdaten generiert werden, teilweise auch per Fotoaufmaß anhand von Fassadenfotos. Eine wichtige Arbeitserleichterung sind systematisch strukturierte Kataloge mit Baustoff- und Bauteildaten. Damit beispielsweise auch inhomogene Holzständerkonstruktionen oder Dachaufbauten eingepflegt werden können, müssen die Kataloge individuell erweiterbar sein. Eine schnelle Erfassung der Anlagentechnik für Heizung, Warmwasser und Lüftung unterstützen in der Regel Eingabeassistenten. Ausgegeben werden Ausweise und Nachweise für die verschiedenen Bundesländer in Form von Lang- und Kurzberichten auf dem Drucker oder digital als TXT-, RTF-, DOC- oder PDF-Datei. Energieausweis-Programme helfen auch, bauphysikalische Planungs- und Ausführungsfehler zu vermeiden, die Bauschäden und hohe Folgekosten verursachen können. So lassen sich U-Werte von Außenwandkonstruktionen ermitteln oder der Tauwasserausfall in der Außenwandkonstruktion anhand von Glaserdiagrammen darstellen. Über die Berechnungen von Temperaturverlauf und Wasserdampfdiffusion lassen sich Wand-Fensteranschlüsse an kritischen Stellen überprüfen und energetisch optimieren. Anhand übersichtlicher Grafiken können die Zusammenhänge auch dem Kunden anschaulich vermittelt und gemeinsam Lösungen erarbeitet werden. Mit Hilfe von Berichtseditoren können ferner komplette Beratungsberichte im eigenen Layout aus vorgegebenen und eigenen Textbausteinen, Formularen und Grafiken zusammengestellt und in ausführlicher Form – etwa für Fördermittel-Anträge – oder als kompakter Bericht zur Darstellung der wichtigsten Punkte für Bauherren, Investoren, Eigentümer oder Mieter ausgegeben werden.
Wo ist was verbaut? Bauteilübersichten machen die Gebäudeerfassung transparent. © A-Null Development
Worauf sollte man achten?
Elementar ist die Frage, für welche Gebäudearten (Wohnbau, Nichtwohnbau, Neubau, Altbau oder Hallengebäude etc.) und für welche Einsatzbereiche die Software geeignet ist: für das Ausstellen von Energieausweisen, für die Energieberatung, für die Fördermittelberechnung gemäß Wohnbauförderung der Bundesländer oder Bundesförderung Thermische Sanierung, für die energetische Optimierung bzw. Planung von Gebäuden, für bauphysikalische Detailuntersuchungen, für Nachweise zum Sommerlichen Wärmeschutz etc. Wichtig sind natürlich auch die von der Software berücksichtigten Regelwerke. Alle hierzulande offerierten Programme berücksichtigen österreichische Regelwerke wie die OIB-Richtlinie 6, respektive die ÖNORMen B 8110 sowie H 5050 bis 5058, teilweise auch deutsche Richtlinien (GEG, DIN V 18599). Vom Anwender individuell erweiterbare Datenbanken sollten umfangreiche Baustoff, Bauteil-, Fenster- und Anlagendaten enthalten. Berechnet werden sollten U-Werte, der Tauwasseranfall, die Dampfdiffusion, die CO2-Bilanz, Wärmebrücken etc. Wichtig ist, dass alle Berechnungen transparent und nachvollziehbar sind. Elementar für die Beratung sind Variantenvergleiche, inklusive Kosten und Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Zum Ausgabe-Umfang sollten Nachweise, Energieausweise, wahlweise bedarfs- oder verbrauchsorientiert, optional auch Nachweise zum Wärme-, Feuchte- und Schallschutz oder zur Vermeidung der sommerlichen Überwärmung gehören. Lang- und Kurzberichte sollte man mit Hilfe eines Berichteditors erstellen und die Ergebnisse anhand von Säulen- oder Tortengrafiken veranschaulichen können. Zu den Exportschnittstellen zählen TXT, RTF, DOC, CSV oder XLS zur Übergabe an Textverarbeitungs- bzw. Tabellenkalkulationsprogramme und deren Weiterbearbeitung. Ein ergänzender XML- und PDF-Export sollte die Online-Präsentation und den E-Mail-Versand von Energieausweisen und Beratungsberichten ermöglichen. Schnittstellen zu Behörden-Datenbanken, wie etwa ZEUS, sollten die Möglichkeit bieten, die Energieausweise direkt aus der Software heraus in die entsprechende Onlinedatenbank einzuspielen, wo sie auf Plausibilität und die Einhaltung von Bau- oder Förderrichtlinien geprüft werden. Da sich die den Berechnungen zugrunde liegenden Gesetze, Normen und Richtlinien kontinuierlich weiterentwickeln, sollte man darauf achten, dass die Software regelmäßig durch Updates aktualisiert wird. Hilfestellung per Telefon, E-Mail oder Fernwartung bieten nahezu alle Hersteller, nur einige beantworten zusätzlich häufige Anwenderfragen (FAQ) oder offerieren Online-Seminare sowie Online-Foren für den Austausch unter den Anwendern.
