Die Innovation der Stadtbegrünung
Bäume bieten sich als praktikable Lösung für die Reduzierung urbaner Hitzeinseln an. Sie beeinflussen bekanntermaßen das Mikroklima durch Schatten und Verdunstung positiv und fungieren so als lebende Klimaanlage. Ihre Wurzelsysteme vermögen es, große Mengen Wasser zu speichern und dienen so als Unterstützung für das Regenwasser-Management bei Starkregen. Nebenbei reduzieren sie Windgeschwindigkeiten und bieten Lebensräume für eine Vielzahl an Tieren und anderen Organismen.
Mit dem Prinzip der Schwammstadt für Bäume soll in dicht verbauten Gebieten zusätzlicher Raum für Stadtbegrünung geschaffen werden. Dabei handelt es sich um ein innovatives System, das die gesunde Entwicklung großkroniger Bäume in befestigten Flächen ermöglicht und unterirdischen Retentionsraum für die Niederschlagswässer schafft. Das Konzept stammt ursprünglich aus Skandinavien wo Großstädte wie Stockholm dieses bereits seit mehreren Jahren erfolgreich umsetzen. Stefan Schmidt von der HBLFA Schönbrunn hat, mit Daniel Zimmermann vom Büro 3:0 und Erwin Murer von der BA für Wasserwirtschaft (BAW), das Konzept nach Österreich gebracht und forscht, gemeinsam mit den Kollegen des BAW, federführend dazu. Im „Arbeitskreis Schwammstadt“ unter der Schirmherrschaft der Österreichischen Gesellschaft für Landschaftsarchitektur (ÖGLA) treibt er mit Kolleginnen und Kollegen aus Praxis und Verwaltung das Prinzip in Österreichs Städten voran.
Entstehen können diese „Schwammstadt-Baumzonen“ überall dort, wo sogenannter Grobschlag eingebaut und verdichtet werden kann, der die Lasten der Oberfläche in den Untergrund ableitet. In die dabei entstehenden großen Hohlräume des Grobschlags wird dann ein Feinsubstrat aus mineralischen und organischen Bestandteilen eingeschlämmt, das für die Versorgung des Baums zuständig ist. Es entsteht ein durchwurzelbares Porensystem: Grobporen lassen Luft und Wasser in den Boden eindringen und verteilen diese. Die Feinporen halten Wasser gegen die Schwerkraft und machen es pflanzenverfügbar. Dadurch werden die Wurzeln von Stadtbäumen langfristig gesichert mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Als Rahmenbedingung für die Implementierung des Schwamms in der Stadt sind für jeden Baum mindestens 36 m3 an Wurzelraum vorgesehen.
Die Maßnahme ist dabei dem betreffenden Standort angepasst. Konkret heißt das, dass die Planung und Realisierung des Schwammstadtbereichs mit den vor Ort verfügbaren Materialien erfolgt und die Beschaffenheit des Straßenraums und des Geländes in die Ausführung mit einfließen.
Im Rahmen einer Kooperation setzten die Planer von 3:0 Landschaftsarchitektur und der Stoik & Partner ZT GmbH diese Idee im Quartier am Seebogen in der Wiener Seestadt Aspern um. Landschafts- und Verkehrsplaner legten den Straßenraum in enger Zusammenarbeit an – so war es hier möglich, Innovation und Funktionalität miteinander zu verbinden.
Für den Stadtraum erweist sich diese Maßnahme als unproblematisch – die Wurzeln samt Schwamm beschädigen befestigte Flächen wie Straßen, Gehsteige oder Stellplätze nicht. Zu verdanken ist dies der anpassungsfähigen und gleichzeitig stabilen Struktur des Straßenunterbaus. Zu erkennen ist dies auch beim Projekt zur „Zukunftsweisenden Straßengestaltung im Quartier am Seebogen“. Die Straßen stehen nicht nur der Bepflanzung, sondern auch Fußgängern, Radfahrern und dem motorisierten Verkehr offen. Eine besondere Oberflächengestaltung macht zudem auf die einzigartige Zusammensetzung des Untergrundes aufmerksam.
Die Qualitätssicherung hat sowohl bei der Planung als auch bei der Realisierung des innovativen Konzepts einen hohen Stellenwert. Denn da der Schwamm fixer Bestandteil des Straßentiefbaus ist, lassen sich etwaige Fehler nach der Fertigstellung nur sehr aufwändig beheben. Weiteres Ziel ist die Projektausführung an mehreren und vor allem unterschiedlichen Standorten. So ist es, wie gerade in der Seestadt praktiziert, möglich die Entwicklung des Bodens und der Pflanzen hinsichtlich unterschiedlicher Rahmenbedingungen wissenschaftlich zu begleiten. Die Erstumsetzung in der Seestadt Aspern fungiert dabei als österreichisches Pionierprojekt für diese innovative Form der Stadtbegrünung und direkten Klimawandelanpassungsmaßnahme im Straßenraum.
Grafiken: 3:0 Landschaftsarchitektur
Kategorie: Kolumnen, Sonderthema