Lebenszykluskosten: Gebäude ganzheitlich planen und bewerten
Die Planung, Realisierung, Nutzung und Demontage von Gebäuden generiert Kosten, Energie- und Materialströme – mit entsprechenden Folgen für die Umwelt. Lebenszykluskosten-Planungssoftware ermöglicht eine ganzheitliche Bewertung von Entwurfsalternativen.
Investitionskosten ragen wie die Spitze eines Eisbergs aus dem Wasser. Der größte Teil aller für ein Gebäude aufzuwendenden Kosten – etwa 85 Prozent – bleibt unsichtbar. Das sind die Nutzungskosten. Schon in den 1960er-Jahren entstand deshalb unter anderem in der Bau- und Immobilienbranche die Idee, für große und langfristige Investitionen eine am Lebenszyklus orientierte Kostenberechnung und -bewertung einzuführen. Die Kostenmanagement-Methode „Life Cycle Costing“ (kurz: LCC) war geboren. Diese „Lebenszykluskostenrechnung“ betrachtet ein Produkt konsequent unter dem Kostenaspekt – von der ersten Idee bis zur Entsorgung. Unter den Lebenszykluskosten wird die Summe aller Kosten verstanden, die ein Gebäude, eine haustechnische Anlage oder allgemein ein Produkt über den gesamten Existenzzeitraum hinweg verursacht. Dazu zählen die Gesamtkosten für Planung, Produktion oder Errichtung, Nutzungs-, Wartungs-, Reparatur- oder Sanierungskosten sowie Entsorgungs- oder Recyclingkosten. Aufgrund der ganzheitlichen Betrachtung von Betriebs- und Entsorgungskosten einerseits und den Kosten für ökologische Lebenszyklusaufwendungen (Life Cycle Assessment, LCA) andererseits, hat das Life Cycle Costing Bezüge zur Ökologie und Nachhaltigkeit. Dabei werden für alle Phasen des Lebenszyklus von Produkten unter anderem eine Minimierung des Verbrauchs von Energie und Ressourcen sowie eine möglichst geringe Belastung des Naturhaushalts angestrebt.
LCC in der Gebäudeplanung und -bewirtschaftung
Lag der Fokus bisheriger Kostenbetrachtungen von Planern nahezu ausschließlich auf den Errichtungskosten, treten insbesondere bei öffentlichen Gebäuden zunehmend die Baunutzungskosten in den Vordergrund. Bereits nach wenigen Jahren übersteigen sie die Baukosten (siehe Abbildung 2) deutlich. Über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg betrachtet, machen sie bis zu 85 Prozent der Gesamtkosten aus. Sie sind deshalb maßgeblich für die Wirtschaftlichkeit von Bauprojekten verantwortlich und lassen sich gerade in früher Entwurfs- und Planungsphase entscheidend beeinflussen. Bei einer konsequent am Lebenszyklus orientierten Planung von Gebäuden können somit Millionenbeträge eingespart werden. Mithilfe von LCC-Programmen lassen sich Lebenszykluskosten relativ präzise vorhersagen und über Variantenvergleiche optimieren. Die Nutzungs- und Lebenszykluskostenplanung war zwar schon immer ein Thema für Bauökonomen – mit der Nachhaltigkeitsdebatte hat es an Brisanz gewonnen. Auch deshalb, weil LCC-Berechnungen zunehmend im Rahmen von Wettbewerben und Ausschreibungen gefordert werden. Außerdem sind sie Teil von Nachhaltigkeitszertifizierungen, wie etwa nach DGNB-, respektive TQB-Standard [1]. Im Hinblick auf eine ökonomisch nachhaltige Architektur ist die integrale Planung der Nutzungs- und Lebenszykluskosten unabdingbar und erhält in der Bauplanung immer mehr Bedeutung. Sie erhöht zwar den Aufwand und damit die Planungskosten, steigert aber die Wirtschaftlichkeit.
Ziel der rechnergestützten Lebenszyklus-Kostenplanung von Gebäuden ist es, alle während der Erstellung, Nutzung und dem Abriss anfallenden Ausgaben über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu optimieren. Ergebnis der Analyse ist ein zeitbereinigter, auf die Nutz- oder Bruttogrundrissfläche umgerechneter und damit vergleichbarer Geldbetrag. Dazu werden alle Kosten, inklusive Preissteigerungen, kumuliert und mithilfe der sogenannten Barwertmethode der Gegenwartswert ermittelt. Zu den Lebenszykluskosten gehören Herstellungs- und Abrisskosten nach DIN 276-1 bzw. ÖNORM B 1801-1 [2] sowie Baunutzungskosten nach DIN 18960 bzw. ÖNORM B 1801-2 [3]. Je nach Objekt, Nutzungsart und Berechnungszweck kommen bei der lebenszyklusorientierten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung dynamische Berechnungsverfahren (Kapitalwertmethode, Annuitätsmethode etc.) zum Einsatz, die auch Zahlungsströme im Zeitverlauf berücksichtigen.
