Architekturfotografie: Selber machen oder machen lassen?
Die fotografische Darstellung eigener Projekte ist unverzichtbar für die Öffentlichkeitsarbeit. Zwar bietet die Digitalfotografie neue Möglichkeiten – die Frage „Selber machen oder Profi beauftragen“ sollte man dennoch individuell beantworten …
Planer werben durch ihre Werke. Deshalb gehört die fotografische Abbildung des Ist-Zustandes nach Baufertigstellung zwingend zu einem erfolgreichen Projektabschluss. War im Zeitalter der Analogfotografie die Beauftragung eines Architekturfotografen nahezu alternativlos, eröffnet die Digitaltechnik fotografisch ambitionierten Planern heute neue Möglichkeiten. Für die Aufnahme von Architekturfotos braucht man kein teures Equipment im Gegenwert eines Mittelklassewagens mehr. Mit einer guten Digitalkamera, etwas fotografischem Grundwissen und einer Bildbearbeitungs-Software lassen sich brauchbare Ergebnisse erzielen, die vielfältig genutzt werden können – für die eigene Online-Projektrubrik, für Newsletter oder selbst erstellte Projektflyer.
Der Zweck bestimmt die Mittel
Neben Präsentationszwecken dient die Fotografie im Baubereich auch der Dokumentation, Akquisition, als „visuelles Notizbuch“ oder als fotografische Auswertungsgrundlage im Zusammenhang mit der Bauthermografie oder dem Fotoaufmaß. So haben Aufnahmen des Baufortschritts, Montageablaufs oder von später nicht mehr sichtbaren Details (Bewehrung, Leitungsführung, Dämmung etc.) einen großen dokumentarischen Wert. Mit einfachen digitalen Fotomontagen kann man mit wenig Aufwand zeigen, wie eine Baumaßnahme hinterher aussehen könnte, ohne dass man gleich zu CAD- und Visualisierungsprogrammen greifen muss. Auf Reisen oder im Urlaub fotografisch festgehaltene Details können eine wertvolle Anregung für die eigene planerische Arbeit sein. Parallel mit der Digitalkamera aufgenommene Fotos spielen ferner in der Bauthermografie eine wichtige Rolle (siehe architektur 6/09, S. 96–98). Mit Programmen für das fotografische Aufmaß lassen sich Fotos perspektivisch entzerren und planerisch nutzen (siehe architektur 6/08, S. 114–118). Während für die Dokumentation, Akquisition oder für visuelle Notizen auch ein Fotohandy oder Smartphone genügen, setzen Auswertungen bessere Bildqualitäten und damit mindestens Digitalkameras mit einer Bildauflösung ab 5 Megapixel voraus.
In einer ganz anderen Liga spielt die Architekturfotografie – hier sind in der Regel teure Großformatkameras mit analogem Filmmaterial oder digitalem Kamerarückteil (20–250 Megapixel) im Einsatz, wobei teilweise auch Mittelformatkameras und Kleinbild-Spiegelreflexkameras mit Bildauflösungen ab 20 Megapixel verwendet werden. Was die Bildschärfe, Farb- und Tonabstufung, den Detailreichtum oder die Einstellmöglichkeiten betrifft, sind Großformatkameras klar überlegen. Allerdings ist die Einstellung zeitaufwendig, und die Bedienung setzt Fachwissen voraus.
Außerdem ist eine komplette Ausrüstung schwer und teuer (ab 25.000 Euro aufwärts). Will man hochwertige, professionelle Ergebnisse in den Bereichen dokumentarische oder künstlerische Architektur-, Landschaftsarchitektur- oder Architekturmodell-Fotografie erzielen, gibt es dazu keine Alternative.
Kamera, Objektiv und Zubehör
Eine halbwegs brauchbare Grundausstattung (Kamera, Objektiv, Stativ) gibt es schon unter 1.000 Euro. Ob man dabei eine digitale Kompakt-, Bridge-, System- oder Spiegelreflexkamera (DSLR) wählt, ist nicht nur eine Frage des persönlichen Geschmacks.