Unterschiedliche Konditionierungen, Nutzungen oder Bauweisen lassen sich über eine Gebäudezonierung einfacher erfassen. © EDV Software Service
Was bietet der Markt?
Fünf für Österreich validierte Energieausweis-Programme gibt es derzeit (siehe Infokasten). Diese orientieren sich an den Validierungsvorgaben des Austrian Standards Institute (ASI), die Sollergebnisse für Berechnungen des österreichischen Energieausweises definieren. Dadurch wird gewährleistet, dass die grundsätzliche Richtigkeit der Software-Berechnung anhand vorgegebener Validierungsprojekte direkt im Programm überprüft werden kann. Die Programme lassen sich im Wohnbaubereich bei Neubauten und im Bestand einsetzen, optional auch für Nichtwohngebäude. Vor der Programmauswahl sollte man sich zunächst darüber klar werden, wofür man die Software konkret braucht. Jedes Programm hat seine Stärken und Schwächen und kein Programm ist für alle Einsatzbereiche optimal geeignet. Unterschiede gibt es auch beim Bedienungskomfort, der Benutzerfreundlichkeit, den Bedienungsabläufen und so weiter. Daraus resultierende Vor- und Nachteile treten erst beim praktischen Arbeiten mit der Software zutage, wenn die Kaufentscheidung bereits gefallen ist. Deshalb sollte man nicht nur darauf achten, ob die Software alle Funktionsanforderungen erfüllt, sondern auch, wie sie sich „anfühlt“: wie einfach und intuitiv oder kompliziert und umständlich Arbeitsabläufe sind, ob unnötige Mehrfacheingaben vermieden werden, wie gut die Software auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist und so weiter. Das lässt sich am besten mit einer Testversion und am konkreten Projekt überprüfen. Steht eine Kaufentscheidung an, ist es deshalb ratsam, anhand einer Anforderungsliste zwei Produkte auszuwählen, diese nach einem Download der entsprechenden Testversionen einem praktischen Test zu unterziehen und bei Fragen zur Software auch auf die Erreichbarkeit und fachliche Kompetenz des Supports zu achten. Deshalb ist auch die Wahl des Anbieters wichtig, denn mit dem Softwarekauf ist man auch vom jeweiligen Support, von Software-Updates/Upgrades etc. abhängig. Deshalb sollte man sich auch diese Fragen stellen: Seit wann gibt es ihn? Wie zeitnah wird die Software an neue Richtlinien angepasst? Wie gut ist der Support, das Schulungsangebot etc.? Bei den Softwarekosten, die sich – je nach Funktionsumfang – zwischen 500 und 2.000 Euro bewegen, kommen Kosten für Schulung, Updates/Upgrades, Wartung und Support hinzu.
Die Ausgabe der Energieausweise erfolgt wahlweise digital per PDF-Export oder analog auf dem Drucker. © ETU
Programme und Anbieter
ArchiPHYSIK (www.archiphysik.com)
AX3000 Energieausweis (www.ax3000-group.at)
ECOTECH Trend (www.ecotech.cc)
ETU Gebäudeprofi (www.etu.at)
GEQ Gebäude-Energie-Qualität (www.geq.at)
Text: Marian Behaneck