Virtuelle Projekträume: In der Cloud planen

21. Oktober 2013 Mehr

Mobil in der Cloud planen: Mit dem aktuellen Cloud- und Mobility-Trend erhalten auch Projekträume auftrieb.

Virtuelle Projekträume unterstützen seit vielen Jahren die Planung im Team. Doch so richtig durchgesetzt haben sie sich bisher nicht. Der aktuelle Cloud- und Mobility-Trend könnte das nun ändern…

Per Redlining-Funktion können Pläne mit Kommentaren, Korrekturen, Änderungswünschen oder Prüfvermerken versehen werden.

Die kooperative Planung und Ausführung komplexer Projekte stellt besondere Anforderungen an den Informationsaustausch unter den Projektbeteiligten. Neben Briefen müssen Aktennotizen, Protokolle, Termine, Verträge, Rechnungen, Ausschreibungstexte, Kostenschätzungen, Angebote, Produktinformationen, Entwurfs-, Genehmigungs- und Ausführungspläne, Fotos oder Videos ausgetauscht werden. Mussten beispielsweise Pläne bisher kopiert oder mehrfach ausgedruckt, in eine Planausgabeliste eingetragen, mit einem Anschreiben versehen, verpackt und anschließend postalisch versandt werden, geht das heute erheblich einfacher per E-Mail. Problematisch wird es, wenn man den Überblick verliert, wer, was, wann mit welchem Aktualitätsstand erhalten hat. Man hat weder die Sicherheit, dass eine Nachricht auch tatsächlich angekommen ist, noch lässt sich im Streitfall zweifelsfrei belegen, dass wichtige Dokumente pünktlich zugestellt wurden. Hinzu kommt das Sicherheitsproblem: unverschlüsselte E-Mails sind wie Postkarten, die Dritte problemlos einsehen können.

Pläne, Raubücher, LVs und andere Projektdaten liegen entsprechend einer zuvor definierten Projektstruktur zum Download bereit.

Was leisten IBPM, PKMS & Co.?

Virtuelle Projekträume, auch Projektkommunikations- und Management-System (PKMS) oder Internetbasierendes Projektmanagement-System (IBPM) genannt, ermöglichen nicht nur einen permanenten, strukturierten und dokumentierten Datenaustausch innerhalb von Projektteams. Zusätzlich bieten sie Kommunikations-, Projekt-, oder Dokumentenmanagement- Funktionen und unterstützen damit die Planung, Realisierung und Dokumentation von Bauprojekten. Als ASP-Anwendungen (Application Service Providing, siehe auch architektur 6/11, S. 112-114) gehören sie zu den ersten Cloud-Lösungen in der Baubranche. Zu den zentralen Funktionen zählt die Ablage, Verwaltung und Verteilung aller projektrelevanten Informationen und Dokumente, was den zeitaufwendigen Papier- und den schnell unüberschaubaren E-Mail-Versand erübrigt. Ein externer Server dient dabei als Datenpool für Dokumente und sonstige Projektinformationen. Gepflegt wird der Server von einem PKMS-Dienstleister, der auch für die ständige Verfügbarkeit, Datensicherheit, Datensicherung und Archivierung sorgt. Entsprechend ihrer unterschiedlichen Zugriffsrechte haben
sämtliche Projektbeteiligte die Möglichkeit, jederzeit, von überall und von jeder Hardware-Plattform aus, auf die verschiedenen Bereiche zuzugreifen. Dokumente können in den gemeinsamen Datenpool hineingestellt (upload) oder heruntergeladen (download) werden. Über neue Inhalte werden alle Teilnehmer per SMS, E-Mail oder Fax informiert, bei besonders wichtigen Informationen (Bedenkenanmeldung, Mängelanzeige, Baustopp etc.) parallel auch über mehrere Benachrichtigungswege. Sämtliche Aktivitäten werden im Hintergrund automatisch und nachvollziehbar protokolliert, was entsprechende manuelle Routinetätigkeiten überflüssig macht. Auch die komplette Projekt-Kommunikation wird über einen zentralen Verteiler abgewickelt, damit kein Projektbeteiligter vergessen wird.

Vor dem Herunterladen lassen sich die Dokumentinhalte mit Hilfe einer Vorschaufunktion oder eines Viewers anzeigen.