Während Kompakt- oder Bridgekameras vor allem für die Dokumentation oder als „visuelles Notizbuch“ taugen, weil man sie in der Manteltasche mitnehmen kann, haben die voluminöseren und schwereren System- und DSLR-Kameras den Vorteil, dass man sie individuell erweitern und vor allem mit zur fotografischen Aufgabe passenden Wechselobjektiven ausstatten kann. Letzteres ist in der Architekturfotografie wichtig, denn die Wahl des Objektivs hat einen entscheidenden Einfluss auf die Perspektive, Objektdarstellung und Bildgestaltung. Insbesondere mit einem sogenannten Vollformatsensor ausgestattete DSLR-Kameras – das ist ein dem analogen Kleinbildformat (24 × 36 mm) entsprechender digitaler Bildsensor – sind für die ambitionierte Amateur-Architekturfotografie ideal, allerdings auch teurer (ab ca. 2.500 Euro). Bei der Objektivwahl sollte man auf eine geringe Verzeichnung achten – das ist ein durch das Objektiv bedingter Bildfehler, der gerade Linien insbesondere am Bildrand gekrümmt erscheinen lässt und in der Architekturfotografie störend wirkt. Zwar lassen sich Verzeichnungen mit Bildbearbeitungsprogrammen mehr oder weniger gut nachträglich ausbügeln. Dennoch sollte man nur hochwertige, optisch korrigierte Objektive mit fester Brennweite verwenden. Die populären Zoom-
Objektive sollte man meiden, denn sie sind bauartbedingt für mehr oder weniger störende Bildfehler insbesondere im Weitwinkelbereich anfällig. Störender als die Verzeichnung wirkt die perspektivische Verzerrung. Dabei werden senkrechte Gebäudekanten im Foto nicht senkrecht, sondern konvergierend abgebildet. Diese „stürzenden Linien“ kann man vermeiden, indem man die Kamera lotrecht, d.h. die Bildsensor-Ebene parallel zur Gebäudefassade hält. Bedingt durch die Gebäudehöhe, beengte Platzverhältnisse oder störende Objekte im Vordergrund lässt sich das nur selten realisieren. Mit den sogenannten Tilt-/Shift-Objektiven kann man die Optik über einen Schraub-/Schiebemechanismus so aus der optischen Achse verschieben, dass die Kamera nicht gekippt werden muss, um einen gewünschten Bildausschnitt zu erhalten.
Allerdings sind bei der Brennweite, Schärfe- und Belichtungseinstellung einige Besonderheiten zu beachten. Außerdem kosten Tilt-/Shift-Objektive etwa das Drei- bis Vierfache einer guten DSLR-Kamera. Wer sich diese Ausgabe sparen will und mit den einhergehenden Bildqualitätseinbußen leben kann, behilft sich mit Bildbearbeitungs-Software, mit der sich unter anderem stürzende Linien nachträglich am PC korrigieren lassen. Zum weiteren sinnvollen Kamerazubehör zählen insbesondere ein Stativ und ein Fernauslöser für verwacklungsfreie Aufnahmen, eine Gegenlichtblende, Polarisationsfilter und anderes mehr.
„Häuser fotografieren kann doch jeder“…
… – weit gefehlt! Die Architekturfotografie zählt zu den anspruchsvollsten Bereichen der Fotografie. Zu beachten sind zunächst Randbedingungen wie das Wetter, die Tages- und Jahreszeit, aber auch der Auto- und Besucherverkehr oder die Lage des Objekts.
All dies hat Einflüsse auf fotografische Bedingungen, die Bildstimmung und Objektwirkung.