Die Grundlage integraler Gebäudeplanung bildet ein zentrales, bauteilorientiertes Gebäudemodell, das vom Anwender mithilfe von Datenbanken sukzessive um Informationen zum konstruktiven Aufbau, den verwendeten Materialien, deren Kosten und bauphysikalischen Eigenschaften, den Hüllflächen, der verwendeten Haustechnik etc. erweitert werden. Dies ermöglicht sowohl eine exakte Ermittlung von Baukosten nach der Elementmethode DIN bzw. ÖNORM als auch des Energiebedarfs nach EnEV/DIN V 18599, respektive ÖNORM B 8110-1. Den Lebenszyklus-Bezug erhalten die Bau- und Anlagenelemente durch eine Verknüpfung mit Informationen zu Serviceleistungen für Reinigung, Wartung und Instandsetzung in der Nutzungsphase – inklusive den jeweiligen Kosten und zeitlichen Zyklen – sowie Daten zur Beseitigung oder zum Recycling. Die Daten für Reinigungsintervalle, Wartungs- und Instandhaltungszyklen basieren auf Projektauswertungen, Herstellerempfehlungen, gesetzlichen Vorgaben, Normen und Richtlinien. Damit verfügt das Gebäudemodell über alle notwendigen Informationen zur Ermittlung der Lebenszykluskosten. Über eine grafische Auswertung der Folgekosten im zeitlichen Verlauf der Bauwerksnutzung lassen sich Kostenverursacher im Projekt identifizieren und dadurch Optimierungen vornehmen.
LCC in der Haustechnik
Aufgrund steigender Ansprüche an die Ver- und Entsorgung, den Schutz, die Sicherheit, den Komfort und die Behaglichkeit nimmt die Technisierung von Gebäuden kontinuierlich zu. Je nach Gebäudetyp und -nutzung entfallen mittlerweile zwischen 20 und 30 Prozent der Baukosten auf die Gebäudetechnik. Hinzu kommen ein hoher Haustechnik-Anteil an den Gebäudenutzungskosten und steigende Energiepreise. Deshalb spielen Betriebskosten bei der Beschaffung und Auswahl haustechnischer Systeme eine immer größere Rolle. Aufgrund besserer Technik (Energierückgewinnung, lastabhängiger Betrieb etc.) können die Lebenszykluskosten beispielsweise von raumlufttechnischen Anlagen teilweise um die Hälfte differieren, sodass Betreiber, über einen längeren Nutzungszeitraum gerechnet, schnell mehrere Hunderttausend Euro sparen können. Hersteller von Pumpen-, Lüftungs- und Klimatechnik, Aufzugs- und anderer Haustechnik bieten deshalb schon seit geraumer Zeit Berechnungswerkzeuge, mit denen man die mittel- und langfristigen Vorteile energieeffizienter Geräte und Systeme anhand von Lebenszykluskosten-Berechnungen darstellen kann.
So gibt es Online- oder Offline-Konfiguratoren, mit denen Produkte eines Herstellers mit unterschiedlicher Technik unter dem Betriebskostenaspekt miteinander verglichen werden können. Programme zur Berechnung der Lebenszykluskosten von RLT-Zentralgeräten dienen der Energiemengen- und dynamischen Kostenberechnung gemäß DIN, VDI, respektive ÖNORM. Die Software liefert einen energetischen und wirtschaftlichen Vergleich unterschiedlicher Lüftungs- und Klimakonzepte. Dabei werden Investitions- und Folgekosten von mehreren Lüftungs- und Klimageräten verglichen. Voraussetzung für eine Energiemengenberechnung sind allgemeine Angaben zum Luftvolumenstrom, die Leistungsaufnahme des Zu- und Abluftventilators, die Grenztemperatur für Heizen und Kühlen, die prozentuale Wärme-, Kälte- und Feuchterückgewinnung und weitere Parameter. Anschließend werden für eine bestimmte Jahresbetriebszeit und Gesamtbetriebsdauer die Energiemengen berechnet und eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt. Zu den dafür notwendigen Eckdaten gehören die Investitionskosten, Anlagenbetriebszeiten, Energiekosten, der Betrachtungszeitraum sowie Preissteigerungen. Die Ergebnisse werden auch grafisch dargestellt, sodass Planer ein individuelles Konzept entwickeln und gegenüber dem Bauherrn die wirtschaftlichste Lösung anschaulich argumentieren können.