Der Zugang aller Projektteilnehmer erfolgt passwortgeschützt über einen beliebigen Web-Browser (Internet Explorer, Firefox, Chrome, Opera etc.) – vom Büro aus per Breitbandnetz, respektive von der Baustelle per Mobilfunk. Es muss in der Regel weder eine Software installiert werden, noch muss die Hardware besondere Voraussetzungen erfüllen oder unter einem bestimmten Betriebssystem laufen. Der Zugriff ist per Büro-PC ebenso möglich wie mit Note-/ Netbook, Tablet oder Smartphone. Lediglich ein stabiler, ausreichend schneller Internetzugang (Datenrate ab 1 Mbit/s) wird vorausgesetzt.
Nachdem sich der Projektteilnehmer in das IBPM-System mit Benutzername und Passwort eingeloggt hat, kann er ein bestimmtes Projekt, ein Gebäude, einen Bauabschnitt, ein Geschoss etc. auswählen, aktuelle Projektinformationen über Projektstände, Termine etc. eingesehen sowie Dokumente einstellen oder abrufen. Alle Dokumente lassen sich mit einer „Suchfunktion“ über bestimmte Abfragekriterien (Bezeichnung, Nummer, Erstellungs-/ Änderungsdatum, Autor, Inhalt(e), Format etc.) gezielt aus dem Datenpool herausgreifen. Vor dem Herunterladen lassen sich die Dokumentinhalte mit Hilfe einer Vorschaufunktion oder eines Viewers anzeigen. Per Redlining-Funktion können Dokumente oder Pläne mit Kommentaren, Korrekturen, Änderungswünschen oder Prüfvermerken versehen werden, ohne den Inhalt zu verändern. Neben der Dokumentablage und Kommunikation bieten PKMS teilweise auch Ausschreibungs-, Projektmanagementund Controlling-Werkzeuge oder Webconferencing- und Desktopsharing-Funktionen. Mit Letzteren kann man Besprechungen über viele Kilometer hinweg führen und gemeinsam an Dokumenten arbeiten (siehe auch architektur 8/08, S. 96-98).
Abgerechnet werden die Leistungen virtueller Projekträume pauschal nach der Höhe der Bausumme, meist aber monatlich nach dem belegten Speicherplatz und/oder der Teilnehmeranzahl. Ein kostenloses und unverbindliches „Hineinschnuppern“ ist bei vielen Anbietern über einen begrenzten Zeitraum (z.B. 30 Tage), eine maximale Datenmenge (z.B. 25 MByte) oder eine maximale Teilnehmerzahl (z.B. 2 Teilnehmer) möglich. Weiterer Speicherplatz lässt sich jederzeit bei Bedarf anmieten. Wichtig ist, dass der Nutzungsvertrag monatlich kündbar ist. Für die Teilnehmer kommen außer den einmaligen Einrichtungs- und monatlichen Nutzungsgebühren noch die Kosten für den Internet-Zugang hinzu.

Neben Dokumenten, Plänen, Projekt- oder Baustellenfotos …

Worauf sollte man achten?

Nach einem Boom zur Jahrtausendwende und einer darauf folgenden Konsolidierungsphase hat sich eine ganze Reihe von PKMS-Anbietern etabliert (siehe Infokasten. Die Lösungen reichen von einfachen Dokumentaustausch-Plattformen bis hin zu umfassenden auf die Baubranche spezialisierten Kooperationsportalen, über die sich neben Planern auch Investoren, Bauunternehmer, Hersteller und Händler vernetzen können. Teilweise werden nicht nur die Projektplanung und -durchführung, sondern auch die spätere Gebäudebewirtschaftung unterstützt. Unterschiede gibt es deshalb in der Technik, vor allem aber im Funktionsumfang und im Preis. Während browserbasierende Systeme gegenüber Client-Server-Systemen, die eine zusätzliche Software-Installation erfordern, die Mehrheit bilden, gibt es deutliche Unterschiede im Funktionsumfang und in Details. Besonders wichtig bei bauspezifischen Systemen ist beispielsweise die Verwaltung von Plänen, die auf deren Besonderheiten eingehen sollte: Pläne sollten über mehrere, individuell definierbare Attribute beschrieben (Planinhalt, Status, Maßstab, Erstellungs-/Prüfdaten etc.), individuell über Plannummern etc. bezeichnet und mit mehreren Dateien verknüpft werden können (CAD-, PLT-, PDF-Datei, Massen-/ Mengen-/Stücklisten, Visualisierungen etc.).
Eine automatische Versionsverwaltung sollte für die geordnete Ablage älterer Plan- oder Dokumentversionen sorgen und die Versionshistorie nachvollziehbar machen können. Wichtig sind auch Workflow-Funktionen: Damit ist nicht nur die Benachrichtigung der Teilnehmer über neue Inhalte gemeint, sondern auch die automatisierte Überwachung zuvor definierter Abläufe, die Zuweisung von Aufgaben und die Kontrolle von Terminen: Wer bekommt was? Wer muss was bis wann prüfen und wem weiterleiten, etc.? Zu den weiteren, damit unmittelbar zusammenhängenden Anforderungen, gehören individuelle Einstellungen. Damit sollte sich das PKMS an Projekterfordernisse oder Abläufe anpassen lassen, möglichst in Eigenregie und ohne Programmieraufwand durch den Hersteller. Eine Mehrsprachfähigkeit ist Voraussetzung für den Einsatz im Rahmen internationaler Projekte. Bereits zu Projektbeginn sollte auch die Frage geklärt werden, was nach Projektabschluss mit den Daten passiert, wer sie erhält und sich weiterhin darum kümmert und wie man die Daten auch über die Planungs- und Bauphase hinaus für den Bauherren nutzbar machen kann.