Ein paar Grundregeln helfen bei der Wahl optimaler fotografischer Bedingungen, wobei man bei außergewöhnlichen Motiven oder zugunsten einer besonderen Bildwirkung auch bewusst dagegen verstoßen kann und muss. Ein wichtiger Gestaltungsfaktor ist das Licht. Während sich Seitenlicht in den Morgen- oder Abendstunden meist gut eignet, können harte Schatten und überstrahlte weiße Fassaden während sonniger Mittagsstunden problematisch sein. Sonne und blauer Himmel mit leichter Bewölkung machen Architekturfotos kontrastreicher und freundlicher. Umgekehrt kann diffuses, weiches Licht an trüben Tagen feine Details besonders gut zur Geltung bringen.
Reizvoll können auch frühe Morgen- und späte Abendstunden insbesondere bei Gebäuden mit hohem Glasanteil sein, wenn sie von innen beleuchtet sind und dadurch transparent und filigran wirken. Auch bei Innenaufnahmen sind besondere Randbedingungen, wie ungünstige Licht- und beengte Platzverhältnisse zu beachten, wobei man sich mit Stativen, Blitzlicht, Weitwinkelobjektiven oder Panorama-Einstellungen behelfen
kann. Ganz gleich, ob das Motiv ein großer Gebäudekomplex oder ein kleines Architekturmodell ist – vor der Aufnahme sollte man sich stets Gedanken zur Bildkomposition machen. Darunter versteht man die bewusste, kreative Anordnung des Motivs im Bild, die Wahl der Perspektive, des Bildformats, des Bildausschnitts und anderes mehr. Mit der Wahl des Objektivs und dessen Brennweite legt man nicht nur fest, wie groß der Bildausschnitt sein soll – d. h., in welchem Winkel die Kamera die Umgebung einfängt – sondern auch, ob das Objekt eher größer und plastischer (Weitwinkelobjektiv) oder eher kleiner und flächiger (Teleobjektiv) wirken soll. Im Kleinbildbereich liegen die Brennweiten zwischen 14–21 mm (Superweitwinkel), 24–38 mm (Weitwinkel), 50 mm (Normal), 70–300 mm (Tele) sowie 300–600 mm (Super-Tele).
Die Fokussierung, respektive die Einstellung der sogenannten Schärfentiefe – das ist der begrenzte Tiefenbereich eines Fotos, der scharf erscheint – spielt eine eher untergeordnete Rolle, da man in der Architekturfotografie eine unendliche Schärfentiefe bevorzugt, bei der alles von vorne bis hinten scharf erscheint. In jedem Fall sollte man, selbst bei kurzen Verschlusszeiten, ein Stativ verwenden, um eine optimale Bildschärfe zu erhalten. Korrekt belichtet werden sollte ein Foto möglichst durch die manuelle Wahl der Blende und Verschlusszeit, unter Berücksichtigung der aktuell eingestellten Lichtempfindlichkeit des Bildsensors (ISO-Wert). Insbesondere bei der Aufnahme von mit Glüh-, Leuchtstoff-, oder LED-Lampen beleuchteten Innenräumen muss man die Kamera auf die korrekte Farbtemperatur einstellen, um einen Farbstich zu vermeiden. Detailliertere Informationen zur Bildgestaltung, zu Kameraeinstellungen sowie zur im Folgenden behandelten digitalen Bildbearbeitung enthalten die im Anhang genannten Printpublikationen und Online-Adressen.
Architekturfotos digital optimieren Bildbearbeitungsprogramme sind eine Art „digitales Fotolabor“, in dem digital vorliegende Fotos nachträglich modifiziert werden können. Neben der Bildgröße, dem Bildausschnitt oder dem Dateiformat lassen sich mehr oder weniger kleine Bildfehler, durch Fehler der Kamera, der Optik oder des Fotografen verursachte Bildmängel wie tonnen- oder kissenförmige Verzeichnungen, perspektivische Verzerrungen, Bildrauschen, Farbstiche, Unter- oder Überbelichtungen etc. partiell oder global korrigieren. Dabei sollte man beachten, dass Kameras, die Bilddaten im sogenannten RAW-Format speichern können, einen größeren Spielraum bei der Bildkorrektur bieten. Für die Bildbearbeitung werden kostenpflichtige und kostenfreie Lösungen offeriert. Bekannte Vertreter sind Adobe Photoshop oder die OpenSource-Software Gimp (siehe auch Anhang). Professionelle Architekturfotografen setzen Bildbearbeitungs-Software in der Regel nur ein, um Helligkeit und Kontrast zu optimieren, kleine Bildfehler wie Flusen oder Farbkörner zu beseitigen, aber auch um Autos, Personen oder herumliegenden Abfall zu retuschieren.