Alles ist relativ …
Auf dynamischen Kostenberechnungsmethoden basierende Lebenszykluskostenberechnungen sind ein unverzichtbarer Teil auf Nachhaltigkeit abzielender Beschaffungsprozesse für alle Güter und Objekte, die einer längeren Nutzungsdauer unterliegen. Die individuelle Nutzung, regionale Klima- und Wetterdaten sowie funktionale und technische Eigenschaften machen die Nutzungskosten-Abschätzung von Gebäuden und haustechnischen Anlagen allerdings zur Herausforderung. Den Berechnungsmodellen liegen in der Regel keine dynamischen Berechnungen technischer Parameter mit hoher zeitlicher Auflösung (Stundenwerte) zugrunde, wie sie etwa bei thermischen Gebäudesimulationsprogrammen Usus sind. Nur sie können den zeitlichen Ablauf der individuellen Nutzung, den klimatischen Standortdaten etc. realitätsnah widerspiegeln. Die „dynamische Simulation“ beschränkt sich lediglich auf die Investitionsrechnung. Das sollte man im Hinblick auf die Bewertung der Vorhersagen absoluter Lebenszykluskostenwerte berücksichtigen. Für Vergleichsbetrachtungen von Produkt-, Anlagen- oder Gebäudevarianten leisten LCC-Berechnungsprogramme jedoch gute Dienste – wobei man den Eingabeaufwand, insbesondere bei der Vergleichsbetrachtung von Gebäuden, nicht unterschätzen sollte. Bedenken sollte man auch, dass bei der Produktauswahl neben den „harten“ Kostendaten auch „weiche“ Bewertungsfaktoren einfließen sollten, wie etwa der Komfort und die Behaglichkeit der Bewohner. Auch im Hinblick auf diese „weichen“ Bewertungskriterien stoßen LCC-Programme bislang an ihre Grenzen.
Programme und Anbieter*
Bauplanung / FM: ABK LEKOS (www.abk.at), Envest 2 (www.bre.co.uk), GEFMA 220-2 (www.gefma.de), LEGEP (www.legep-software.de)
TGA: CAPS/WebCAPS (www.grundfos.com), Coolcompare (www.cofely.de), GEA Lplus (www.gea-airtreatment.com), Lifecycle Cost Evaluation (www.zvei.org/lebenszykluskosten), RLT-Geräteplaner (www.al-ko.de), Wilo LCC-Check (www.wilo.de)
Weitere Infos*
www.baunetzwissen.de Online-Fachlexikon „Nachhaltig Bauen“
www.dgnb.de Deutsche Ges. für Nachhaltiges Bauen
www.ilmforum.de Immobilien Lebenszyklus Management
www.nachhaltigesbauen.de Infoportal Nachhaltiges Bauen
www.oegnb.net Österreichische Ges. für nachhaltiges Bauen
* Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit
Quellen und Literaturhinweise
[1] Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen (DGNB, www.dgnb.de) und TQB der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (ÖGNB, www.oegnb.net)
[2] DIN 276-1 Kosten im Bauwesen, Teil 1: Kosten im Hochbau bzw. ÖNORM B 1801-1 Kosten im Hoch- und Tiefbau – Kostengliederung
[3] DIN 18960 Nutzungskosten im Bauwesen bzw. ÖNORM B 1801-2 Bauprojekt- und Objektmanagement, Teil 2: Objekt-Folgekosten
[4] Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS): Leitfaden Nachhaltiges Bauen, Eigenverlag 2011
[5] Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): Studie zur Nachhaltigkeitszertifizierung von Gebäuden, Eigenverlag, Bonn 2007
[6] König, H./Kohler, N./Kreißig, J./Lützkendorf, Th.: Lebenszyklusanalyse in der Gebäudeplanung. Institut für internationale Architektur-Dokumentation, München 2009
[7] König, H./Mandl, W.: Software für eine integrale Gebäudeplanung, aus Mikado Plus 12/2010, Weka Media, Kissing
[8] Floegl, H.: Haustechnik und Folgekosten, Donau-Universität Krems, Eigenverlag 2007
Kategorie: EDV