… sind beispielsweise auch sämtliche Protokolle von Jour-Fixe-Terminen für Projektteilnehmer einsehbar.

Trends beflügeln Projekträume

Die Möglichkeit, Pläne, Dokumente oder Informationen unterwegs oder auf der Baustelle am Smartphone oder Tablet-PC mit anderen Projektbeteiligten auszutauschen, beschleunigt Entscheidungen und rationalisiert Arbeitsabläufe. Deshalb kommen Virtuelle Projekträume vor allem bei großen, international ausgeschriebenen Hoch- und Tiefbauprojekten ab einer Bausumme von 5 Millionen aufwärts zum Einsatz. Bei Großprojekten wird ein konkretes System auch vom Bauherren oder Generalunternehmern als Austausch- und Kommunikations-Standard vorgegeben. Kleine und mittlere Hochbauprojekte werden aber fast durchweg noch ohne PKMS-Unterstützung geplant und realisiert. Das könnte sich ändern. Zum einen gibt es mittlerweile auch für kleinere Projekte geeignete, einfache, preiswerte, branchenneutrale Online-Ablagesysteme (z.B. www.dropbox.com, www.planbox.com, www.plan.io oder www.webforum.com), die auch schon mit wenigen Projektpartnern (z.B. Architekt, Tragwerks- und TGA-Planer) Abläufe vereinfachen können. Zum anderen beflügeln aktuelle Trends wie das Cloud und das Mobile Computing auch Virtuelle Projekträume. Mit der zunehmenden Verbreitung von Cloud-Diensten steigt einerseits die Akzeptanz Virtueller Projekträume, andererseits wächst in den Hochschulen und Büros eine mit Cloud-Diensten vertraute Planergeneration heran. Auch Daten und Schnittstellen haben sich verändert: Wurden die Vorteile eines gemeinsamen Datenpools bisher durch fehlende oder unzureichende CAD-Schnittstellen mehr oder weniger aufgehoben, bieten BIM und IFC (architektur 2/11, S. 80-82) eine ideale Datenbasis für die fachübergreifende Kooperation. Ähnlich wie die Virtuellen Projekträume, offerieren deshalb auch BIM-Server eine für das BIM-Datenmodell konzipierte Kooperationsplattform, allerdings weitgehend (noch) ohne umfangreiche Workflow-, Projektmanagement- oder Controlling-Funktionen, wie sie Projekträume bieten.

Zu den vielen nützlichen Zusatzfunktionen Virtueller Projekträume zählen Bautagebuch-, Mängel- oder Fotomanagement-Funktionen.

Virtuelle Projekträume? Aber sicher!