Je besser die Aufnahme vorbereitet wird, desto weniger Nacharbeit ist erforderlich und desto „authentischer“ ist die Aufnahme.
Zu den wichtigsten Korrekturfunktionen für Architekturfotos zählt die perspektivische Entzerrung. Dabei wird das Bild anhand eines eingeblendeten Rechtecksrasters an den Ecken so lange gestreckt bzw. gestaucht, bis alle Gebäudelinien parallel verlaufen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Gebäudeproportionen erhalten und Randbereiche beschnitten werden müssen. Ferner müssen gegenüber Tilt-/Shift-Objektiven Abstriche im Hinblick auf die Bildqualität gemacht werden.
Zu den weiteren vor allem für Innenaufnahmen interessanten Bildbearbeitungsfunktionen zählt das sogenannte „Stitching“, womit aus Einzelbildern Panoramen erstellt werden können.
Architekturfotografen beauftragen, aber richtig …
Der technische Zugang zur Fotografie und Bildbearbeitung ist einfacher geworden.
Technik ersetzt jedoch nicht die Fähigkeit zur künstlerischen und fotografischen Umsetzung einer Bildidee, die das richtige Licht, den richtigen Standpunkt, die richtige Perspektive und den richtigen Bildausschnitt voraussetzt.
Wer bereit ist für eine andere Sichtweise auf das eigene Werk, kann auch einen Architekturfotografen beauftragen. Im Idealfall vereint er das Know-how eines erfahrenen „Fotohandwerkers“ mit dem Gespür für Architektur und der Kreativität eines „Lichtbildkünstlers“ in einer Person. Bei der Beauftragung ist jedoch einiges zu beachten. Neben dem Leistungsumfang sollten Nutzungsrechte eindeutig geklärt werden. Dabei sollte man auf ein uneingeschränktes Nutzungsrecht des Bildmaterials achten, das eine bürointerne Verwertung (Web-Auftritt, Newsletter, Bürobroschüre etc.) ebenso umfasst wie externe Publikationen, beispielsweise in der Regional- oder Fachpresse.
Weitere Infos/Quellen
Dechau, W.: Architektur abbilden, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1995 (vergriffen)
Heinrich, M.: Basics Architekturfotografie, Birkhäuser, Basel 2009
Schulz, A.: Architekturfotografie. Technik, Aufnahme, Bildgestaltung und Nachbearbeitung, dpunkt,
Heidelberg 2011
http://de.wikibooks.org Suche: „Einführung in die Fotografie“
www.architekturbild-ev.de Förderverein Architekturbild
www.architekturfotoblog.de Infos, News, Veranstaltungen
www.digitalkamera.de Marktübersichten, Testberichte
www.dpreview.com Referenzadresse für Testberichte
www.henner.info Digitalfotografie-Praxistipps
Anbieter und Produkte *
Kameras: www.canon.de, www.fujifilm.de, www.hasselblad.de, www.leica-camera.com, www.linhof.de, www.mamiya.de, www.nikon.de, www.olympus.de, www.panasonic.de, www.pentax.de, www.samsungcameras.de, www.sigma-foto.de, www.sinar.ch, www.sony.de
Tilt-/Shift-Objektive: www.canon.de, www.hartblei.de, www.nikon.de, www.schneiderkreuznach.com,
www.zoerk.com
Bildbearbeitungs-Software: www.4homepages.de, www.acdsee.com, www.adobe.de, www.canto.de, www.fotosort.de, www.in-mediakg.de, www.gimp.org, www.irfanview.de, www.corel.com, www.studioline.net
* Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit!
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Kategorie: EDV