Wer Virtuelle Projekträume schon genutzt und deren Vorteile praktisch kennen gelernt hat, schwört in der Regel darauf. Die Mehrzahl der Planer und ausführenden Unternehmen hält sich aber weitgehend zurück. Neben der traditionellen Zurückhaltung der Baubranche gegenüber Neuem waren über viele Jahre die Internet-Verbindungen der Hemmschuh. Langsame Datentransfers und Antwortzeiten stellten Anwender häufig auf die Geduldsprobe. Breitband- Internetverbindungen sind zwar in Städten und Ballungszentren Standard, in ländlichen Gebieten aber noch längst nicht flächendeckend. Vorbehalte, die eher psychologische als technische Ursachen haben, bestehen immer noch hinsichtlich des Datenschutzes, der Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit des Virtuellen Projektraums sowie die Sicherheit der Projektdaten. Für den Nutzer stellt sich das PKMS als virtuelle „Black-Box“ dar. Er weiß weder, was mit seinen Projektdaten im Einzelnen geschieht, noch an welcher Stelle diese physikalisch gespeichert sind. Zwar versichern Anbieter, dass Daten nur über sichere Datenverbindungen mit automatischer Verschlüsselung transferiert werden. Ferner, dass nur zugriffsberechtigte, durch Benutzernamen und Passwort legitimierte Teilnehmer Zugang zu Projektdaten haben, die (möglichst) auf deutschen oder europäischen Servern abgelegt sind. Eine absolute Sicherheit vor unbefugtem Zugriff kann gleichwohl kein System bieten (der Versand per Post oder E-Mail allerdings auch nicht). Als Problem kann sich die Verfügbarkeit der Daten erweisen. Zwar sind Serversysteme in der Regel redundant ausgelegt, so dass bei Ausfall eines Systems dessen Aufgabe sofort von einem Stand-by- System übernommen wird. Dennoch kann es zu Zugriffsproblemen kommen – etwa durch eine Störung des eigenen Internet- Providers. Soviel PKMS-Dienstleister für die Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit der Daten auch tun – sich ausschließlich darauf zu verlassen ist nicht ratsam. Notfallpläne (andere Kommunikationswege, alternativer PKMS-Anbieter etc.) sind deshalb sinnvoll. Die automatische, mehrmals tägliche Sicherung durch den PKMS-Anbieter entbindet dessen Nutzer nicht von der individuellen Datensicherungs-Pflicht. Es ist immer derjenige Projektbeteiligte für die Datensicherung eines Dokuments verantwortlich, der dieses neu oder verändert in den gemeinsamen Datenpool ablegt. Deshalb dürfen PKMS-Teilnehmer die individuelle Datensicherung keinesfalls vernachlässigen.

Fazit: PKMS hilft, stellt aber auch Ansprüche

Die Bereitstellung von Projektdaten, Software- und Serviceleistungen per stationärem oder mobilem Internet bietet für Projektbeteiligte erhebliche Rationalisierungs- und Kostenvorteile, reduziert Abstimmungsfehler und verbessert den Planungs-Workflow. Untersuchungen zufolge lassen sich dabei die Kosten für Planung und Kommunikation um rund 20-30 Prozent senken. Insbesondere Großprojekte werden heute deshalb ausschließlich über Virtuelle Projekträume abgewickelt. Allerdings setzt deren Nutzung die Beteiligung aller Projektpartner und viel Selbstdisziplin voraus. Eine PKMS-basierende Zusammenarbeit funktioniert nämlich nur dann effizient, wenn sich möglichst alle Projektbearbeiter beteiligen, Vorgaben einhalten und PKMS-Funktionen konsequent nutzen. Das bedeutet beispielsweise auch, dass der Planversand per E-Mail oder Post tabu ist. Auch an die neue Transparenz muss man sich erst gewöhnen: Da sämtliche Aktivitäten im Hintergrund automatisch protokolliert werden, lässt sich schnell nachvollziehen, wer seine Termine nicht eingehalten hat…

 

Produkte und Anbieter *

Autodesk Buzzsaw (www.autodesk.de), Awaro Projektraum (www.awaro.com), EPLASS (www.seib-itc.de), Legano (www.legano.de), McLaren FusionLive (www.mclarensoftware.de), My-Docma (www.edr-projekt.com), PKM (www.conclude.com), PlanNet/PlanTeam-Server (www.wwbau.de), pm. (www.conject.com/de), Poolarserver (www.poolarserver.com), Projectplace (www.projectplace.de), ProjectWise (www.bentley.de), Projektraum (www.conetics.com), Teamspace (www.teamspace.de), think project! (www.thinkproject.com), WinPlan++ Online (www.netzwerkplan.de)
* Auswahl, ohne Gewähr und ohne Anspruch auf Vollständigkeit!

Weitere Infos/Quellen

www.kommazwo.com/ibpm IBPM-Marktübersicht (Stand: 2001)
www.pmaktuell.org Projektmanagement-Magazin
www.projektmagazin.de Projektmanagement-Magazin
www.wikipedia.de Suchwort: „Virtueller Projektraum“
Mersch, H.: Projekträume im Internet, Teil 1 und 2, aus: Deutsches Architektenblatt 2/06 und 3/06, Download: www.netzwerkplan.com/fileadmin/user_upload/download/projektraeume-i-und-ii.pdf

Tags: , , , , , , , , , ,

Kategorie: EDV